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Einfluss von verändertern Dünger- und Produktpreisen auf die Düngung im Frühjahr 2022

Im Frühjahr 2022 stehen Ackerbaubetriebe vor der Frage, wie sie auf die massiven Veränderungen am Markt im Dünger- aber auch im Produktsegment  reagieren sollen. Hierzu soll der folgende Artikel eine Antwort geben und dabei auf die stark gestiegenen Markterlöse für Raps, Weizen und Gerste sowie die sehr hohen Preise für stickstoffhaltige Mineraldünger eingehen.

Düngermarkt

Die Entwicklung an den Dünge-, Getreide- und Rapsmärkten hätte vor wenigen Monaten niemand für möglich gehalten. Der Preis für Harnstoff strebt seit Monaten stetig nach oben, Das derzeitige Niveau hat sich im Vergleich zu den Jahren 2021 und 2020 nahezu verdreifacht und liegt mittlerweile bei 930 €/t (2,02 €/kg N). Kalkammonsalpeter wird momentan mit 625 €/t (2,3 €/kg N) gehandelt. Marktbeobachter gehen nicht von einer wesentlichen Preiserholung vor Ende Mai aus. Die Einschränkung der Produktionskapazitäten fast aller Düngemittelhersteller sprechen mittelfristig dafür, dass das hohe Preisniveau beibehalten wird. Das könnte auch interessant sein: Preise für Düngemittel weiter im Höhenrausch.

Produktmärkte

Der Ölsaatenmarkt hatte in der zweiten Kalenderwoche ein Preishoch von 750 €/t erreicht. An der MATIF (Paris) wurden Kontrakte zeitweise von mehr als 70 €/dt gehandelt. Rapsnotierungen franko Hamburg, Salzgitter oder Mannheim lagen zum Teil über 80 €/dt.

Die Preise für Weizen ging an den Börsen in den ersten Tagen des neuen Jahres eher zurück, erreichen dennoch ein Niveau von 270 €/t für frühere Termine. Die alte Ernte dürfte zu großen Teilen bereits gehandelt sein. Gute A und E Qualitäten werden jedoch weiterhin gesucht. (Quelle: Marktinformationen & Preise: Getreide, Ölsaaten, Kartoffeln)

Merke:
KGR= korrigierter Geldroherlös, entspricht auch der Stickstoffkostenfreien Leistung (NKfL) oder dem Reinerlös. Beschreibt den Markterlös abzüglich aller mit der Stickstoffdüngung anfallenden Kosten (Markterlös – Dünger – Ausbringungskosten)

Die Preisschwankungen werfen die Frage auf, wie eine geeignete Reaktion auf die geänderte Konstellation aussehen könnte. Hierfür wurden in Tabelle 1 unterschiedliche Szenarien betrachtet. Dargestellt werden die Marktsituationen im Sommer des vergangenen Jahres (Situation ALT) und des diesjährigen Frühjahrs (Situation NEU). Für den Körnerrapsanbau, Winterweizen und Wintergerste werden neben den Erlösen (€/ha) auch die Düngungskosten (€/kg N) mit in die Betrachtung einbezogen.

Tabelle 1: Vergleich der Erlösoptima (KGR= korrigierter Geldroherlös) für Winterraps, Winterweizen und Wintergerste in unterschiedlichen Preissituationen (Alt=Sommer 2021; NEU=Januar/Februar 2022) anhand der Düngungsversuche des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) von 2016 bis 2020

Tabelle 1:
Vergleich der Erlösoptima (KGR= korrigierter Geldroherlös) für Winterraps, Winterweizen und Wintergerste in unterschiedlichen Preissituationen anhand der Düngungsversuche des LLH von 2016 bis 2020

Winterraps Winterweizen Wintergerste
Anzahl Einzelversuche 10 34 21
Situation Alt (Sommer 2021)
Produktpreis €/dt 38 18 15
Stickstoffpreis €/kg N 0,92 0,92 0,92
Erlösoptimum €/ha 1334 1474 1211
Ertrag bei Erlösoptimum dt/ha 41 93 94
Düngung bei Erlösoptimum kg N/ha 189 182 170
Situation Neu (Januar/Februar 2022)
Produktpreis €/dt 75 25 22
Stickstoffpreis €/kg N 2,0 2,0 2,0
Erlösoptimum €/ha 2682 1932 1683
Ertrag bei Erlösoptimum dt/ha 41 91 91
Düngung bei Erlösoptimum kg N/ha 184 159 153

