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Das Grünland schon im Frühjahr in den Blick nehmen

Pflege und Verbesserung von Grünlandbeständen

Der Winter war bisher sehr mild und nass, sodass bisher in den meisten Regionen Hessens mit wenigen Frostschäden gerechnet werden muss. Die Herausforderungen der vergangenen Jahre, sind den Grünlandbeständen aber immer noch anzumerken. Dürre- und Hitzeperioden in den Vorjahren sowie ein kaltes Frühjahr und regionale Überschwemmungen im Jahr 2021 führten teilweise zu Ertragsausfällen und Narbenschäden. Eine Reparatur geschädigter Narben ist somit häufig unausweichlich. Bei der Nachsaat und Pflege gibt es einiges zu beachten.

Bewirtschaftungsfehler führen zu Lücken und anfälligen Beständen 

Unterschiede in der Narbenzusammensetzung von Grünlandbeständen können bei der Ernte erhebliche Ertrags- und Qualitätsunterschiede verursachen. Beeinflusst werden diese Unterschiede durch natürliche Standortbedingungen und durch Bewirtschaftungsmaßnahmen. Vor allem Bewirtschaftungsfehler können rasch zu Bestandsverschlechterungen führen. Das Verhindern von Bodenverdichtungen und Narbenverletzungen sowie eine ausgewogene Düngung führen dazu, dass leistungsfähige Pflanzenbestände entstehen, die hohe und wertvolle Futtererträge erlauben. So ist die Versorgung des Bodens mit den Grundnährstoffen Phosphor, Kalium, Magnesium und Kalk Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung wertvoller Futterpflanzen. Da sich die Grunddüngung in erster Linie auf die Zusammensetzung des Pflanzenbestandes und somit auf den Futterwert auswirkt und erst in zweiter Linie ertragswirksam ist, spricht man im Gegensatz zur Stickstoffdüngung hier auch oft von einer Qualitätsdüngung.

Abb. 1: Ertragsanteil (%) von Bestandsbildnern des zweiten Aufwuchses einer Silofläche in Abhängigkeit von der Bodenbelastung beim ersten Schnitt

Die oberflächlichen Bodenverdichtungen, die bei der Ernte auf noch feuchtem Boden auftreten, lassen sich kaum vermeiden. Dennoch reagieren die leistungsfähigen, wertvollen Arten auf den Sauerstoffmangel in der Wurzelzone am empfindlichsten, während die minderwertige Gemeine Rispe bspw. kaum beeinträchtigt wird. Als Flachwurzler mit 3 bis 4 cm tief reichenden Wurzeln, kann sie sich besser mit Sauerstoff versorgen. Wie sich einmaliges Befahren eines nassen Bodens bei der Ernte des ersten Aufwuchses auf die Zusammensetzung des Bestandes auswirkt, wurde in der Vergangenheit auf dem Eichhof untersucht (Abb. 1). Der Bestand veränderte sich durch die einmalige Überfahrt des nassen Standorts schon in der Zeit vom ersten zum zweiten Aufwuchs. Der Anteil der wertvollen Arten ging um 50% zurück, hierbei reagierten vor allem das Knaulgras, die Wiesenrispe, der Weißklee und der Löwenzahn (u.a.). Die weniger wertvollen Arten profitierten hingegen, hier sind insbesondere die Gemeine Rispe und die Quecke zu nennen. Im Vergleich zur unbelasteten Narbe kam es dadurch zu einem erheblichen Ertrags- und Qualitätsverlust. Von den Fahrspuren kann sich die Gemeine Rispe dann in der Fläche ausbreiten und hohe Flächenanteile einnehmen. Der Bestand würde damit sukzessive an Leistung einbüßen.

Um Probleme langfristig zu lösen, müssen die Ursachen für Bestandsverschlechterungen erkannt und behoben werden. Nur so können die Grünlandbestände auch langfristig leistungsfähig bleiben.

