Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Grünland & Futterbau

Anhaltende Trockenheit im Grünland: Sollten Herbstnachsaaten eingeplant werden?

 Das Jahr 2022 verlief bisher in vielen Regionen, anders als das Vorjahr, deutlich zu warm und zu trocken. Die hohen Temperaturen und vor allem die geringen Niederschläge haben in vielen Regionen von Hessen und Rheinland-Pfalz auch im Grünland deutliche Spuren hinterlassen. Insbesondere auf grundwasserfernen Standorten waren spätestens beim dritten Aufwuchs erhebliche Einbußen durch Trockenschäden zu verzeichnen. Ein vierter Aufwuchs ist vielerorts nicht in Sicht. Um die Leistungsfähigkeit des Grünlands wiederherzustellen, ist vielerorts eine Nachsaat einzuplanen.

Grünlandpflege nach Trockenperioden

Die durch Trockenheit entstandenen Lücken in der Grünlandnarbe sollten möglichst noch im Sommer, spätestens aber im Herbst durch eine Nachsaat geschlossen werden. Ansonsten können sich Unkräuter und Ungräser schnell in den lückigen Beständen ausbreiten. Sind allerdings weiterhin keine nennenswerten Niederschläge in Sicht, heißt es abwarten. Denn das Risiko, dass die Nachsaat zu diesem Zeitpunkt misslingt, ist groß. Zudem lassen sich die Schäden im Grünland erst wirklich abschätzen, wenn die Narbe nach den Niederschlägen wieder grün geworden ist.

Durch die anhaltende Trockenheit bleibt das Grünland im Wuchs zurück. Trockenheitsverträgliche Arten können sich nun leicht ausbreiten. Dazu gehört u.a. der Ampfer.
Durch die anhaltende Trockenheit bleibt das Grünland im Wuchs zurück. Trockenheitsverträgliche Arten können sich nun leicht ausbreiten. Dazu gehört u.a. das Jakobskreuzkraut.

Bei einer Nachsaat im Herbst unterstützen die nächtliche Taubildung und Tagestemperaturen unter 25°C den Keimprozess. Daher sollte der optimale Saatzeitpunkt vor dem Einsetzen des Regens im Herbst nicht verpasst werden. Grundsätzlich können Nachsaaten in Mittelgebirgslagen problemlos noch bis Mitte/Ende September hinein erfolgen. In den Niederungslagen sind Nachsaaten häufig noch bis Mitte Oktober durchführbar. Vor Winter sollten die nachgesäten Gräser die Möglichkeit haben, noch das Dreiblatt-Stadium zu erreichen. Auch spätere Nachsaaten können durchaus funktionieren, dann steigt allerdings das Risiko von Auswinterungsschäden.

Um die richtige Maßnahme zu treffen, müssen die Grünlandbestände genau kontrolliert werden. Dennoch bedarf es meist situations- und einzelflächenbezogener Empfehlungen, denn die Schadenssituation auf dem Grünland kann sich regional sehr unterschiedlich darstellen. Ein Anhaltspunkt bei der Entscheidung, ob eine Nachsaat oder eine Neuansaat durchgeführt werden muss, bietet der Lückenanteil bzw. der Unkrautbesatz einer Fläche. Bei einem Lückenanteil/Unkrautanteil von >20% sollte durch eine Nachsaat eine Bestandverbesserung erfolgen. Dazu sind Saatstärken 20 – 25 kg/ha notwendig. Bei einem Lückenanteil/Unkrautanteil von <20% ist hingegen eine Übersaat ausreichend. Die Übersaat dient vorbeugend dem Schließen von Lücken bei Flächen, die einen erhaltungswürdigen Grünlandbestand haben. Somit sind Saatstärken von 5 – 10 kg/ha ausreichend. Neuansaaten sind erst ab einem Lücken-/Unkrautanteil von deutlich über 50% anzuraten, denn das Ansaatrisiko ist hier besonders groß. Zudem ist eine Ansaat im Frühjahr in der Regel am sichersten. Durch zunehmende Frühjahrstrockenheiten ist der Zeitpunkt der Neuansaat je nach Standort allerdings gut zu überlegen.

Lücken-UnkrautanteilMaßnahme
bis 20 %Übersaat
mehr als 20 %Nachsaat
deutlich mehr als 50 % (je nach Standort mehr)Neuansaat

Die Wahl der Maßnahme hängt von der Schädigung der Grasnarbe ab.

