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O Tannenbaum – Wieviel Arbeit steckt in der Weihnachtsbaumproduktion?

Um der Nachfrage nach einem geraden, dicht gewachsenen, grünen Baum gerecht zu werden, investieren Weihnachtsbaumerzeuger viel Zeit und Geld in die richtige Pflege. Tobias Storch vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen und Dirk Hill vom Regierungspräsidium Gießen erklären, was es für einen makellosen Baum alles braucht.

In Hessen bauen gut 50 Betriebe Weihnachtsbäume gartenbaulich an (kein Forst). Die Größe der Betriebe liegt im Schnitt zwischen einem und drei Hektar.

Von der Kinderstube ins Feld

Weihnachtsbaumschonung; Foto: Dirk Hill, RP Gießen

Der Jungbaum kommt mit etwa drei Jahren von spezialisierten Baumschulen in den Weihnachtsbaumbetrieb und wird dort ab Jahresbeginn gepflanzt. Entweder als wurzelnackte Pflanzen, wenn sie im Anzuchtbetrieb direkt in Beete gesät wurden, oder als Pflanzen mit Wurzelballen, wenn sie in Anzuchtplatten vorkultiviert wurden. Jungpflanzen mit Wurzelballen wachsen leichter an, sind aber teurer in der Anschaffung. Doch mit Blick auf den Klimawandel und häufiger auftretende Trockenereignisse könnten sich die Mehrkosten schnell amortisieren.

Bei Bezug der Pflanzen aus der Baumschule ist es wichtig, sich nach der Herkunft der Samen und speziell der Höhenlage im Ursprungsgebiet zu erkundigen, um ein gutes Wachstum am eigenen Standort zu gewährleisten. Um eine zwei Meter hohe Nordmanntanne ernten zu können, braucht es im Schnitt sechs bis acht Jahre. Bei höheren Bäumen dementsprechend länger.

Aller Anfang ist schwer

Gerade in den ersten drei Kulturjahren nach der Pflanzung ist der Konkurrenzdruck durch Unkrautbewuchs hoch. Während später die Beikrautregulierung in den meisten Betrieben mechanisch mit Hilfe von Freischneidern und Frontmähgeräten erfolgt und sich das Beikrautproblem durch die starke Beschattung von selbst regelt, kommt in den ersten Jahren nach der Pflanzung den Herbiziden eine wichtige Rolle zu. Damit verhindert man neben der Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe auch eine Verfilzung der unteren Astpartien und vermindert aufgrund der besseren Durchlüftung den Druck durch Pilzkrankheiten.

Vereinzelt regulieren im Übrigen auch Vierbeiner den Unkrautaufwuchs und stellen ihn den Pflanzen in Form von organischem Dünger wieder zur Verfügung. Die alte Shropshire-Schafrasse aus England macht sich nichts aus frischen Tannentriebspitzen, sondern labt sich lieber am Gras.

Auftreten von Schädlingen und Pilzen ist wetterabhängig

Je nach Witterung spielen Schädlinge und Krankheiten im Anbau von Weihnachtsbäumen eine Rolle. Deren Auftreten variiert oft stark von Jahr zu Jahr. In Jahren, in denen es speziell im Frühjahr und Sommer regelmäßig Niederschlagsereignisse gibt, kann es zu einem erhöhtem Druck durch Pilzkrankheiten an den Nadeln kommen. In solchen Fällen kann mit zugelassenen Fungiziden reagiert werden. Hitze liebende Schaderreger, wie Schildläuse oder die Nadelholzspinnmilbe treten wiederum in trockenheißen Jahren vermehrt in den Vordergrund.

Die Weißtannentrieblaus (Dreyfusia nordmannianae) oder verschiedene Rüsselkäfer-Arten sind weitere Weihnachtsbaumschädlinge. Rot- und Blaufichten werden hin und wieder von Fichtennadelrost befallen.

Vogelstab mit Klammer

Durch Forstbestände in direkter Nachbarschaft kann es zudem zu einem Befall durch Borkenkäfer kommen, deren Auftreten infolge von trockenheißen Jahren stark zugenommen haben.

In den hessischen, flächenmäßig kleinstrukturierten Betrieben spielt der Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel eher eine untergeordnete Rolle, kann aber bei hohem Schaderregerdruck notwendig werden.