Für den Landwirt und die Landwirtin ist nicht entscheidend, wieviel Dünger eingesetzt muss, um einen möglichst hohen Ertrag (dt/ha) zu erzielen, sondern wieviel Dünger muss eingesetzt werden, um einen möglichst hohen Erlös (€/ha) zu erzielen. Dieser Punkt entspricht nicht dem höchsten Naturalertrag. Entstehende Kosten für Dünger und Düngerausbringung müssen in die Betrachtung mit einfließen. Daraus resultiert ein optimierter Erlös. Dieser um die Stickstoffdüngung bereinigte Reingewinn wird im Artikel als Korrigierter Geld-Roherlös (KGR) bezeichnet. In vielen anderen Veröffentlichungen wird dies Größe oft als „Stickstoff (N) Kosten freie Leistung (NKfL) gekennzeichnet. Beide Benennungen beschreiben synonym den höchsten, den optimalen Punkt in einer Erlöskurve.

Diesem optimalen Erlös möglichst nahe zu kommen, ist die große Herausforderung. Beeinflussen können die Landwirte und Landwirtinnen dies mit dem Düngereinkauf, dem Verkauf der Feldfrüchte und der Führung der Pflanzenbestände. Dabei verzeichnen seit einigen Monaten die Märkte hohe Schwankungen.

Anhand der Ergebnisse einjähriger N-Steigerungsversuchen soll aufgezeigt werden, dass die Stickstoffmengen sowohl bei Körnerraps, Weizen und Gerste reduziert werden können. Aufgrund der gestiegenen Preise für Stickstoff, aber auch Getreide und Raps wird eine neue optimale Erlössituation erzielt. Dabei werden folgende Hypothese aufgestellt: Moderate Reduzierungen der Stickstoffdüngung führen

erstens zu keiner erheblichen Ertragsreduktion und
zweitens fangen höhere Produktpreise gestiegenen Düngerkosten wieder auf.

Im Folgenden sollen mögliche Auswirkungen des veränderten Marktumfeldes für die Kulturen Raps, Weizen und Gerste betrachtet werden.

Winterraps

Bereits in Tabelle 1 werden zwei unterschiedliche Szenarien miteinander verglichen. Die Situation „Alt“ stellt die Preisverhältnisse vor der Ernte 2021 dar, die Situation „Neu“ gibt die veränderte Situation Januar/Februar 2022 wieder. Ausgehend von der berechneten Ertragskurve (rote Linie) aus den Stickstoffdüngerversuchen (2016 – 2020) zu Körnerraps wird der optimale KGR bei unterschiedlichen Produkt- und Düngerpreisen kalkuliert (grüne Linie). So kann für die Situation „Neu“ aus Tabelle 1 bei einem Rapserlös von 75 €/dt und einem Düngerpreis von 2 €/kg N die grüne Erlöskurve errechnet werden.

Die schwarzen Dreiecke stellen jeweils den Punkt dar, an dem der höchste Erlös erzielt werden kann, sollten sich die Produktpreise von 65, 70, 75, 80 oder 85 €/dt ändern. Für jede dieser Preisstufen kann die für den Ertrag notwendige Stickstoffmenge ermittelt werden. Diese sind in der Tabelle in der Abbildung 1 abzulesen (175 bis 191 kg N/ha). Sollte der Preis für Raps bei 65 €/dt liegen, wird demnach eine Stickstoffmenge von 175 kg N/ha notwendig sein. Bei einem N-Preis von 2 €/kg N kann ein um die Stickstoffkosten bereinigter Erlös von 2275 €/ha erzielt werden. In einem Marktumfeld eines Preises für Raps von 85 dt/ha und einem Düngerpreis von 2 €/kg N wird ein korrigierter Geldroherlös von insgesamt 3092 €/ha realisiert.

