- Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen - https://llh.hessen.de -

3. Europaweiter Streuobstwiesentag: „Kultur braucht Pflege von Anfang an“

„Als Immaterielles Kulturerbe anerkannt, wird den artenreichen Streuobstwiesen öffentliche Wertschätzung verliehen.

Streuobstwiesen sind nicht nur Biodiversitätshotspots, sondern auch echte Hingucker

Diese sollte sich aber auch in der entsprechenden Pflege widerspiegeln“, konstatiert Beate Reichhold-Appel, Leiterin der Hessischen Gartenakademie (HGA) beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) und weist auf den oft desolaten Zustand der Biodiversitätshotspots hin.

„Streuobstwiesen sind durch Menschenhand entstanden, weshalb diese Kultur zeitlebens Pflege benötigt. Vor allem in den ersten 10 bis 12 Jahren braucht ein junger Hochstamm-Obstbaum ausreichend Pflege, damit er gut anwachsen und sich zu einem alten, landschaftsprägenden Obstbaum entwickeln kann“, so Reichhold-Appel weiter. Die Expertin erläutert am Tag der Streuobstwiesen, grundlegende Aspekte zur Neuanlage und gibt Denkanstöße für das Konzept „Streuobstwiese“.

Kultursorten haben hohe Ansprüche

Mangelnde Pflege: Baumscheibe zugewuchert, Pfahlanbindung Fehlanzeige
So geht es richtig: Geweißter Baumstamm mit Kunststoffgurt an zwei Pfählen befestigt

Streuobstwiesen gelten heute als Extensiv-Standorte und dienen häufig als ökologischer Ausgleich für den Wegfall von naturnaher Fläche durch Baumaßnahmen in Städten und Gemeinden. Neuanpflanzungen werden meist auf Flächen vorgenommen, die anderweitig landwirtschaftlich nicht nutzbar sind. „Allerdings wird außer Acht gelassen, dass die heutigen Obstbäume Kulturpflanzen mit erhöhten Ansprüchen sind und keine Wildgehölze mehr. Auch Bäume, die mit alten Obstsorten veredelt sind, sind nicht anspruchsloser als Neuzüchtungen“, schildert die Expertin. So braucht das Kernobst (Apfel und Birne) durchlässige Böden und eine gleichmäßige Wassernachlieferung und leidet eher auf sommertrockenen Standorten. Im Vergleich dazu verträgt Steinobst (z.B. Kirsche oder Pflaume) trockenere Standorte, jedoch nur auf entsprechender Unterlage, braucht aber ebenfalls den Wasseranschluss.

Pflege nach Pflanzung nicht versäumen

So geht es richtig: Ein Gießrand verhindert das oberflächliche Ablaufen des Wassers

Neupflanzungen sollten nicht sich selbst überlassen werden. Der Pflanzschnitt und die folgenden Erziehungsschnitte setzen den Grundstock für das gesamte Baumleben, das, je nach Unterlage, bei Birnen beispielsweise bis zu 150 Jahre betragen kann. Der essentielle Pflanzschnitt fördert den Neuaustrieb und legt das Grundgerüst, also Anzahl und Stellung der Leitäste, fest. Je nach Wuchskraft der Sorte muss bei Hochstämmen weitere acht bis zehn Jahre jährlich ein Erziehungsschnitt erfolgen.

„Gräser und Kräuter sind schnellwüchsig und stehen in Konkurrenz zum Jungbaum. Um das Wachstum des Baumes mit noch geringem Wurzelwerk zu fördern, muss die Baumscheibe freigehalten werden.

Auch sollte die Stabilität der Baumpfähle und die Anbindung regelmäßig kontrolliert werden“, zählt die Fachfrau beispielhaft auf.

Klimawandel: Neuanlage von Streuobstwiesen neu denken?

Ist eine kontinuierliche, reiche Obsternte das prioritäre Ziel, sollten regelmäßig Jungbäume nachgepflanzt bzw. abgängige Bäume ersetzt werden

Die Klimaveränderung hin zu mehr sommertrockenen Jahren verstärkt bei Jungbäumen das Problem des Kümmerwuchses, der auf eine andauernde Unterversorgung mit Nährstoffen und Wasser zurückzuführen ist. Jungbäume müssen auf Standorten mit geringer Wassernachlieferung sowie in trockenheißen Sommern bewässert werden, damit sie ein tiefes Wurzelwerk entwickeln; von Zeit zu Zeit sollte bedarfsgerecht nachgedüngt werden.

Unter dem Aspekt der Klimaveränderung und dem zunehmenden Absterben von Jungbäumen stellt sich daher die Frage, ob Neuanpflanzungen von Kulturobstbäumen auf extensiven Standorten, wie magere Wiesen, noch vertretbar sind. „Soll die Streuobstwiese vorrangig dem Artenschutz dienen, könnten blühende und fruchtende Wildgehölze die ökologische Funktion als Nahrungsquelle und Nistplatz besser erfüllen. Sie sind anspruchsloser und anpassungsfähiger gegenüber Klimaveränderungen sowie weniger pflegeintensiv“, erklärt Reichhold-Appel. Felsenbirnen (Amelanchier spec.), Steinweichsel (Prunus mahaleb) und Vogel-Kirsche (Prunus avium) eignen sich für trockene Lagen; die Kultursorten Speierling (Sorbus domestica) oder Elsbeere (Sorbus aucuparia) beispielsweise für frische bis feuchte Lagen.

Bis zum Ende denken: Streuobstwiesen sind Generationenprojekte

Vor der Anlage einer Obstwiese sollte also geklärt werden, welches Ziel vorrangig verfolgt wird (reiche Obsternte oder Artenschutz), ob der Standort geeignet ist und ob die initiale, jahrelange Pflege gewährleistet werden kann. Hinzu kommt: Das Projekt Streuobstwiese ist über Generationen angelegt, weil selbst bei guter Pflege Hochstammbäume erst ab dem 15. Lebensjahr in den Ertrag kommen.

„Erfreulicherweise steigt das Interesse an Streuobstwiesen wieder – das zeigt auch die große Nachfrage nach unseren Schnittkursen durch Ehrenamtliche“, teilt die Leiterin der HGA mit. „Unser Tipp an alle, die die Anlage einer Streuobstwiese planen: Neben dem Besuch von Schnittlehrgängen sollte dieses Vorhaben nicht alleine angegangen werden. Holen Sie sich Unterstützung bei Streuobstinitiativen, Pomologenvereinen, Obst-und Gartenbauverbänden sowie Naturschutzgruppen.“

Die HGA bietet

verschiedene Seminare an und gibt Tipps am Gartentelefon unter +49 561 7299377.

Weitere Informationen zu Streuobstwiesen und deren zur Pflege finden Sie auch auf unserer Website:

Streuobstwiesen: 'Zukunkft nur mit Nutzung und Pflege'
Obstbäume im Garten und auf Streuobstwiesen auf Misteln kontrollieren
Jetzt noch Weißanstrich für Obstbäume auftragen