Vierbeiner und Vögel als Gefahr für den Christbaum

Außerdem bereiten der Verbiss der jungen Knospen durch Rehwild und Schädigungen der Wurzeln durch Wühlmäuse den Betrieben Sorgen. Genehmigungspflichtige Einzäunungen können gegen Rehwild helfen; Sitzstangen für Greifvögel helfen gegen die Nager. Auch Schwarzwild kann zum Problem werden, zum Beispiel, wenn sich Maikäferengerlinge im Boden befinden und Wildschweine auf der Suche nach den Leckerbissen die Flächen verwüsten. Zudem schieben die Wildschweine die Zäune nach oben und das Rehwild kann ungehindert in die Schonung nachkommen.
Da sich Vögel gern auf die Leittriebspitze setzen und diese brechen kann, werden zum Schutz Holzstäbe mit Klammern als alternative Sitzmöglichkeit fixiert. Kleine Windräder und andere optische Vogel-Abwehroptionen stehen ebenfalls zur Verfügung.

Nur nicht zu hoch hinaus

Top-Stopp-Zange
Easy-Roller-Universal-Gabel

Während in den ersten drei Kulturjahren keine direkten mechanischen Maßnahmen am Baum erfolgen, widmet sich der Weihnachtsbaumanbauer ab Standjahr vier dem sogenannten Snippen und der Leittriebregulierung. Die beiden untersten Astkränze werden beim Snippen entnommen, was die Pflege erleichtert.

Damit der Leittrieb nicht zu hoch schießt, kommt etwa im Mai die Top-Stopp-Zange zum Einsatz. Indem man den letztjährigen Trieb anschneidet, wird das Wachstum des Leittriebes gebremst. Diese mechanische Methode zur Leittriebregulierung findet mittlerweile standardmäßig Anwendung im Anbau. Alternativ oder auch ergänzend dazu können, wenn der Leittrieb etwa eine Kugelschreiberlänge erreicht hat, zugelassene Wachstumsregulatoren, z.B. auf Basis von Naphthyl-Essigsäure als Streich- bzw. Rollbehandlung eingesetzt werden.

Neben Formschnittmessern und Scheren kommen weitere Hilfsmittel, wie Ringe, Zweigregler, Spiralen und Klammern zum Einsatz, um den gewünschten pyramidalen Aufbau und das Aussehen des Weihnachtsbaumes über die mehrjährige Kulturzeit hinweg bis zur Ernte zu erreichen.

Zweigregler

Gedüngt wird bei der Weihnachtsbaumproduktion nach erfolgter Nährstoffanalyse. Die Nordmanntanne als Schwachzehrer hat wenige Ansprüche an den Boden. Allerdings sollte der Boden pH-Wert nicht zu hoch sein, um insbesondere Eisenmangelchlorosen zu vermeiden. Die Hauptnährstoffe können zusammen mit dem Stickstoff gedüngt werden.

Klimawandel setzt Weihnachtsbäumen zu

Die verstärkt auftretenden Wetterkapriolen wirken sich auch auf die Christbaumproduktion aus. Der Weihnachtsbaum-Liebling, die Nordmanntanne z.B., reagiert sehr empfindlich auf Spätfröste im Mai. Starke Hagelereignisse nehmen in den letzten Jahren vermehrt zu und können den Betrieben im schlimmsten Fall 10 bis 12 Jahre Arbeit verhageln. Doch vor allem setzt die Trockenheit, welche in den zurückliegenden Jahren zugenommen hat, den Bäumen zu: Die Zuwächse der Bäume fielen geringer aus, Jungpflanzen sind nur schwer angewachsen und wurden, wo es möglich war, bewässert. In den trockenheißen Jahren 2018-20 beispielsweise wurden in Neuanpflanzungen Ausfälle von bis zu 80 % verzeichnet.

In Zukunft werden Bewässerungsmöglichkeiten nicht nur als Schutz vor Spätfrösten, sondern auch für die Wasserversorgung der Weihnachtsbaumkultur eine Rolle spielen. Für die meisten Betriebe wird dies jedoch nicht umsetzbar sein. Oft scheitern diese Vorhaben an den Wasserspeicherkapazitäten oder sind schlichtweg unrentabel.

Fazit: In einem Christbaum steckt viel Arbeit

Zweifelsohne hat sich die Weihnachtsbaumproduktion in den letzten zwei Jahrzehnten stark verändert. Während früher die Bäume gepflanzt, freigestellt und geerntet wurden, richtet man sich heute bei der Nährstoffversorgung nach Bodenprobeanalysen und steckt sehr viel Arbeit in die Pflege und Formierung der Weihnachtsbäume. Dieser höhere Pflegeaufwand kostet Geld und muss schließlich beim Verkaufspreis mit einkalkuliert werden, denn nur dann kann der regionale Erzeuger dem Kunden qualitativ hochwertige und makellos schöne Bäume anbieten.