Die ockerfarbenen Kreise stellen die Situationen dar, bei der die Stickstoffdüngerkosten von 1,6 in 20 Cent-Schritten auf 2,5 €/kg N ansteigen. Auch für jede einzelne Kostenstufe kann die N-Düngermenge ermittelt werden, die zu dem jeweiligen optimalen KGR führt. Je teurer der Dünger, umso niedriger der Erlös in €/ha und umso niedriger die dafür notwendige Stickstoffdüngermenge. So sinkt der Hektarertrag von 2758 €, bei einer Düngung von 196 kg N/ha (1,6 €/kg N) auf 2594 € (dafür notwendige N Aufwand von 170 kg N/ha und einem Düngerpreis von 2,5 €/kg N)

Aus der grafischen Darstellung wird auch deutlich, dass der Markterlös eine stärkere Wirkung auf den Flächenerlös hat, als die Schwankungen des Stickstoffpreises.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Düngerbeschaffung für die anstehende Rapsdüngung bei den meisten Betrieben abgeschlossen ist. Betriebsleitungen sollten sich daher nicht nur über die Düngung Gedanken machen, sondern auch den Marktpreis im Auge haben. Vorkontrakte für die neue Ernte werden bereits abgeschlossen. Warenterminbörsen weisen Kontrakte für August 2022 von knapp 60 €/dt aus.

Abb. 1: Winterraps - veränderter Korrigierter Geldrohertrag (KGR) bei unterschiedlichen Produktpreisen und N-Düngerkosten (Versuche 2016 - 2020 Kornertrag dt/ha und Erlös €/ha)
Abb. 2: Winterweizen - veränderter Korrigierter Geldrohertrag (KGR) bei unterschiedlichen Produktpreisen und N-Düngerkosten (Versuche 2016 - 2020 Kornertrag dt/ha und Erlös €/ha)

In Tabelle 1 wird ähnlich wie für den Winterraps der Vergleich verschiedener Marktszenarien durchgeführt. Die Situation „Alt“ beschreibt die Preis-/Kostenverhältnisse vor der Ernte 2021, die Konstellation „NEU“ gibt die Gegebenheiten Winter/Frühjahr 2022 wieder. Zugrunde liegen der Betrachtung die Versuchsergebnisse der N-Weizendüngungsversuche von (2016 bis 2020). Die veränderten Verhältnisse führen zu einer erheblichen Steigerung des KGR in € pro Hektar. Ein um 23 kg/ha niedrigeres Düngungsoptimum geht mit einer moderaten Ertragsreduzierung (93 auf 91 dt/ha) einher.

In Abbildung 2 werden die Effekte von veränderten Marktbedingungen dargelegt. Die Darstellungsart orientiert sich an Abbildung 1. Ausgehend von den Versuchsergebnissen des LLH werden unterschiedliche Preis- und Kostenszenarien und ihre Auswirkungen auf den korrigierten Geldroherlös dargestellt.

  • Weiterhin wird in der Abbildung 2 der Einfluss divergenter Weizenpreissituationen von 20 bis 30 €/ha und die zur Erzielung des optimalen korrigierten Geldroherlöses notwendige N-Düngermenge dargestellt (schwarze Dreiecke).
  • Die ockerfarbenen Kreise beschreiben das Erlösoptimum (nach Abzug der Düngungskosten) bei unterschiedlichen Preisen für den Stickstoffdünger (1,6 bis 2,5 €/kg N).
  • Bei einem Weizenpreis von 25 €/dt bewirkt ein steigender Stickstoffpreis (1,6 bis 2,5 €/kg N; ockerfarbene Kreise) pro 10 kg/ha mehr eine Reduzierung des KGR von 40 €/ha.
  • Eine Anhebung des Weizenpreises von 20 auf 30 €/dt (schwarze Dreiecke) bewirkt pro 10 kg Stickstoff eine Steigerung von ca. 190 €/ha am Erlös.

Daraus folgt, dass der Weizenpreis einen sehr viel größeren Einfluss auf einen möglichen Reingewinn hat, als der N-Düngerpreis. Das unterstreicht die Bedeutung der Marktbeobachtung für Betriebe, die am Weizenmarkt tätig sind. Der in der Vermarktungssaison zu erzielende Preis bestimmt die jetzt anzustrebende Düngungshöhe.

In der Betrachtung wurden die Ausbringkosten pauschal mit 25 €/ha für drei Gaben angenommen. An dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, dass die Betrachtung der abweichenden Rohproteingehalte und daraus resultierende mögliche Preisunterschiede nicht in die Berechnung mit eingeflossen ist. So wurden in der Kalenderwoche 5 in Hessen für Futterweizen 25,7 €/dt zu B Weizen 26,5 €/dt notiert (https://llh.hessen.de/unternehmen/marktinformation-und-preise/preise-ackerbau/getreide-oelsaaten-grobleguminosen).

