Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rechtsfragen

Natur- und Artenschutz: Darf ich nach dem 01. März Gehölze schneiden?

Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet in der Zeit vom 1. März bis 30. September grundsätzlich den (radikalen) Schnitt wichtiger Biotopstrukturen wie Röhrichte, Bäume, Hecken, Gebüsche und sonstige Gehölze. Damit soll insbesondere die Fortpflanzung vieler Tierarten geschützt werden. Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen das genannte Verbot verstößt, handelt ordnungswidrig (§ 69 Abs. 3 Nr. 13 BNatSchG).

Demzufolge kommt es regelmäßig zur Empörung (insbesondere auch in verschiedenen Foren sozialer Medien) bis hin zu Anzeigen seitens besorgter und naturverbundener Bürger, wenn auf städtischen Grünflächen oder in Gärten nach dem Stichtag trotzdem Schnittmaßnahmen oder gar Baumfällungen vorgenommen werden. Doch verstoßen derartige Maßnahmen gegen das Naturschutzgesetz?

Ein Blick ins Bundesnaturschutzgesetz

Ob übliche Heckenform-Schnittmaßnahmen oder Baum- und andere Gehölzbeseitigungen hier tatsächlich einen Verstoß darstellen, verrät uns der betreffende Paragraf 39 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) zum allgemeinen Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen.

  • 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG besagt: „Es ist verboten,… Bäume, die außerhalb des Waldes, von Kurzumtriebsplantagen oder gärtnerisch genutzten Grundflächen stehen, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen; zulässig sind schonende Form- und Pflegeschnitte zur Beseitigung des Zuwachses der Pflanzen oder zur Gesunderhaltung von Bäumen“,…

Für jegliche Hecken, lebende Zäune oder Gebüsche besteht also tatsächlich in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September ein generelles Beseitigungsverbot bzw. ein Verbot eines starken Rückschnitts. Entgegen landläufiger Meinungen ist jedoch ein Form- oder Pflegeschnitt zunächst einmal grundsätzlich weiterhin möglich, sofern keine Aspekte des Artenschutzes dagegensprechen, was im weiteren Textverlauf noch einmal erläutert wird.

Für Bäume im Wald, auf Kurzumtriebsplantagen und auf gärtnerisch genutzten Grundflächen hat der Gesetzgeber ein Ausnahmeprivileg vorgesehen. Sofern kein Landesnaturschutzgesetz eine strengere Regelung vorsieht oder ein anderer Schutzstatus existiert, sind Beseitigungen ganzjährig möglich. Aber auch hier gilt: Sofern keine Aspekte des Artenschutzes dagegensprechen!

Wie sieht es mit der Beseitigung von Bäumen in der freien Landschaft, auf Wiesen, Äckern oder entlang von Wegen und Straßen oder inmitten befestigter Flächen aus? Solche Flächen zählen nicht zu den „gärtnerisch genutzten Grundflächen“, d. h. hier besteht keine Ausnahmeregelung. Eine Beseitigung ist, sofern keine anderen Sachverhalte dagegensprechen, lediglich im Zeitraum zwischen dem 1.Oktober und 28. / 29. Februar gestattet.

Definition der „gärtnerisch genutzten Grundfläche“

Als „gärtnerisch genutzte Grundflächen“ gelten gemeinhin neben erwerbsgartenbaulich genutzten Flächen auch private Haus- und Nutzgärten, Dauerkleingartenanlagen sowie Friedhöfe oder andere städtische Grünanlagen wie Parks, Sport- und Spielanlagen oder Zeltplätze. Hier dürfen Bäume zunächst einmal ganzjährig beseitigt werden, sofern sie

  1. nicht einer gemeindlichen Baumschutzsatzung oder einem anderen Schutzstatus unterliegen,
  2. sie nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 25 BauGB gepflanzt oder erhalten werden müssen oder
  3. die Fällung nicht dem Artenschutz (§ 44 BNatSchG) entgegensteht.

Achtung:
Da die Definition allerdings nicht immer klar und eindeutig geregelt ist, können sich in der Praxis immer wieder unterschiedliche Rechtsauffassungen ergeben. In Hessen sind die Naturschutzbehörden per Erlass angewiesen, die o. g. Gartenflächen als „gärtnerisch genutzte Grundflächen“ zu betrachten.

