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Marienkäfer: Raubtierfütterung im Garten

Marienkäfer sind effiziente, ökologisch arbeitende Blattlausfeinde. Doch sollen sie erfolgreich Schädlingspopulationen dezimieren, müssen die Rahmenbedingungen im Garten stimmen …

Blattläuse – das Futter

Blattläuse sind mit recht Pflanzenschädlinge, da durch ihre Saugtätigkeit nicht nur Pflanzenteile deformiert werden, sondern potenziell auch Krankheiten wie Viren übertragen werden. Zudem scheiden sie große Mengen zuckerhaltiger Pflanzensäfte aus, die klebrige Beläge auf den Pflanzen bilden und von Pilzen besiedelt werden, dem sogenannten Rußtau. Die Fähigkeit der Blattläuse ohne geschlechtliche Befruchtung (Parthenogenese) Nachkommen zu produzieren, ist die Grundlage für hohe Populationsdichten in kurzer Zeit. Sind hohe Populationsdichten erreicht, entstehen geflügelte Tiere, die aktiv oder durch den Wind große Distanzen überwinden können und so neue Nahrungsquellen erschließen. Nach Literaturangaben können Blattläuse bis zu 1000 km überwinden. Aus diesem Grund ist es eine abenteuerliche Vorstellung zu glauben, dass man im Garten Pflanzen blattlausfrei kultivieren könne.

Marienkäfer – die Raubtiere

Marienkäfer gehören zu den effizienten Blattlausfeinden, da sie große Mengen davon vertilgen. Weltweit gibt es ca. 4000 Marienkäferarten. In Europa leben davon rund 100 Arten. Eine genaue Bestimmung der Art ist oft nicht einfach, da die Variabilität, vor allem die Färbung, innerhalb einer Art außerordentlich groß sein kann. Manchmal wird angenommen, dass die Anzahl der Punkte mit dem Alter der Käfer zusammenhängt. Diese Annahme ist falsch. Vielmehr handelt es sich um eine art- oder variantentypische Körperzeichnung, die sich oft in der Namensgebung wiederfindet (Beispiel: Siebenpunkt-Marienkäfer – Coccinella septempunctata).
Durch ihre räuberische Lebensweise sind Marienkäfer in allen landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen äußerst wichtige Nützlinge. Als gut fliegende Insekten gehören sie zu den „Säuberungsräubern“, die auf der Suche nach Beute zwischen Naturräumen und landwirtschaftlichen und gärtnerischen Kulturen wechseln.

Eine naturnahe Gartenbewirtschaftung trägt zum Erfolg bei

Insbesondere als Blattlausfeinde können sie in erheblichem Maße dazu beitragen, Schädlingskalamitäten zu vermeiden. Aus Untersuchungen weiß man jedoch, dass die Marienkäfer schon zu Beginn der Schädlingsentwicklung auf den Pflanzen vorhanden sein müssen, wenn es ihnen gelingen soll, die Blattlauspopulation wirksam zu begrenzen oder gar auszurotten. Daher ist es von Vorteil, wenn die Erstbesiedlung aus Winterquartieren in der unmittelbaren Nähe der Pflanzen erfolgt. Durch eine entsprechend naturnahe Gartenpflege lassen sich Überwinterungsquartiere erhalten.

Marienkäfer überwintern in der Bodenstreu, unter einer Laubdecke, in dichten Grasbüscheln oder Stauden, in Lesesteinhaufen, hohlen Stubben usw.
Nach der Überwinterung legen die geschlechtsreifen Weibchen (Imagines) der unterschiedlichen Marienkäferarten bis zu 400 Eier, meist in Gruppen von 10 bis 30 Eiern an Pflanzen, häufig an der Blattunterseite und in der Nähe von Blattlauskolonien. Die Weibchen des Siebenpunkt-Marienkäfers legen nach der Begattung im Frühjahr 15 bis 50 Eier ab. Die Larven schlüpfen nach 7 bis 10 Tagen, abhängig von Klima und Jahreszeit. Alle Larven eines Geleges schlüpfen gleichzeitig und bleiben eine Zeitlang auf den leeren Eihüllen sitzen, um trocken zu werden. Je nach Art durchlaufen die Larven 4 oder 5 Larvenstadien. Jede Larve des Siebenpunkt-Marienkäfers benötigt für die Entwicklung rund 600 bis 800 Blattläuse. Nach drei- bis sechswöchiger Larvenentwicklung erfolgt die Verpuppung. Die Puppen sind häufig noch von der letzten Larvenhaut umgeben und mit dem Hinterende auf Blättern, Zweigen oder anderen Unterlagen festgeheftet. Die Puppenruhe dauert je nach Witterung bis zu 9 Tage. Die frisch geschlüpften Jungkäfer sind anfangs farblos und nach ca. 3 Tagen voll ausgefärbt. Vollentwickelte Larven und Imagines größerer Marienkäferarten, wie z.B. C. septempunctata, können pro Tag bis zu 150 Blattläuse verzehren.