Abb. 3: Wintergerste - veränderter Korrigierter Geldrohertrag (KGR) bei unterschiedlichen Produktpreisen und N-Düngerkosten (Versuche 2016 - 2020 Kornertrag dt/ha und Erlös €/ha)

Betrachtet man die unterschiedlichen Szenarien aus der Tabelle 1 bezogen auf die Wintergerste, fällt auch hier die Möglichkeit zur Düngereinsparung auf. Gestiegenen Produktpreise in Verbindung mit den gestiegenen Düngerpreisen führen zu einem neuen Optimum. Die Düngereinsparungen fallen nicht so hoch wie beim Weizen aus, jedoch sind auch hier Einsparungen von 10 bis 20 kg N/ha möglich. Die neuen Preis- und Erlösverhältnisse ziehen einen Mehrerlös von 470 €/ha (1683 € minus 1211 €) nach sich.

Wie bereits für die Kulturen Raps und Weizen wurden die Betrachtungen auch auf den Wintergerstenanbau projiziert (Abbildung 3). Die im Betrachtungszeitraum 2016 bis 2020 durchgeführten einjährigen Gerstendüngungsversuche (rote Linie) stellen die Grundlage der Berechnungen dar, in deren Folge die grüne Erlöskurve berechnet werden konnte.

  • Eine Steigerung des Preises für den Stickstoffdünger von 1,7 auf 2,6 €/kg N führt zu einer Erlösminderung von 5,5 € pro kg mehr applizierten Stickstoff (Annahme: Gerstenpreise liegen konstant auf 22 €/dt, ockerfarbene Kreise).
  • Auf der anderen Seite bewirkt eine Erhöhung des Gerstenpreises (schwarze Dreiecke: 16 bis 26 €/dt) eine Steigerung der Stickstoffmenge von 131 auf 161 kg N/ha, die zum höchsten Ertrag führt. Gleichzeitig steigt der maximal erzielbare Reinerlös von 1610 auf 1730 €/ha.

Die Wirkung möglicher Preisschwankungen der Gerste auf die Erlössituation ist damit auch beim Wintergerstenanbau größer einzuschätzen, als mögliche Preisschwankungen beim Dünger. Die Ausbringungskosten wurden unabhängig von der Düngungshöhe mit 25 €/ha angenommen.

Fazit

Anhand der Tabelle 1 konnte die veränderte Situation für den Anbau von Winterraps, Winterweizen und Wintergerste aufgezeigt werden. Die stark angestiegenen Preise für die Ernteprodukte, wie aber auch für den Dünger führen zu neuen Erlöskonstellationen. Generell sollte die Düngung reduziert werden, um den „optimalen“ korrigierten Geldroherlös zu erzielen.

In den Abbildungen 1 bis 3 wurden unterschiedliche Szenarien für die wichtigsten Ackerbaukulturen dargestellt. Zum einen wurde auf die Möglichkeit schwankender Ernteerlöse (€/dt) eingegangen und zum anderen verschiedene Stickstoffdüngerpreise (€/kg N) grafisch abgebildet. Jede Veränderung führt zu einen neuen Dünge- und Erlösoptimum.

Ziel der Darstellung ist es mögliche Handlungsoptionen darzulegen, wie die Betriebsleitung auf unterschiedliche Preis- und Kostenkonstellationen reagieren kann.

Mit einer starken Veränderung der Düngerkosten ist zum jetzigen Zeitpunkt bis Mai/Juni nicht mehr zu rechnen. Wie aufgezeigt werden konnte, haben insbesondere die Erntepreise einen erheblichen Einfluss auf die optimale Düngungshöhe. Das wiederrum führt die Betriebe in die Zwickmühle. Sie müss(t)en  jetzt wissen, zu welchem Preis  Raps, Weizen und Gerste im Sommer verkaufen werden kann, um die Düngung jetzt zu planen. Eine Möglichkeit, um einen Preis abzusichern, sind Kontraktabschlüsse mit Handelspartnern.

In diesem Artikel konnte nicht darauf eingegangen werden, dass neben der Düngungshöhe natürlich noch an anderen Stellschrauben gedreht werden kann, um die Düngung zu optimieren. So dürfte zur Absicherung des Schwefelbedarfs zunächst auf entsprechende schwefelhaltige Stickstoffformen zurückgegriffen werden. Ob im Weiteren auf stabilisierte Harnstoffdünger oder Kalkammonsalpeter zurückgegriffen wird, dürfte nur zu unwesentlichen Ertragsunterschieden führen. Eine optimale Führung der Bestände ist immer eine Kombination zwischen der Düngung und anderen produktionstechnischen Maßnahmen.