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Weltbienentag – Wie geht es unseren Honigbienen?

Heute ist Weltbienentag – ein Anlass, die Leistungen der Honigbiene und natürlich auch die der Imker- und Züchterschaft zu würdigen. Denn ohne Bienen gäbe es viel weniger Obst und Gemüse (ca. 80 Prozent der Obst- und Gemüseblüten werden von Honigbienen bestäubt) – und ohne engagierte Imker und Imkerinnen gäbe es weit weniger Bienenvölker.

Honigbiene in Gefahr

Unsere Westliche Honigbiene ist in Gefahr! Durch den weltweiten Transport von Bienenvölkern konnte sich auch ihr größter Gegenspieler, die Varroamilbe, gut ausbreiten und trägt weltweit massiv zum Bienensterben bei. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Parasit auch erstmals in Europa beobachtet. Nur Australien, die Antarktis und einige Inseln blieben bisher von der Invasion verschont.

Das vielbeschriebene Bienensterben ist multifaktoriell und betrifft neben Honigbienen leider auch Hummeln und solitäre Wildbienen. Gerade für Honigbienen zeigt das seit 2004 durchgeführte Deutsche Bienenmonitoring, dass neben hohem Pflanzenschutzmitteleinsatz, einer Verarmung der Blühvielfalt und dem Auftreten anderer Krankheiten, die meisten Völkerverluste auf das Konto der Varroamilbe gehen. Dabei schwächt nicht nur die Milbe an sich die Honigbiene, sie ist auch für die Übertragung verschiedenster Bienenviren verantwortlich.
Aus den Befallsmeldungen der in Deutschland am Monitoring teilnehmenden Partnerbetriebe lässt sich abschätzen, dass hierzulande jährlich circa 12 % der Bienenvölker im Winter an den Folgen des Varroabefalls eingehen.

Hoffnung in Sicht

Der Beitrag der Bienen zur Nahrungsmittelsicherung wird oft unterschätzt; Foto: Myriam Zilles auf Pixabay

Das Bienensterben tangiert nicht nur unsere Nahrungsmittelsicherheit, sondern bringt auch große finanzielle Verluste für Imker*innen und Züchter*innen mit sich. Seit Jahren gibt es daher Bestrebungen, den Varroa-bedingten Bienenverlusten beizukommen. Auch das Bieneninstitut Kirchhain führt seit Jahrzehnten Versuche und Zuchtbestrebungen zur Eindämmung der Varroamilbe durch.

Seit 2019 ist das Institut in diesem Zusammenhang federführend an einem neuen Verbundprojekt beteiligt. In dem Vorhaben werden Honigbienen auf bestimmte Verhaltensweisen, die den Varroabefall reduzieren, untersucht und selektiert. Dabei steht eine durch die Bienen gestörte Varroavermehrung, das sogenannte SMR (aus dem Englischen: suppressed mite reproduction), im Vordergrund – ein Phänomen, das zunächst bei wildlebenden Honigbienenvölkern beschrieben wurde.

Recapping: Arbeiterinnen öffnen Brutzellen im Puppenstadium, die später erneut verdeckelt werden

Martin Gabel, der das Projekt am Bieneninstitut koordiniert, erklärt: „Wenn man sich mit Varroaresistenz beschäftigt, stößt man schnell auf einige Abkürzungen und Fachbegriffe, die leicht Verwirrung stiften: Was wir als SMR bezeichnen, ist eine Verringerung im Vermehrungserfolg der Varroamilben. Wir können das sehr gut nachvollziehen, indem wir Brutwaben unterm Mikroskop untersuchen. Dieses Phänomen kann durch verschiedene Verhaltensweisen der Bienen aktiv hervorgerufen werden. Dabei werden beispielsweise befallene Zellen komplett ausgeräumt und die Brut dabei für das Wohl des Volkes geopfert, ein Verhalten, das man „varroasensitive Hygiene“ (kurz: VSH) nennt. In anderen Fällen werden Brutzellen zwar zeitweilig geöffnet, die Bienenpuppen bleiben aber unversehrt. Es kann dennoch zu einer Störung der Milbenvermehrung kommen. Weil die Brutzellen danach wieder mit einem neuen Zelldeckel verschlossen werden, nennt man dieses Verhalten „Recapping“ (kurz REC). Sowohl VSH als auch REC sind also geeignete Mechanismen, die zum Endergebnis SMR beitragen können.“

Das „stinkt“ nach Varroa – Hygiene in der Brutzelle

Woher genau die Bienen wissen, welche Wabe befallen ist, ist noch nicht abschließend untersucht. Es wird jedoch vermutet, dass der Geruchssinn dabei eine zentrale Rolle spielt. „Natürlich werden zum Teil auch Brutzellen ausgeräumt, die von anderen Krankheiten befallen sind“, so Gabel weiter. „Neben dieser generellen Bruthygiene, die übrigens schon länger in der Zuchtauslese berücksichtigt wird, sind die neuen Brutuntersuchungen zu SMR und REC spezifischer auf den Varroabefall gemünzt.“

Überwältigt von der großen Beteiligung

Das Bieneninstitut ist zum Glück nicht allein auf weiter Flur: Im Verbundprojekt wird mit dem Deutschen Imkerbund und dem Länderinstitut für Bienenkunde Hohen-Neuendorf, sowie den Zuchtverbänden Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht e.V. und der Gemeinschaft der europäischen Buckfastimker e.V. zusammengearbeitet.