Sonderfall Streuobstwiese

Solche Bäume sind für Tiere besonders wertvoll
Während Obstanlagen ebenfalls als gärtnerisch genutzte Grundflächen gelten, auf denen jederzeit Bäume, sofern artenschutzrechtlich nichts dagegenspricht, beseitigt werden dürfen, unterliegen Streuobstbestände in den meisten Bundesländern einem besonderen Schutz und erhalten somit keinen Freibrief für Fäll- und Beseitigungsmaßnahmen. Gemäß § 13 Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) zählen Streuobstbestände außerhalb bebauter Ortschaften als gesetzlich geschützte Biotope. Geplante Maßnahmen, die über eine schonende Pflege und Bewirtschaftung hinausgehen, müssen daher unbedingt in Abstimmung mit der jeweils zuständigen Unteren Naturschutzbehörde (UNB) erfolgen. Pflegeschnitte sind jedoch selbstverständlich ganzjährig (d. h. auch der Sommerschnitt) möglich.

Wichtigster Aspekt: Der Artenschutz

44 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BNatSchG besagten: „Es ist verboten, … wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören…“ sowie „Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören…“

Das bedeutet in Bezug auf Baum- und Gehölzschnittmaßnahmen konkret, dass vor jeglichen Maßnahmen, unabhängig vom zeitlichen Korridor sowie vom Standort, eine artenschutzrechtliche Relevanz geprüft und ausgeschlossen werden muss. Eine Beseitigung eines Altbaumes mit Astlöchern und Hohlräumen, auch auf gärtnerisch genutzten Flächen, bedarf stets einer artenschutzrechtlichen Prüfung. Klären Sie daher eine geplante Beseitigung eines solchen Baumes am besten im Vorfeld mit Ihrer zuständigen Unteren Naturschutzbehörde (Stadt oder Landkreis) ab, die Ihnen mitteilen wird, worauf Sie zu achten haben.

Auch bei geplanten Hecken- und Gebüschbeseitigungen im eigentlich unkritischen Zeitraum zw. 1.10. und 28. / 29. 2. gilt: Inspizieren Sie vorab die Hecke, bzw. das Gehölz nach möglichen Winterquartieren von Igeln, etc.

Auch im Fall der ganzjährig erlaubten schonenden Form- und Pflegeschnitte ist der Artenschutz zu beachten. D. h. auch hier ist die Gehölzstruktur vorab im Hinblick auf Nist- und Ruhestätten zu begutachten.

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Fazit

In Gärten und auf städtischen Grünflächen können, gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), abgesehen von den o. g. genannten Ausnahmen, Baumfällungen zunächst einmal ganzjährig vorgenommen werden. Der in § 39 BNatSchG genannte Zeitraum für Beseitigungsverbote bezieht sich auf Bäume in der freien Landschaft sowie auf jegliche Hecken- und Gehölzstrukturen. Strengere Regelungen können sich allerdings durch die jeweiligen Landesnaturschutzgesetze ergeben. Dies ist in Hessen gem. Hessisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (HAGBNatSchG) jedoch nicht der Fall.

Insgesamt ist es geschickter, nach Möglichkeit Fäll- und Schnittmaßnahmen in den unkritischen Zeitraum Anfang Oktober bis Ende Februar zu legen. Völlig unabhängig vom Zeitkorridor ist allerdings eine genaue Dokumentation im Sinne einer möglichen artenschutzrechtlichen Relevanz dringend zu empfehlen. Vor allem bei der geplanten Beseitigung von Bäumen sind Astlöcher, Hohlräume, Geäst und Nistkästen zu prüfen und dies zu dokumentieren. Ziehen Sie stets im Vorfeld von geplanten Fäll- und Beseitigungsmaßnahmen die für Sie zuständige Untere Naturschutzbehörde (UNB → Stadt / Landkreis) mit ein. Damit gehen Sie auf Nummer sicher und vermeiden nachträglichen Ärger. Stellen Sie weiterhin sicher, dass Gehölze, die Sie zu beseitigen planen, keinem anderen Schutzziel (z. B. Baumschutzsatzung, geschützter Teil von Natur und Landschaft oder § 9 Abs. 1 Satz 25 BauGB) unterliegen.

Gleichwohl wäre es zu begrüßen, wenn Grundstückseigentümer Altbäume oder Teile davon, sofern von ihnen kein Sicherheitsrisiko ausgeht, nach Möglichkeit im Garten belassen würden. Totholz ist ein potenziell überaus wertvoller Lebensraum für Insekten, Spinnen, Vögel, Fledermäuse, Bilche und andere Kleinsäuger und sollte daher grundsätzlich mehr Akzeptanz in unseren Gärten finden.

Pflege- und schonende Formschnitte, beispielsweise an Hecken oder Obstgehölzen sind grundsätzlich ganzjährig möglich. Aber auch hier hat der Artenschutz die oberste Priorität. Wird festgestellt, dass die jeweilige Gehölzstruktur gerade der Fortpflanzung, Aufzucht oder als Ruhestätte wildlebender Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten dient, sind jegliche Störungen zu unterlassen.


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