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EurBeST – eine Pilotstudie varroaresistenter Bienen unter kommerziellen Imkereibedingungen

Nach offiziellen Berichten werden in der EU annähernd 16 Millionen Bienenvölker von 600 Tausend Imkern bewirtschaftet, mit einer jährlichen Honigproduktion im Wert von annähernd 2 Milliarden Euro. Zusätzlich zu dem Wert der primären Imkereiprodukte tragen Honigbienen zur Bestäubung landwirtschaftlicher Kulturen und Wildpflanzen und damit zum Erhalt der Biodiversität und gesunder Agrarökosysteme bei.

Jedoch stehen Honigbienen aufgrund der Intensivierung landwirtschaftlicher Produktionsverfahren, des Klimawandels und der Globalisierung, durch die sich neue Krankheiten verbreiten, unter gewaltigem Stress. Zu diesen zählt die parasitische Milbe Varroa destructor, die innerhalb eines Jahres zum Tod der meisten infizierten Völker führen kann, sofern die Imker keine Bekämpfungsmaßnahmen durchführen.
Varroamilben ernähren sich von erwachsenen Bienen und Bienenpuppen, wobei sie tödliche Virusinfektionen übertragen. Seit ihrem Eintreffen in Europa in den späten siebziger Jahren konnte sich Varroa nahezu flächendeckend verbreiten und stellt nach wie vor die größte Krankheitsgefahr für Bienen und den weltweiten Imkereisektor dar. Imker verfügen lediglich über eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten, ohne Rückstände in Bienenprodukten, negative Auswirkungen auf die Bienenvölker oder die Entwicklung resistenter Milben zu riskieren. Ein vielversprechender und nachhaltiger Lösungsansatz lässt sich aus zahlreichen weltweiten Berichten über Bienenpopulationen ableiten, die ohne medikamentöse Behandlung überleben. Diese Überlebensvölker verfügen über Abwehrmechanismen zur Eindämmung des Parasiten. Soweit diese Fähigkeit in die nächste Generation übertragen werden kann, eröffnet sie Imkern die Möglichkeit zu einer spezifischen Selektion und Vermehrung varroaresistenter Bienen.

Abb. 1: EU Markt für Honigbienen Zuchtmaterial

Ziele und Methoden der EurBeST-Studie

Die Europäische Kommission beauftragte 2017 eine internationale Gruppe von Bienenwissenschaftlern (European Bee Selection Team = EurBeST) unter Leitung des Instituts in Kirchhain/Deutschland damit, folgende Fragen zu beantworten1):

Abb. 2: Ergebnisse einer Online-Befragung von 396 Imkern in verschiedenen europäischen Ländern zu Erwartungen und Zufriedenheit hinsichtlich gehandelter Königinnen

Das EurBeST Konsortium bestand aus Experten für Imkerei, Bienenbiologie, Zucht, Ökonomie und Statistik. Sie haben den EU Markt für Bienenzuchtmaterial analysiert (Abb. 1) sowie eine Literaturrecherche und Expertenbefragungen zum Stand der Resistenzzucht durchgeführt. In 20 EU Ländern wurden zum Erhebungszeitpunkt Selektionsprogramme zur Steigerung der Varroaresistenz durchgeführt, und aus sechs Ländern wurde das Vorkommen natürlicher Überlebenspopulationen berichtet. Allerdings wurden nur in vier Ländern resistente Bienen kommerziell angeboten.

Kundenbefragung zum Angebot an Zuchttieren

Eine Befragung von Kunden zum aktuellen Königinnenangebot offenbarte hohe Erwartungen bei mittelmäßiger Zufriedenheit. Europäische Imker möchten qualitativ hochwertige Königinnen kaufen, die sich insbesondere durch Krankheitsresistenz und hohe Leistungsfähigkeit auszeichnen. Jedoch sind sie im Vergleich zu den anderen Eigenschaften mit der Krankheitsresistenz des angebotenen Materials am wenigsten zufrieden (Abb. 2).

Abb. 3: EurBeST Fallstudienländer (in gelb) mit Punkten, die die Position der 130 Prüfstände markieren. Die deutsche Studie schloss Stände in Österreich und Kroatien ein, und die italienische umfasste eine separate kleinere Studie in Sizilien

Etwa 50% der Kunden halten die Selektion für einen wichtigen, wenn nicht den einzigen, Weg zu einer behandlungsfreien Imkerei. Interessanterweise wurde diese Einschätzung besonders häufig in Ländern mit einer langen Tradition in selektiver Zuchtarbeit geteilt.