Wenigstens 15 % – 20 % Lücken sind Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Nachsaat. Bei verfilzten Narben trägt daher u.a. die Technik entscheidend zum Nachsaaterfolg bei. Soll die Gemeine Rispe zurückgedrängt werden, dann ist es erforderlich vor der Nachsaat mit dem Grünlandstriegel möglichst große Teile dieser leistungsschwachen Art herauszustriegeln, und von der Fläche zu entfernen. In lückige Narben kann hingegen oft auch ohne vorherige Bearbeitung gesät werden. Für sogenannte Reparatursaaten werden häufig Scheiben- oder Schlitzdrillgeräte eingesetzt. Sie fördern das Einbringen der Saat in den Boden, sichern den Bodenkontakt und tragen damit entscheidend zum Erfolg der Maßnahme bei.

Sortenwahl nicht vernachlässigen

Leider ist das Sortenbewusstsein für Arten des Dauergrünlandes häufig nicht besonders ausgeprägt. Dabei steckt in der Sortenwahl ein riesiges Potential im Hinblick auf Ausdauer, Ertrag und Ertragsstabilität. Durch die Sortenempfehlung der „Mittelgebirgs-Länder“ wird die Auswahl von Sorten ermöglicht, die am besten für das Dauergrünland im Mittegebirgsraum geeignet sind. Daher lohnt sich schon vor dem Kauf einer Nachsaat- oder Neuansaat-Mischung ein Blick auf das Etikett, die Mischungsbeschreibung oder den Sackanhänger, um die richtige Mischung mit empfohlenen Sorten auszuwählen. Die Sortenempfehlungen beruhen auf langjährigen Ausdauerprüfungen der Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung von Grünlandversuchen in Mittelgebirgslagen der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen sowie der Wallonie. Um zu ermitteln, wie lange sich die einzelnen Sorten der verschiedenen Grünland-Arten in den Mischungen behaupten können, führt die Arbeitsgemeinschaft der Bundesländer die Prüfungen unter Praxisbedingungen durch. Die Ergebnisse dieser sogenannten Ausdauerprüfungen münden in die gemeinsame Sortenempfehlung der benachbarten „Mittelgebirgs-Länder“ und sind die Basis für Qualitäts-Standard-Mischungen (QSM) im Dauergrünland.

Sortenempfehlung Grünland 2022 – 2023

Reifegruppe/ Reifezahl
früh / 1-3mittel / 4-6spät / 7-9
Deutsches Weidelgras
Artesia tActiva tAkurat t
Arvicola tAlligator tArusi t
Ferris tArsenalBarpasto t
Giant tAstonhockey tChouss t
Karatos tBarcampo tIrondal t
KilianBirtley tKentaur t
MaravaCantalou tLogique t
Mirtello tDexter 1 tNavarra t
Salmo tOvambo 1 tNovello t
RodrigoPolim t
Soraya tSerafina t
Tribal tValerio t
Trivos t
Triwarwic t
Wiesenschwingel
BarvitalCosmopolitanCosmolit
CosmonautLiheroldPardus
Pradel
Wiesenlieschgras
ClassicComerPhlewiola
PolarkingRasantSummergraze
Knaulgras für Wiesen und Mähweiden
AldebaranBaraulaDonata
LidactaRevolin
Knaulgras für Weiden
AldebaranBaraulaBarlegro
Wiesenrispe
ChesterLatoLiblue
Likollo
Rotschwingel
GondolinRafael
Reverent
Roland 21
Rotklee
Carbo tColumbaFregata t
KallichoreLarus tMerula
MilvusSemperina
Glatthafer, Weißes Straußgras, Weißklee,
Wiesenfuchsschwanz, Luzerne, Schweden-, Horn- und Gelbklee
Alle in der aktuellen Beschreibenden Sortenliste Futtergräser, Esparsette, Klee, Luzerne aufgeführten Sorten

t = tetraploide Sorte

Bei der Artenwahl die Standortbedingungen berücksichtigen

Das Deutsche Weidelgras bleibt auch zukünftig unverzichtbar im Wirtschaftsgrünland und sollte dort, wo es aufgrund von Höhenlage und Wasserversorgung eine gute Anbaueignung hat, weiterhin für Neu- und Nachsaaten genutzt werden. Aufgrund der hohen Konkurrenzkraft, kann es sich gut gegen die Altnarbe durchsetzen und ist daher besonders gut für die Nachsaat geeignet. Die Qualitätsstandard Mischung (QSM) G V mit 25 % frühen, 25 % mittelspäten und 50 % späten Sorten hat sich für die Nachsaat bewährt.