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C. septempunctata ist auch einer der wichtigsten Regulatoren der Getreideblattläuse (Macrosiphum avenae). Bei einem Räuber-Beute-Verhältnis von 1:20 kann i. d. R. auf eine chemische Blattlausbekämpfung verzichtet werden. So sind bei der Einhaltung des Integrierten Pflanzenschutz z. B. alle kulturtechnischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum zu begrenzen.

Pflanzenschutzmittel verschlimmern die Situation oft

Die Pflanzenschutzmittelindustrie vermarktet unter dem Slogan „nützlingsschonend“ unter anderem Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Fettsäure-Kaliumsalze (Kali-Seife). Die Produktbeschreibungen dieser Mittel weisen folgende Pflanzenschutzmittelkennzeichnungen auf:

Bei einer Anwendung dieser Pflanzenschutzmittel werden auch Nützlinge, wie die Larven der Marienkäfer, Florfliegen, Schwebwespen aber auch Raubwanzen und andere Blattlausfressende Insekten geschädigt oder abgetötet. Das hat zur Folge, dass Blattläuse, die entweder nicht alle abgestorben oder als geflügelte Individuen die Pflanzen neu besiedeln, aufgrund ihrer hohen Vermehrungsrate rasant zu großen Populationen anwachsen können. Die Nützlinge hingegen benötigen eine viel größere Zeitspanne, um eine entsprechende Populationsdichte aufzubauen, die die Blattläuse dezimieren kann.

Eine Alternative für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln könnte der Einsatz von Nützlingen sein. Viele Nützlingsanbieter haben zwar den Siebenpunkt-Marienkäfer im Angebot, auf den Informationsseiten wird aber vom Einsatz im Freiland abgeraten. Das hat rechtliche Gründe. Da ein Erfolg im Freiland von den Herstellern nicht garantiert werden kann – Klima und Witterung sind nicht regelbar – wird der Einsatz nicht empfohlen. Dennoch hat jeder die Möglichkeit, sollten zu wenig Fressfeinde vorhanden sein, den Siebenpunkt-Marienkäfer als Nützling zu kaufen und anzusiedeln. Das hat sicherlich eine wesentlich nachhaltigere Bekämpfung von Blattläusen zur Folge als der ein- oder mehrmalige Einsatz eines Pflanzenschutzmittels.

Tipps zur eigenen Nützlingszucht

Siebenpunkt-Marienkäfer an Borretschblüte: Käfer sucht Nektar und Pollen
Im Erwerbsanbau unter Glas wird bei vielen Kulturen inzwischen eine „Offene Nützlingszucht“ praktiziert. Da nicht jede Blattlaus jede Kulturpflanze befällt, können z.B. im Gewächshaus an Getreide die Getreideblattlaus und gleichzeitig Nützlinge gezüchtet werden. Sollten dann Blattläuse an den eigentlichen Kulturpflanzen auftreten, ist eine hinreichende Menge an Blattlausfeinen vorhanden und eine Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln überflüssig.

Ein vergleichbares Verfahren wurde früher auch von unseren Vorfahren praktiziert: Unter Obstbäumen, damals hatten die Obstbäume noch eine Baumscheibe, wurde unter anderem Kapuzinerkresse ausgesät. An dieser Pflanze finden sich immer Blattläuse, die als Nahrung für Nützlinge dienen und damit unter den Bedingungen des Freilands Nützlinge fördern.
Wenn die tierische Nahrung nicht ausreicht, ernähren sich viele der blattlausfressenden Insekten auch von Pollen. Daher kann mit blühenden Pflanzen ebenfalls der Tisch für die Blattlausräuber gedeckt werden.

Blattläuse sind Pflanzenschädlinge, aber wir sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert.

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