Die größte jemals durchgeführte Studie zur Selektion von Honigbienen

Als Kernstück des EurBeST Projektes wurden fünf umfangreiche Fallstudien unter Einbeziehung von sieben EU Ländern und 130 teilnehmenden Imkern durchgeführt (Abb. 3).

Hierzu wurden 23 aus Überlebenspopulationen oder Resistenz-Selektionsprogrammen stammende Linien ausgewählt, die sechs Unterarten sowie gemischten Herkünften zuzuordnen sind. Deren generell imkerliche Eigenschaften und ihr Resistenzpotenzial wurden in zwei unterschiedlichen Intensitätsstufen geprüft: einerseits durch Leistungsprüfer, die sehr intensiv mehrere Herkünfte innerhalb des gleichen Bienenstandes verglichen haben, und andererseits durch Berufsimker, die eine oder mehrere Linien mit ihren jeweils eigenen Bienen unter üblichen Haltungsbedingungen verglichen haben. Mit mehr als 3,500 einjährig geprüften Völkern stellt dies die größte jemals zur Bienenzucht in Europa durchgeführte Untersuchung dar.

Höhere Resistenz der ausgelesenen Herkünfte

Abb. 4: Obgleich mit höherem Varroabefall im Herbst 2019 gestartet, waren die EurBeST Linien am Ende der Prüfsaison im Sommer 2020 im Durchschnitt geringer befallen als die eigenen Herkünfte der Imker

Die ausgewählten EurBeST Linien zeigten ähnliche Überlebensraten wie die eigenen Herkünfte der Imker. Während sich im Durchschnitt keine größeren Unterschiede bei der generellen Eignung (Honigleistung, Sanftmut, Schwarmneigung) zeigte, erwiesen sich die EurBeST Linien im Hinblick auf den Milbenbefall als klar überlegen (Abb. 4).

Auf den Leistungsprüfständen, die keinerlei Milbenbekämpfung während der einjährigen Prüfperiode durchgeführt haben, lag der Befall einiger EurBeST Linien bis zum Ende der Saison unter der 3% Befallsschadschwelle für notwendige Behandlungsmaßnahmen (Abb. 5). Einige der ausgewählten Linien zeigten eine hohe Produktivität kombiniert mit geringem Varroabefall.

Abb. 5: Am Ende einer vollen Saison ohne Bekämpfungsmaßnahmen gegen Varroa lag der Befall mehrerer Linien unterhalb der 3 % Befallsschadschwelle für notwendige Bekämpfungsmaßnahmen, was vielversprechende Aussichten für eine behandlungsfreie Imkerei bietet (einfache Buchstaben kennzeichnen die verschiedenen EurBeST Linien, Doppelbuchstaben die Fallstudienländer; die Säulen zeigen Mittelwerte mit Standardfehlern). Die Farben der Säulen zeigen die jeweilige Unterart an.

Varroa-Resistenzmerkmale

Die Untersuchung spezifischer Varroa-Resistenzmerkmale ergab einen engen Zusammenhang des Milbenbefalls mit dem Hygieneverhalten der Völker: im Durchschnitt korreliert eine höhere Ausräumrate geschädigter Brut (gemessen durch den Nadeltest) mit einem geringeren Varroabefall der Völker.

Abb. 6: Unterschiedliche Ausprägung des Hygieneverhaltens (durch Nadeltest beurteilt) im Vergleich der EurBeST Linien (Farb- und Buchstabenlegende siehe Abb. 5)

Linien, die schon länger auf dieses Merkmal ausgelesen waren, zeigen eine höhere Bruthygiene (Abb. 6).

Gleichermaßen beeinflusste das Merkmal Varroasensitive Hygiene (VSH) den Varroabefall, der in Völkern mit hohen VSH Werten niedriger lag. Das Recapping (REC) Verhalten (Inspizieren von Brutzellen durch Pflegebienen) korrelierte mit VSH, war also in Völkern mit hohen VSH Werten stärker ausgeprägt. Trotzdem blieb am Ende unklar, auf welche Weise dieses Merkmal mit dem Varroabefall zusammenhängt, Gleiches gilt auch für das Merkmal der unterdrückten Varroa-Vermehrung (SMR).