Grünlandpflege im Frühjahr

Zu einer sorgfältigen und ordnungsgemäßen Grünlandbewirtschaftung gehört auch die Pflege im Frühjahr. Sie kann beginnen, wenn keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind und das Grünland nicht mehr reifbedeckt ist. Schäden durch Lücken, Maulwurfshügel, Wühlmäuse oder Schneeschimmel können dann beseitigt werden.  Sobald die Gräser zu Schossen beginnen, muss die Narbenpflege abgeschlossen sein. Alle mechanischen Pflegearbeiten sollten also bis zu einer Bestandeshöhe von bis zu 15 cm beendet werden. Zu spät gestriegelte Bestände reagieren in der Regel mit Ertragsverlusten.

Schleppen, Striegeln (und Walzen) gehören zu den Standardpflegemaßnahmen im Frühjahr. Ob zusätzlich eine Nachsaat erfolgen sollte, hängt vom Bestand ab.

Walzen

Der Walzgang im Frühjahr sollte nur ganz gezielt eingesetzt werden. Er ist nur dann notwendig, wenn Bodenunebenheiten einzuebnen sind, oder Steine in den Boden gedrückt werden müssen. Auch bei hochgefrorenen Narben kann er sinnvoll sein. Bei zu nassen Bodenverhältnissen, auf bindigen Standorten oder auf bereits verdichteten Böden sollte hingegen nicht gewalzt werden.

Striegeln und Schleppen

Maulwurfshügel bieten ein ideales Saatbeet für Samenunkräuter. Um sie zu beseitigen sollten Wiesen und Weiden im Frühjahr abgeschleppt werden. Durch Striegeln und Schleppen können außerdem Narbenunebenheiten beseitigt, Gülle verteilt, die Narbe durchlüftet und die Bestockung der Gräser angeregt werden. Zur Frühjahrspflege sollten die Zinken des Striegels möglichst schleppend, also sanft wirkend, eingestellt werden.

Übersaat oder Nachsaat

Manchmal kann neben der üblichen Narbenpflege auch eine Nachsaat sinnvoll sein.
Schäden, die im Winter entstanden sind, sollten im Frühjahr rasch beseitigt werden

Sind nach Pflegemaßnahmen Lücken im Bestand, ist häufig eine anschließende Über- oder Nachsaat erforderlich. Die Übersaat ist eine vorbeugende Maßnahme und schließt vorhandene Lücken in einem sonst wertvollen Bestand. Sie kann auf der unbearbeiteten Bodenoberfläche durchgeführt werden. Bei einem Lückenanteil von 5 bis 20 % ist eine Saatstärke von 5 bis ca. 10 kg/ha ausreichend. Bei einem hohen Lücken- oder Unkrautanteil von über 20 % reicht diese Menge hingegen nicht aus. Hier sollte mit einer Nachsaat eine Verbesserung des Bestandes erreicht werden, wofür Saatmengen von 15 bis 20 kg/ha (oder mehr) benötigt werden.

Grünlandverbesserung durch Nachsaat: Zeitpunkt, Technik, Artenwahl

Eine Nachsaat kann zwar während der gesamten Vegetationszeit durchgeführt werden, je nach Standort sollte man den Zeitpunkt aber sehr genau wählen. Für sommertrockene Lagen oder bei starken Schäden nach dem Winter empfiehlt sich zum Beispiel die Nachsaat im Frühjahr, um die Restfeuchte aus dem Winter zu nutzen. Allerdings muss anschließend der Konkurrenzdruck der Altnarbe möglichst geringgehalten werden. Das kann durch Beweidung oder durch einen frühen Schnitt erfolgen. In einigen Mittelgebirgsregionen ist die Nachsaat nach der ersten oder zweiten Nutzung teilweise die bessere Wahl. Durch die regelmäßigen Kälteeinbrüche im April bleiben die neu eingesäten Pflänzchen sonst im Wachstum zurück und werden durch die Altnarbe zu schnell überwachsen. Auf Standorten mit Sommertrockenheit kann im September noch nachgesät werden. Die Erfolgsaussichten verschlechtern sich, je nach Standort, allerdings häufig mit jedem Tag in den Herbst hinein. In Mittelgebirgslagen können Nachsaaten in den meisten Jahren noch bis Mitte/Ende September durchgeführt werden und in den Niederungslagen sind Nachsaaten häufig bis Mitte Oktober vertretbar.

