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Biologie der Varroa-Milbe

Die Varroa-Milbe ist ein Parasit der westlichen Honigbiene, welche seit langem für die größten Winterverluste von Bienenvölkern verantwortlich ist. Der Vermehrungszyklus der Milbe ist stark an das Brutgeschehen der Bienen angepasst.

Infoblatt 340: Die Biologie der Varroa-Milbe

Bedeutung

Die Varroa-Milbe Varroa destructor (Abb. 1) ist ein aus Asien eingeschleppter Parasit unserer westlichen Honigbiene, der mittlerweile fast weltweit verbreitet ist.  Die Milben vermehren sich in den Brutzellen der Honigbienen, so dass am Ende des Sommers Tausende Varroa-Milben das Bienenvolk schwächen können. Ähnlich einer Zecke saugen die Milben an den Bienenpuppen und erwachsenen Bienen und können dabei bestimmte gefährliche Viren, z.B. Flügeldeformationsvirus, übertragen. Diese Viren befallen erwachsene Bienen und ihren Nachwuchs (Abb. 1B). Die Viren-Infektion schwächt die Leistungsfähigkeit der Bienen und endet oft tödlich. Durch die Varroa-Milbe breiten sich daher manche Bienenviren immer stärker aus und schwächen die Bienenvölker zusätzlich.

Ohne die Behandlung durch den Menschen können die meisten Bienenvölker nicht überleben. Ein von Milben befallenes Bienenvolk wird in der Regel innerhalb von drei Jahren absterben (1). Es ist wichtig, die Vermehrungsweise der Milbe zu verstehen, um den Befall richtig einzuschätzen und die Bienen angemessen behandeln zu können.

Eigenschaften der Varroa-Milbe

Der Name ist Programm, Varroa destructor bedeutet „zerstörerische Milbe“. Dabei ist sie kaum mehr als einen Millimeter lang. Wie alle Milben hat sie acht Beine und stechend-saugende Mundwerkzeuge. Sie kann nicht sehen, sondern nur hell und dunkel unterscheiden. Sie ist bedeckt von zahlreichen Sinneshärchen, über die sie ihre Umgebung wahrnimmt. Ähnlich wie die Bienen ihre Antennen nutzt die Varroa-Milbe ihre Vorderbeine, um die Umgebung abzutasten und spürt dabei selbst leichteste Erschütterungen. Durch eine kleine Grube in Vorderbeinen ist sie sehr gut in der Lage zu riechen und zu schmecken. Mithilfe der sensiblen Sinnesorgane findet sie den richtigen Weg zu den Brutzellen im Dunkeln der Wabengassen. Durch ihre flache Form kann sie sich optimal in der engen Brutzelle bewegen bzw. sich an der erwachsenen Biene festhalten oder zwischen ihren Bauchschuppen sitzen.

Lebenszyklus und Vermehrung

Die Varroa-Milbe ist ein Brutparasit und dadurch sehr eng an den Lebenszyklus ihres Wirtes – der Honigbiene – gebunden. Die Vermehrung der Milben findet nur in der verdeckelten Bienen-Brut statt. Um sich zu vermehren dringt das Varroa-Weibchen kurz vor der Verdeckelung in die Brutzelle ein (Abb. 2). Als erstes läuft sie ganz an den Grund der Brutzelle und bleibt dort „rücklings“ im Futtersaft liegen, bis die Bienenlarve den Futtersaft komplett aufgefressen hat.

Das erste Ei legt das Varroa-Weibchen 60 – 70 Stunden nach Zellverdeckelung an die Wand der Brutzelle. Danach folgt etwa alle 30 Stunden ein weiteres Ei. Das Varroa-Weibchen kann steuern, ob es ein befruchtetes oder unbefruchtetes Ei legt. Das erste Ei ist immer unbefruchtet und entwickelt sich zum Männchen, alle weiteren sind befruchtet, aus ihnen entstehen Weibchen.

Insgesamt legt das erwachsene Varroa-Weibchen 5 – 6 Eier ab, das letzte Ei etwa neun Tage nach Zellverdeckelung. Die Begattung der Tochtermilben erfolgt in der noch verdeckelten Brutzelle, d.h. das Männchen begattet seine Schwestern, kurz nach deren letzten Häutung zum erwachsenen Weibchen. Nur ein bis zwei erwachsene, begattete Tochtermilben verlassen beim Schlupf der Biene zusammen mit ihrer Mutter die Brutzelle. Das Männchen und die jüngeren, unreifen weiblichen Nachkommen sterben ab.

