Gemüsebau & Kräuter
Gemüsebautag 2020 – Mit Apps die Zukunft gestalten
In seinem Grußwort anlässlich des hessischen Gemüsebautages am 29. Januar signalisierte Uli Natterer, Vorsitzender der Fachgruppe Gemüsebau im Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen e.V., dass die Gemüsebau-Branche zur Veränderung bereit sei.
Trotz des Umfangs der nun anstehenden Herausforderungen wie der Düngeverordnung, des Mindestlohns, der Auswirkungen des Klimawandels, der Kunststoffreduzierung, der Torfreduktionsstrategie oder der CO2-Bepreisung, könne die Branche zukunftsfähig sein. Voraussetzung hierfür sei ein gerechtes Verhalten am Markt. Die Politik müsse für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen und die Branche vor nicht vergleichbaren Dumpingprodukten schützen, so Natterer. Derzeit konkurrierten hiesige Produkte zu Weltmarktpreisen mit Ware, die nicht den hohen heimischen Qualitätsstandards entsprächen. Zusätzlich zu den politischen Rahmenbedingungen kämen steigende Anforderungen seitens des Handels. Beispielsweise plant die Handelskette Migros in der Schweiz ab 2025 nur noch Gemüse beziehen wollen, das CO2 neutral produziert wurde.
Indem die Politik sich darauf beschränke, die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Forderungen zum Kompromiss hin zu moderieren, verliere sie die Gestaltung von Eckpunkten der „langen Linien“ aus den Augen. Deshalb appellierte Natterer an die Berufskollegen, sich nicht an der politischen Rahmensetzung zu orientieren sondern sich auf eigenen Instinkt zu verlassen. Die betriebliche Entwicklung solle man vielmehr anhand der Bedürfnisse von Kunden und Partnern ausrichten.
Der hessische Bauernverband, vertreten durch Vizepräsident Volker Lein, erneuerte seine Forderung nach einer Binnendifferenzierung und einer veränderten Abgrenzung der roten Gebiete. Dort, wo die Landwirtschaft nachweislich nicht alleinige Verursacherin für die hohen Werte an den Messstellen sei, würde der Berufsstand eine Verbandsklage verfolgen. In diesem Zusammenhang nannte Lein die kürzlich von der nordrhein-westfälischen Landesregierung durchgeführte Messstellenprüfung, die zwei Drittel der geprüften Messpunkte als fehlerhaft nachwies.
Weitere Informationen zur Messstellenprüfung finden Sie in folgender Pressemitteilung aus NRW.
Bewässerung: Neues zur Geisenheimer Steuerung
Zur Produktion von marktfähiger Qualitätsware und zur Ertragsabsicherung ist der Gemüsebau auf Bewässerung angewiesen. Gleichzeitig ist es wichtig, für die Betriebsleitungen ihre Bewässerungstechnik möglichst effizient einzusetzen, sodass dringlichste Flächen zuerst berücksichtigt werden. Prof. Dr. Jana Zinkernagel von der Hochschule Geisenheim stellte eine Neuerung zur Geisenheimer Steuerung (GS) vor.
Die GS steht seit 2016 für wenige Kulturen in Form einer App (GS-mobil) als Entscheidungshilfe zur Verfügung, die nach einem Ampelsystem den Zustand und nötigen Bewässerungsbedarf ausweist. Dabei berechnet die GS den Wasserbedarf von Gemüsekulturen anhand der Referenzverdunstung, eines Pflanzenkoeffizienten (der von der Pflanzenart und dem jeweiligen Wachstumsstadium abhängig ist) und der lokalen Regenmenge. Bis dato mussten die Betriebsleiter den Entwicklungszustand ihrer Kulturen noch selbst bestimmen, was bei räumlich verstreuten Flächen einen enormen Aufwand bedeutete. Im aktuellen Projekt GSEHEN wurden für verschiedene Kulturen Standard- Entwicklungsdauern erarbeitet. So kann nun anhand des Aussaat- bzw. Pflanzdatums der Entwicklungszustand für die Kultur automatisch berechnet werden. Die aktualisierte Software der GS passt nun Bewässerungsmaßnahmen der neuen Datengrundlage selbst an. Der Anbauer hat aber auch jederzeit die Möglichkeit, den aktuellen Entwicklungszustand der Pflanzen in das Programm einzugeben.
Im Programm werden Felder nach dem Vorbild der EU-Agrarförderung angelegt, wie es vielen Bewirtschaftenden aus dem Antrag zur EU-Agrarförderung bekannt ist, die um spezifische Bodengegebenheiten (Bodenprofil, -art etc.) ergänzt werden können.
Über eine Schnittstelle (CSV Format) können dann die Wetterdaten z.B. des LLH, des DWD oder eigener Wetterstationen eingespielt werden. Die Vorteile Digitaler Managementsysteme sind nach Auffassung von Zinkernagel die Abnahme von Entscheidungen und somit eine Arbeitserleichterung. Darüber hinaus helfen sie, die Flächen und Termine einer Bewässerung besser zu planen.
Durch die zukünftige Verknüpfung geobasierter Daten, so der Ausblick der Wissenschaftlerin, könnten möglicherweise die Bewässerung und Nährstoffversorgung (N-Düngung) durch Digitale Managementsysteme miteinander verbunden werden.
Die GeoBox-Infrastruktur – Digitale Entscheidungshilfen
Die Bundesländer stellen den landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betrieben zahlreiche Messdaten zur Verfügung. Grob unterscheiden kann man diese nach Wissensboxen (z.B. Boden, Wasserhaushalt), Geo-Basisdaten (z.B. Bodenkarten, Klimaszenarien) und zeitkritischen Daten (z.B. Wetter, Nährstoffanalysen). Meist ist die Nutzung der Daten mit erhöhtem Aufwand verbunden, da jede erfassende Landesbehörde die Daten auf einer eigenen Plattform bereitstellt. Dr. Herwig Köhler vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück stellte im Rahmen des Gemüsebautages die GeoBox Infrastruktur vor.
Die GeoBox gliedert sich in den GeoBox Viewer, den GeoBox Messenger und den GeoBox Feldatlas.
Mit dem GeoBox Viewer werden die unterschiedlichen Daten der Landesbehörden miteinander verknüpft und für die jeweilige Nutzergruppe z.B. Gartenbaubetriebe oder Landwirte aufbereitet dargestellt. Es besteht auch die Möglichkeit, über eine Schnittstelle eigene Daten in den Viewer hochzuladen. Die Daten sind „flüchtig“, was bedeutet, dass sie nach der Benutzung nicht gespeichert werden.
Köhler stellte heraus, dass es zwar Aufgabe des Landes sei, Daten brauchbar zur Verfügung zu stellen, jedoch nicht die Entwicklung eines Farm Management System (FMS). Über den DSGVO konformen Messenger, GeoBox Messenger, können nach dem Vorbild von WhatsApp Beratungskräfte und Bewirtschaftende kommunizieren und z.B. Bilder und Standorte miteinander teilen. Zeitkritische Daten können so und durch eine Push-Funktion besser genutzt werden.
Der GeoBox Feldatlas kann über den Standortpass Daten aus der GeoBox in eine andere App z.B. ein FMS überführen und dient somit als Schnittstelle.