Lücken sind eine Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Nachsaat. Bei verfilzten Narben, bspw. durch die Gemeine Rispe, trägt daher u.a. die Technik entscheidend zum Nachsaaterfolg bei. Eine mechanische Bearbeitung der Narbe mit dem Striegel ist hier oft Voraussetzung. Nachsaaten brauchen Luft und Licht, um zu keimen. Daher ist der entfernte Filz gegebenenfalls auch abzufahren, wenn er in Mengen auftritt. Bei einem hohen Anteil mit Gemeiner Rispe im Bestand hat die Bekämpfung durch das intensive Herauskämmen mit geeigneten Grünlandstriegeln im Spätsommer während einer Trockenphase den größten Effekt.

In lückige Narben kann hingegen oft auch ohne vorherige Bearbeitung gesät werden. Hier kann bspw. mit dem Düngerstreuer oder Kreiselsägerät gearbeitet werden. Für sogenannte Reparatursaaten werden häufig Scheiben- oder Schlitzdrillgeräte eingesetzt. Sie fördern das Einbringen der Saat in den Boden und sichern den Bodenkontakt.

Um sich gegen die Altnarbe durchzusetzen, ist eine gute Konkurrenzkraft der nachgesäten Mischung erforderlich. Diese Voraussetzung wird vor allem durch das Deutsche Weidelgras erfüllt. Daher wird in vielen Bundesländern bei der Nachsaat von Wirtschaftsgrünland die Standard-Mischung GV für Nachsaaten empfohlen. Sie besteht aus reinem Deutschen Weidelgras. Bei speziellen Standortbedingungen wird immer häufiger auf weitere Arten sowie Arten-Kombinationen zurückgegriffen. Bei massiven Schäden, die maschinell behoben werden müssen (oder Neuansaaten), eignen sich auch standortangepasste Mischungen, die aus mehreren Arten bestehen.

Damit sie den pflanzenbaulichen Belangen und den Anforderungen der Tierernährung genügen, müssen die Grünlandbestände in ökologisch verträglicher Weise verbessert werden. Naturschutzgrünland und/oder extensive Wiesen mit Schutzstatus dürfen nicht verändert werden. Nur in genehmigten Fällen dürfen geschädigte Flächen mit standortangepasstem Saatgut repariert werden.

Artenwahl für spezielle Standorte und Bedingungen

Das Deutsche Weidelgras ist für viele Grünlandstandorte wichtig, aber es passt nicht überall hin. In Gebieten mit wenig Niederschlag und einer dreimaligen oder in einzelnen Jahren vierschnittigen Nutzung, wird es sich nur schwer dauerhaft etablieren. Somit ist insbesondere auf extensiven Grünlandflächen eine Nachsaat alternativer Arten zu überlegen. Auf einigen Standorten kann es außerdem im Hinblick auf den Klimawandel schon jetzt sinnvoll sein, mit der Artenwahl vorzusorgen und das Hauptaugenmerk bspw. auf besonders trockenheitstolerante Arten zu legen.

Neben der Nachsaat von Deutschem Weidelgras (GV) kann daher auch eine Ergänzung dieser Nachsaat-Mischung mit weiteren ansaatwürdigen Arten oder die Auswahl von Einzelarten sinnvoll sein. Die Saatmengen der Mischungen GV und ihre Änderung bleiben dabei gleich. Pauschale Beratungsempfehlungen können hier nicht gegeben werden, sondern es bedarf einer zumeist situations- und einzelflächenbezogenen Empfehlung.