Abb. 2: Vermehrung der Varroa-Milbe in einer Arbeiterinnen-Brutzelle. Das erwachsene Varroa-Weibchen (rot) wandert von einer Ammenbiene in eine Brutzelle, die kurz vor der Verdeckelung steht. Das Milben-Weibchen versteckt sich unter der Bienenlarve, bis die Zelle verdeckelt ist (Tag 8 nach Eiablage). In immer gleicher zeitlicher Abfolge legt sie zunächst ein männliches Ei (Tag 10), später eine Reihe weiblicher Eier (exemplarisch dargestellt für Tag 13 - 16). Die Mutter beißt ein Loch in den Körper der Bienenpuppe. Dort saugen die Milben am Fettkörper der Biene und übertragen Viren (Tag 13 - 21). Das Männchen begattet seine Schwestern sobald sie geschlechtsreif sind (Tag 13 - 21). Nur begattete, erwachsene Milben-Weibchen verlassen beim Schlupf der Biene die Brutzelle. Alle unreifen Weibchen (rosa) und das Männchen sterben ab (Tag 21, verändert nach A. Tofilski, drawwings.org).

Der weibliche Milbennachwuchs benötigt etwa 6 Tage in der Brutzelle, um sich vollständig zu entwickeln und begattet zu werden. Da die Zeit für die Entwicklung durch die Verdeckelungsdauer begrenzt ist, entwickeln sich nicht alle Eier vollständig bis zur erwachsenen Milbe. Arbeiterinnen haben eine kürzere Entwicklungszeit als Drohnen, deshalb entwickeln sich in Arbeiterinnenzellen weniger erwachsenen Varroa-Milben als in den Brutzellen von Drohnen. Dies ist einer der Gründe, warum Varroa-Milben Drohnenbrut bevorzugen. Die Drohnenbrut wird daher bis zu fünf- bis zehnmal häufiger befallen als die weibliche Arbeiterinnenbrut.

Die Muttermilbe sorgt für ihren Nachwuchs, indem sie ein Loch in den Körper der Bienenpuppe beißt (Abb. 2, 3A). An dem gemeinsamen Futterloch ernähren sich die jungen Milben überwiegend vom Fettköper der Bienenpuppe (Ramsey et al, 2018). Der Speichel der Milben enthält Substanzen, die die Wunde offenhalten und das Immunsystem der Biene schwächen. Mit dem Speichel überträgt die Milbe außerdem Viren, wie z.B. das Flügeldeformationsvirus (DWV) auf die Biene (Abb. 1B). In unmittelbarer Nähe zur „Futterstelle“ setzen die Milben Kot an der Brutzellenwand ab (Abb. 3B).

Das erwachsene Varroa-Weibchen hält sich zwischen zwei Vermehrungszyklen auf den erwachsenen Bienen auf. Sie sitzt meist zwischen den Bauchschuppen einer Biene und saugt dort Fettkörper. Besonders häufig sitzen Varroa-Weibchen auf Ammenbienen, die sie zur nächsten Brutzelle bringen.

Dynamik der Varroa-Vermehrung im Jahresverlauf

Varroa-Milben können ohne Bienen nicht überleben. Beim Schwärmen, durch Bienenverflug oder Räuberei können sie jedoch auf einer Biene sitzend in andere Bienenvölker gelangen. Im Sommer lebt eine Milbe ein bis zwei Monate, im Winter sogar sechs bis acht Monate. Tote Milben fallen im Bienenvolk einfach zu Boden (Fachbegriff „natürlicher Totenfall“, siehe Arbeitsblätter Varroa-Diagnose).

Im Jahresverlauf steigt die Zahl der Milben im Bienenvolk stark an, da die Bienen viel Brut anlegen. Während der Brutzeit der Biene kann sich der Parasitenbefall alle drei bis vier Wochen verdoppeln oder sogar verdreifachen. (Abb. 4).

Abb. 4: Ungebremste Milbenvermehrung in einem unbehandelten Bienenvolk. Im Jahresverlauf steigt die Zahl der Varroa-Milben im Bienenvolk. Im Spätsommer geht die Zahl der Brutzellen zurück. Dadurch verschärft sich der relative Milbenbefall der Brutzellen. Ab einem rel. Brutbefall von 10% ist das Überleben des Bienenvolks gefährdet.

Je nach Standort und Trachtsituation geht die Zahl der Brutzellen spätestens ab Mittsommer wieder zurück. Dadurch verschärft sich der Milbenbefall der Brutzellen. Die zahlreichen Milben finden nur noch wenige Brutzellen, in denen sie sich vermehren können. Dadurch kommt es in dieser Jahreszeit oft zum Mehrfachbefall einer Brutzelle, das heißt mehrere Varroa-Weibchen infizieren dieselbe Brutzelle und schädigen die Bienenpuppe. Im August und September werden außerdem die wertvollen, langlebigen Winterbienen erbrütet. Befinden sich in dieser kritischen Zeit zu viele Milben im Bienenvolk werden die Winterbienen geschädigt und das Überleben des Bienenvolks ist gefährdet. Die Varroabehandlung muss also so gewählt sein, dass die Milbenzahl rechtzeitig zur Winterbienenaufzucht niedrig genug ist (siehe Arbeitsblatt Varroastrategie).

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Literatur

(1) Rosenkranz P, Aumeier P, Ziegelmann B. (2010) Biology and control of Varroa destructor. J Invertebr Pathol. 103 Suppl 1:S96-119. doi: 10.1016/j.jip.2009.07.016. Epub 2009 Nov 11. PMID: 19909970.