Regionale Anpassung ist wichtig

Abb. 7: Die ausgelesenen Linien übertreffen hinsichtlich ihrer Varroaresistenz die üblichen Herkünfte der Imker, sofern sie an die regionalen Umweltverhältnisse angepasst sind

Die Ergebnisse der Fallstudien belegen das Auftreten starker Wechselwirkungen zwischen der genetischen Veranlagung und den Umweltverhältnissen sowohl im Hinblick auf die gesamte Entwicklung der Bienenvölker als auch auf ihr Varroaresistenzpotential. Praktisch bedeutet dies, dass sich die gleiche Herkunft, in zwei unterschiedlichen Standorten eingesetzt, sehr unterschiedlich entwickeln kann, was die Notwendigkeit regionaler Selektionsstrategien verdeutlicht (Abb. 7). Berufsimker sind auf gut angepasstes Zuchtmaterial angewiesen, um das Krankheitsgeschehen zu begrenzen und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen.

Selektion ist kostspielig

Abb. 8: Beitrag verschiedener Prüfaktivitäten zu den gesamten Selektionskosten

Ein wichtiger Beitrag der Studie bestand aus einer Befragung der beteiligten Königinnenproduzenten, Leistungsprüfer und Berufsimker zu ihren Produktions- und Verkaufskosten.

Die Prüfung eines einzelnen Volkes verursacht durchschnittlich 193 € an Kosten, mit einer Spannbreite von 273 € in Deutschland bis zu 85 € in Griechenland. Der größte Kostenanteil rührt dabei von der Prüfung auf Varroaresistenz her. Die Beobachtung der Befallsentwicklung und Prüfung der Bruthygiene verursachen zusammen etwa 20%, während der höchste Anteil von mehr als 60% der Gesamtkosten durch die Erfassung spezifischer Resistenzmerkmale (SMR, VSH und REC) verursacht wird (Abb. 8).

Der Preis für Königinnen deckt nicht die Kosten der Selektion

Die durchschnittlichen Kosten der Königinnenproduktion belaufen sich quer durch die Studie auf 22.58 € je Königin, jedoch mit großen Unterschieden (von 8.22 € in Polen bis zu 37.30 € in Frankreich). Der größte Anteil wird durch Arbeitskosten verursacht, die zwischen den Ländern erheblich variieren. Der durchschnittliche Verkaufspreis von 23.32 € je Königin deckt in manchen Fällen noch nicht einmal die reinen Produktionskosten. Umso offensichtlicher ist, dass der Königinnenverkauf allein keinesfalls die Aufwendungen eines anspruchsvoll und nachhaltig betriebenen Selektionsprogramms einschließlich Prüfung, Zuchtwertschätzung und dem Unterhalt von Belegstellen decken kann.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Studie

Selektive Zucht von Honigbienen ermöglicht eine effektive Steigerung der Honigleistung, eine Senkung von Völkerverlusten und einer Verbesserung der Bienengesundheit. Der Einsatz gut selektierter Bienen ist ein entscheidender Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg professioneller Imkerei.

Regionale Zuchtstrukturen sind eine Voraussetzung für die Auslese lokal angepasster Bienen. Dies umfasst die Kooperation von Züchtern, Königinnenvermehrern und kommerzieller Imker mit wissenschaftlicher Unterstützung.

Auslese auf Resistenz ist möglich, aber teuer. Milbenbefallsentwicklung und Hygieneverhalten stellen zweckmäßige Kriterien für die Auslese varroaresistenter Bienen dar. Aber die Prüfkosten für Züchter sind hoch und müssen kompensiert werden.

Der Markt für Königinnen muss verbessert werden. Es besteht eine hohe Nachfrage von Berufsimkern nach varroaresistenten Königinnen. Aber die üblichen Verkaufspreise für Königinnen decken nicht die zusätzlichen Selektionskosten. Eine Förderung der Produktion hochwertiger Königinnen könnte hilfreich sein.

Honigbienenzucht ist auf Unterstützung angewiesen. Der Erfolg von Zuchtprogrammen hängt von ihrer Dimension und nachhaltigen Durchführung über längere Zeiträume hinweg ab. In Anbetracht der hohen Kosten spezifischer Methoden zur Selektion auf Varroaresistenz empfiehlt sich eine öffentliche Förderung des Zuchtsektors, und Imkerverbände sollten dies einfordern.


1): European Commission, Directorate-General for Agriculture and Rural Development: EurBeST Pilot Project: Restructuring of the Honey Bee Chain and Varroa Resistance Breeding & Selection Pro­gramme, Final Study Report AGRI-2017-0346. Brussels, 2021, DOI: 10.2762/470707