In einigen Fällen kann die Nachsaat von Einzelarten oder Einzelarten-Kombinationen in Betracht gezogen werden.

Knaulgras

Wiesenlieschgras

Wiesenschwingel

Rotklee

Sorten bewusst wählen

Auch im Grünland steckt in der Sortenwahl ein riesiges Potential im Hinblick auf Ausdauer, Ertrag und Ertragsstabilität. Dennoch sind Grünlandmischungen oft ohne Sortenangabe auf dem Markt. Durch die Wahl von nicht empfohlenen Sorten wird beträchtliches Ertrags- und Qualitätspotential verschenkt. Vor dem Kauf einer Nachsaat- oder Neuansaat-Mischung lohnt sich daher ein Blick auf das Etikett, der Mischungsbeschreibung oder den Sackanhänger, um die richtige Mischung mit empfohlenen Sorten auszuwählen. Die neuen Sortenempfehlungen für das Dauergrünland in Hessen sowie den angrenzenden Mittelgebirgslagen erscheinen im zweijährigen Rhythmus. Die aktuelle Sortenempfehlung ist im Jahr 2020 erschienen und gilt bis Juni 2023. Eine neue Empfehlung für die Jahre 2022 – 2023 erfolgt im März 2022. Durch die Empfehlung wird die Auswahl von Sorten ermöglicht, die am besten für das Dauergrünland im Mittegebirgsraum geeignet sind.

Sortenempfehlung Grünland 2022 – 2023

Reifegruppe/ Reifezahl
früh / 1-3 mittel / 4-6 spät / 7-9
Deutsches Weidelgras
Artesia t Activa t Akurat t
Arvicola t Alligator t Arusi t
Ferris t Arsenal Barpasto t
Giant t Astonhockey t Chouss t
Karatos t Barcampo t Irondal t
Kilian Birtley t Kentaur t
Marava Cantalou t Logique t
Mirtello t Dexter 1 t Navarra t
Salmo t Ovambo 1 t Novello t
Rodrigo Polim t
Soraya t Serafina t
Tribal t Valerio t
Trivos t
Triwarwic t
Wiesenschwingel
Barvital Cosmopolitan Cosmolit
Cosmonaut Liherold Pardus
Pradel
Wiesenlieschgras
Classic Comer Phlewiola
Polarking Rasant Summergraze
Knaulgras für Wiesen und Mähweiden
Aldebaran Baraula Donata
Lidacta Revolin
Knaulgras für Weiden
Aldebaran Baraula Barlegro
Wiesenrispe
Chester Lato Liblue
Likollo
Rotschwingel
Gondolin Rafael
Reverent
Roland 21
Rotklee
Carbo t Columba Fregata t
Kallichore Larus t Merula
Milvus Semperina
Glatthafer, Weißes Straußgras, Weißklee,
Wiesenfuchsschwanz, Luzerne, Schweden-, Horn- und Gelbklee
Alle in der aktuellen „Beschreibenden Sortenliste Futtergräser, Esparsette, Klee, Luzerne“ aufgeführten Sorten

t = tetraploide Sorte

Die Sortenempfehlungen beruhen auf langjährigen Ausdauerprüfungen der Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung von Grünlandversuchen in Mittelgebirgslagen der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen sowie der Wallonie. Um zu ermitteln, wie lange sich die einzelnen Sorten der verschiedenen Grünland-Arten in den Mischungen behaupten können, führt die Arbeitsgemeinschaft der Bundesländer die Prüfungen unter Praxisbedingungen durch. Die Ergebnisse dieser sogenannten Ausdauerprüfungen münden in die gemeinsame Sortenempfehlung der benachbarten „Mittelgebirgs-Länder“ und sind die Basis für Qualitäts-Standard-Mischungen (QSM) im Dauergrünland.