In 2019 hatten die Projektpartner Aufrufe gestartet, um interessierte Bienenzüchter*innen für das Vorhaben zu rekrutieren. „Es kamen extrem viele Rückmeldungen. Eine so hohe Bereitschaft am Projekt teilzunehmen, hatten wir zunächst gar nicht erwartet. Gefordert waren von der BLE im ersten Jahr 30 Teilnehmende“, erinnert sich Gabel. „Ich denke, das verdeutlicht sehr gut, wie wichtig dieses Thema für die Imkerschaft ist und wie dringend wir es weiter untersuchen müssen“.

An dem Projekt sind deutschlandweit nun über 100 Züchter*innen und unzählige weitere Helfer*innen beteiligt, die ihre Völker auf das Auftreten der SMR-Ausprägung hin beobachten und dann entsprechend züchterisch selektieren. D.h. Bienen, die dieses gewünschte Verhalten zeigen und sich so selbstständig gegen ihren Milbenbefall zur Wehr setzen, werden für die Weiterzucht genutzt.

Brutanalyse zur REC- und SMR-Ausprägung am Bieneninstitut Kirchhain

Dabei betreiben die meisten Teilnehmenden die Bienenzucht in ihrer Freizeit oder nebenberuflich. Sie investieren nicht nur viel Zeit für das gemeinsame Ziel (die Betreuung der zusätzlichen Völker, die Beobachtung/Auswertung von SMR erfordern viel Geduld), sondern sie mussten im Zuge des Projektes auch Geld für neues Imker-Equipment in die Hand nehmen. Wobei die Auslagen durch Aufwandsentschädigungen aus Projektmitteln zurückerstattet werden können. Die Mikroskope zum Beispiel, die zur Brutuntersuchung benötigt werden, wurden vom Deutschen Imkerbund gestellt.

Die gut 100 teilnehmenden Bienenzüchter*innen gehören einer der 11 Regionalgruppen an, die sich im Zuge des Projektes formiert hatten. Innerhalb ihrer Gruppe treffen sie sich regelmäßig zum Austausch und zur Auswertung von mehr als 750 Bienenvölkern (geplant waren vor Projektstart zunächst 400 Völker).

Es geht voran – trotz aller Hindernisse

Trotz eines leicht verschobenen Förderzeitraums für das Projekt, konnten schon in der ersten Saison 2019 gute Ergebnisse erzielt werden. Zu Projektbeginn mussten die Regionalgruppen zunächst in den einheitlichen Methodenprotokollen geschult werden und die entsprechenden Prüfvölker aufbauen. Gabel: „Anfangs war ich in ganz Deutschland unterwegs und habe viele Vorträge und Workshops gehalten. Der Erfahrungsaustausch mit den Regionalgruppen hat das Projekt ständig weitergebracht. Zum Beispiel konnten wir viele Methodenansätze diskutieren und auch verbessern“.

In 2020 könnte es Corona-bedingt zu Problemen kommen, da Gruppenaktivitäten nur beschränkt möglich sind. „Aber zum Glück konnten die meisten Methodentage Anfang des Jahres noch ungehindert stattfinden, wir mussten nur einen Termin in Bayern aus Sicherheitsgründen vorerst absagen“, berichtet Gabel erleichtert. Zum Ende des Sommers hin wird es wieder kritisch. Denn da treffen sich die Teilnehmer*innen, um die Waben auf SMR und REC hin zu evaluieren und die besten Königinnen für die nächste Zuchtsaison auszuwählen. „Wir sind gespannt, wie sich die Situation entwickelt und verständigen uns bis dahin eben unter den gebotenen Sicherheitsvorkehrungen vor allem telefonisch oder per Mail“, schließt Gabel.

Varroa-Bekämpfung: Nicht alles auf eine Karte setzen

Die SMR-Selektion ist nicht der einzige Hoffnungsschimmer, der Varroamilbe den Garaus zu machen. Passend zur grundsätzlich auf Nachhaltigkeit bedachten Behandlungsstrategie des Hauses, untersucht ein weiteres Projekt am Bieneninstitut Kirchhain die Reduzierung des Varroabefalls durch Brutpausen.

So ergänzen sich die Arbeiten, um durch Resistenzzucht und biotechnische Behandlungen langfristig gesunde Bienenvölker zu erhalten, die wiederum die Erträge unserer Obst- und Gemüsearten sichern.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag: Praxis-Forschung-Bienen


Natürlich tragen auch viele andere Insekten zur Nahrungsmittelsicherung durch Bestäubung bei. Der Beitrag der Hessischen Gartenakademie gibt Tipps, wie Sie die Insektenvielfalt fördern können.


Die Förderung des Verbundprojektes „SMR Selektion bei Bienen“ erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages. Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im Rahmen des Programms zur Innovationsförderung.