Unter besonderen Verhältnissen können außer dem Deutschen Weidelgras weitere Arten für die Über- bzw. Nachsaat mit mehr oder weniger Erfolg eingesetzt werden. Bei großen Lücken wie z.B. nach starken Mäuseschäden oder nach Trockenschäden haben weniger konkurrenzstarke Arten wie der Wiesenschwingel und das Wiesenlieschgras gute Chancen sich im vorhandenen Bestand erfolgreich zu behaupten. Auf sehr trockenen Standorten kann das Knaulgras ähnliches erreichen.

Auf einigen Standorten kann es außerdem im Hinblick auf den Klimawandel sinnvoll sein, mit der Artenwahl vorzusorgen und das Hauptaugenmerk bspw. auf besonders trockenheitstolerante Arten zu legen.

  • Das Knaulgras ist unter den ansaatwürdigen Gräsern die Art mit der besten Trockentoleranz. Für Standorte mit regelmäßigem Wassermangel (Südexposition, leichter Boden, extrem schwerer Boden) ist es daher als bestandsbestimmende Art häufig sehr gut geeignet. Wichtig ist, dass ausschließlich späte Sorten zum Einsatz kommen. Zudem muss eine Knaulgraswiese zum Betriebsablauf passen, denn das Knaulgras sollte frühzeitig geschnitten werden, da es schnell altert und somit hohe Rohfasergehalte bildet. Bei einem verspäteten Schnitt leidet die Futterqualität.
  • Wiesenlieschgras ist sehr anpassungsfähig und eignet sich bspw. u.a. für Standorte, die kurzfristig überflutet werden. Außerdem verfügt es über besondere Winterhärte. Es ist daher besser als andere Arten für auswinterungsgefährdete Mittelgebirgslagen geeignet.
  • Wiesenschwingel gedeiht zwar am besten auf nährstoffreichen, frischen bis feuchten Lagen, er ist aber auch verstärkt in Mittelgebirgslagen und auf saisonal trockenen Standorten anzutreffen. Nach Schnitt oder Weide ist er rasch im Nachwuchs mit 3 – 4 Nutzungen im Jahr.
  • Der Rotklee kann normalerweise erfolgreich in eine bestehende Narbe etabliert werden. Da er nicht ausdauernd ist, muss er regelmäßig ergänzt werden, wenn er fester Bestandteil einer Grünlandnarbe sein soll. Der Rotklee verträgt keine Weide und ist eher für ein mittleres Nutzungsregime geeignet. Im Vergleich zu Gras ist der Rotklee weniger empfindlich gegenüber Trockenheit.

In der Regel ist es nicht sinnvoll, eigene Mischungen anfertigen zu lassen. In einzelnen Fällen kommt aber die Etablierung von Einzelarten in Betracht, zum Beispiel mit dem Ziel trockenheitsverträgliche Arten gezielt in den Bestand zu etablieren. Neben der Nachsaat von Einzelarten, kann außerdem auch eine Ergänzung der Nachsaat-Mischung GV durch die genannten Arten sinnvoll sein. Die Saatmengen der Mischungen GV und ihre Änderung bleiben dabei gleich.

Ackerfuttergräser ins Grünland

Insbesondere bei bestehenden Futterengpässen kommt immer wieder die Frage auf, ob dieses Problem durch die Einsaat von schnell wachsenden und ertragsstarken Ackerfuttergräsern in bestehende Grünlandbestände gelöst werden kann.

Um eine sichere Futterplanung zu gewährleisten, ist die Schaffung von Futterreserven notwendig. So kann auf kurze Phasen mit unsicherer Futterversorgung flexibel reagiert werden. Durch den Anbau von Ackerfutter wie Kleegras und Luzerne kann dabei hochwertiges Grundfutter erzeugt werden. Die Einsaat von Ackerfuttergräser ins Dauergrünland ist dabei hingegen differenzierter zu betrachten. Denn für Nach- oder Neuansaaten im Sommer ist das Einjährige Weidelgras nicht zu empfehlen. Es wirkt stark verdrängend auf andere Gräser und wintert zudem insbesondere in Höhenlagen meist aus. So entstehen Lücken, in die unerwünschte Arten einwandern können. Auch Welsches Weidelgras ist für Nachsaaten nicht geeignet, denn es hat einen früheren Nutzungsrhythmus gegenüber den Gräsern des Dauergrünlandes. Ab dem zweiten Nutzungsjahr lässt die Ertragsleistung außerdem nach, sodass spätestens dann Lücken entstehen.


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