Eiweißinitiative
Eiweißbedarf in Hessen
Für die Erzeugung tierischer Produkte ist eine Versorgung mit hochwertigem Eiweiß aus selbsterzeugtem Grobfutter und zumeist zugekauftem Ergänzungsfutter erforderlich. Der Bedarf an Eiweißergänzungsfutter ist hierzulande deutlich höher als das Angebot. Er wird überwiegend durch Sojaimporte aus Übersee gedeckt, das zum überwiegenden Anteil aus gentechnisch verändertem Anbau stammt.
Der Gesamteiweißbedarf der hessischen Viehhaltung beläuft sich auf rund 275.000 t Protein. Davon entfällt knapp die Hälfte (ca. 49 %) auf die Milchkuhhaltung, weitere ca. 32 % auf die Bereiche Kälber- und Jungrinderaufzucht, Rindermast sowie Mutterkuhhaltung, ca. 10 % auf die Schweinehaltung, ca. 5 % auf Schafe und Ziegen und ca. 4 % auf die Geflügelhaltung.
Unter Anrechnung des im Grundfutter und im Getreide der Futterrationen enthaltenen Proteins verbleibt ein Ergänzungsbedarf von rund 55.000 t Protein/Jahr. D.h. zur Deckung der sog. „Eiweißlücke“ muss ca. 20 % des Proteinbedarfs der hessischen Tierhaltungen aus Ergänzungsfuttermitteln gedeckt werden.
Um eine Eiweißversorgung mit heimischen Futtermitteln sicherzustellen, können
- verstärkt heimische Leguminosen (Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen) angebaut,
- der Anbau von Sojabohnen in Deutschland ausgeweitet sowie
- Nebenprodukte aus anderen Produktionsbereichen wie z. B. Rapsextraktionsschrot (RES)
eingesetzt werden.
Eiweißergänzungsbedarf je nach Tierhaltung
Von diesem Ergänzungsbedarf entfallen ca. 36 % auf die Milchkuhhaltung und ca. 26 % auf die Kälber- und Jungrinderaufzucht sowie die Rindermast. Insgesamt benötigt die Rinderhaltung in Hessen ca. 62 % des gesamten Proteinergänzungsbedarfs. Allein hieraus lässt sich auch die Bedeutung des Betriebszweigs Rinderhaltung für die hessische Landwirtschaft insgesamt ablesen. Auf die Schweinehaltung entfallen ca. 22 %, auf die Geflügelhaltung ca. 12 % und auf die Schaf- und Ziegenhaltung ca. 4 % des Ergänzungsbedarfs.
Der Anteil von Schweine- und Geflügelhaltung ist beim Ergänzungsbedarf gegenüber dem Gesamtbedarf deutlich höher, weil bei Monogastriern aus ernährungsphysiologischen Gründen kein bzw. nur eingeschränkt Grobfutter (Gras, Mais oder Luzerne) zum Einsatz kommen kann und der Eiweißgehalt im Getreide der Futterrationen mit ca. 12 % bis 13 % sehr niedrig ist. Gleichzeitig ist – bei einer guten Futterverwertung – eine Versorgung mit sehr hochwertigem Eiweiß sicher zu stellen. Dieser letzte Aspekt ist für den Umfang der Substitution von Sojaextraktionsschrot (SES) durch heimische Leguminosen neben der Einsatzbeschränkung auf Grund antinutritiver, also verzehrs- und leistungsmindernden Substanzen von entscheidender Bedeutung, weil bei diesen das Spektrum des Gehaltes an essentiellen, durch das Tier nicht selbst zu synthetisierenden Aminosäuren nicht optimal ist.
Bezogen auf die hessische Anbaufläche (2012) von Winterraps und dessen Ertrag könnten theoretisch knapp 128.316 Tonnen RES produziert werden. Diese Produktionsmenge würde den für Hessen kalkulierten Ergänzungsbedarf an Zukauf-Protein ohne Berücksichtigung der tierspezifischen Mengeneinschränkungen zu etwa 82 % decken. Die Proteinergänzung beim Rind kann zu nahezu 100 % über RES abgedeckt werden.
Eiweißpotenzial aus dem Grobfutter
Eine sehr wichtige Rolle in der Rinderfütterung spielt die Eiweißversorgung aus selbsterzeugtem Grobfutter, insbesondere Gras-, Kleegras- und Luzernesilage, aber auch Maissilage. Von der in Hessen landwirtschaftlich genutzten Fläche (ca. 764.300 ha) hat das Grünland einen Anteil von knapp 38 %. Gerade deshalb wird in der besseren Ausnutzung des Rohproteins (XP) aus dem Grobfutter ein sehr großes Eiweißpotential gesehen.
Vor allem unter dem Gesichtspunkt einer zu verbessernden Eiweißqualität gilt es, einen möglichst großen Anteil des im Grünfutter enthaltenen Reinproteins bis zur Futtervorlage im Stall zu erhalten. Neben schonender Trocknung, kurzer Feldliegezeit und schnellem Anwelken kann der Einsatz von Silierhilfsmitteln, u.a. tanninhaltige Leguminosen, zur Verbesserung der Proteinqualität beitragen.
Mit stabil konservierten Silagen lassen sich sowohl Nährstoff- als auch Massenverluste deutlich reduzieren, so dass insgesamt mehr „Netto vom Brutto“ der erzeugten Futtermittel über die Rinderhaltung in Form von Fleisch- oder Milchertrag veredelt werden kann. Untersuchungen zu Futterverlusten zwischen Ernte und Futtertrog zeigen Größenordnungen von knapp 25 %. Ein Reduzieren der Futterverluste führt parallel zu einer Verringerung an Importen von Eiweißfuttermitteln.