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Herausforderungen im Dauergrünland

Sorten und Artenwahl für eine gelungene Nachsaat

Die vergangenen Jahre haben das Grünland und seinen Bewirtschafter vor große Herausforderungen gestellt. Langanhaltende Trocken- und Hitzeperioden führten zu Ertragsausfällen und Narbenschäden. Unerwünschte Kräuter profitierten davon und wanderten in die Grasnarbe ein. Zudem traten verstärkt Schäden durch Feldmäuse auf, die u.a. durch ausbleibende Winter profitierten. In Südhessen wurde teilweise von massiven Schäden durch Engerlinge berichtet. Eine Reparatur geschädigter Narben ist somit häufig unausweichlich. Eine erfolgreiche Grünlandverbesserung setzt u.a. eine geeignete Arten- und Sortenwahl voraus.

Schäden beseitigen und Vorbereitung zur Nachsaat 

Wenn keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind und das Grünland nicht mehr reifbedeckt ist, kann mit der Narbenpflege begonnen werden. Größere Wühlschäden durch Wildschweine oder Mäuse erfordern bereits im Frühjahr umfassende Reparaturmaßnahmen. Dabei müssen im Vorfeld die Unebenheiten eingeebnet werden, danach sind die entstandenen Lücken durch eine Nachsaat zu schließen. Indirekte Bekämpfungsmaßnahmen gegen Mäuse, wie z.B. das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel, kann in Zukunft dabei helfen, die natürliche Kontrolle der Mäusepopulation zu erhöhen.

Wildschweinschäden
Schäden durch Mäuse: Schäden durch Wildschweine oder Mäuse sollten zügig eingeebnet und nachgesät werden.

Auch Schäden durch Engerlinge von Mai- oder Junikäfer fallen häufig sehr großflächig aus. Beide Arten fressen an den Pflanzenwurzeln und schädigen dadurch die Grasnarbe. Vor allem im Jahr nach einem Käfer-Flugjahr treten die größten Schäden durch deren Engerlinge im Grünland auf. Für die Eiablage wählen die Käfer vor allem sehr kurz gemähte oder kurz geweidete Flächen, oder Flächen, die viele Lücken aufweisen. Dichte und gesunde Grasnarben werden hingegen seltener befallen und stellen einen gewissen Schutz gegen den Einflug dar. Voraussetzung für die Bekämpfung der Engerlinge ist eine ausreichend hohe Bodentemperatur, damit sich die Schädlinge im Oberboden befinden. Daher kann die Bekämpfung nicht sofort zu Vegetationsbeginn erfolgen. Die Engerlinge befinden sich dann noch in tieferen Bodenschichten und werden so möglicherweise nicht erreicht. Wenn Schäden nur nesterweise auf kleinen Teilflächen auftreten, kann durch Hochheben der Grasnarbe und Absammeln der Engerlinge sowie Nachsaaten gegen sie angegangen werden. Häufig bleibt aber nur die großflächige mechanische Bekämpfung mit Maschinen, wie der Fräse zum Beispiel. Dabei werden die Engerlinge an die Oberfläche befördert und getötet. Dabei sind die Vorgaben zum Grünland-Umbruch der betroffenen Flächen zu beachten. Diese Maßnahmen sollten gut überlegt sein und sind nur bei stark abgefressenen Grünlandbeständen anzuraten, da u.a. das Ansaatrisiko bei einer Neuanlage der Grasnarbe sehr hoch ist und nicht immer gelingt. Der Schwellenwert für die Bekämpfung liegt bei 40 Engerlingen/m².

Grünlandverbesserung durch Nachsaat

Eine Nachsaat kann zwar während der gesamten Vegetationszeit durchgeführt werden, je nach Standort sollte man den Zeitpunkt aber sehr genau wählen. In vielen Mittelgebirgsregionen kommt es im April regelmäßig zu Kälteeinbrüchen, die die Entwicklung der Keimlinge aus Frühjahrsnachsaaten ins Stocken bringen. Die jungen Pflänzchen werden überwachsen und ersticken, wenn Ende April die Frühjahrswüchsigkeit einsetzt. Regelmäßige Nachsaaten sollten dort besser nach der ersten oder zweiten Nutzung erfolgen oder auf sommertrockenen Standorten auf den Herbst geschoben werden. Bei größeren Narbenschäden hat man die Möglichkeit des Verschiebens allerdings nicht. Hier ist eine Frühjahrsnachsaat vor dem ersten Schnitt dringend anzuraten, um das Einwandern unerwünschter Gräser und Kräuter zu verhindern. Bei einem hohen Lücken- oder Unkrautanteil von über 20% ist eine Saatstärke von 15 bis 20 kg/ha (oder mehr) notwendig, um eine Verbesserung des Bestandes zu erreichen. Anschließend muss der Konkurrenzdruck der Altnarbe möglichst geringgehalten werden, d.h. der erste Schnitt sollte etwas früher erfolgen. Um sich gegen die Altnarbe durchzusetzen, ist eine gute Konkurrenzkraft der nachgesäten Mischung erforderlich. Eine Voraussetzung, die vor allem das Deutsche Weidelgras erfüllt. Daher wird in vielen Bundesländern die Standard-Mischung GV für Nachsaaten empfohlen. Sie besteht aus reinem Deutsche Weidelgras. Bei massiven Schäden, die maschinell behoben werden müssen, eignen sich auch standortangepasste Mischungen, die aus mehreren Arten bestehen.

Sorten bewusst wählen

Ausdauerprüfung auf dem Eichhof (LLH): Links: Die Sorte kann sich behaupten und hat sich erfolgreich etabliert. Rechts: Die Sorte ist größtenteils ausgefallen, die Lücken wurden anderweitig geschlossen.

Leider ist das Sortenbewusstsein für Arten des Dauergrünlandes häufig nicht besonders ausgeprägt. Dabei steckt in der Sortenwahl ein riesiges Potential im Hinblick auf Ausdauer, Ertrag und Ertragsstabilität. Dennoch sind Grünlandmischungen nach wie vor oft ohne Sortenangabe auf dem Markt. Dabei reagiert insbesondere das für Nachsaaten empfohlene Deutsche Weidelgras empfindlich gegenüber Frost (Kahlfrost / Spätfröste) sowie lang andauernder Schneebedeckung. Durch die Wahl von nicht empfohlenen Sorten wird beträchtliches Ertrags- und Qualitätspotential verschenkt! Saatmischungen mit empfohlenen Sorten sichern dem Praktiker hingegen hohe Qualität durch regional geprüfte und bewährte Spitzensorten zu. Daher lohnt sich schon vor dem Kauf einer Nachsaat- oder Neuansaat-Mischung ein Blick auf das Etikett, die Mischungsbeschreibung oder den Sackanhänger, um die richtige Mischung mit empfohlenen Sorten auszuwählen. Die neuen Sortenempfehlungen für das Dauergrünland in Hessen sowie den angrenzenden Mittelgebirgslagen erscheinen im zweijährigen Rhythmus. Die aktuelle Sortenempfehlung ist im Jahr 2020 erschienen und gilt bis Juni 2023. Eine neue Empfehlung für die Jahre 2022 – 2023 erfolgt im Februar 2022. Durch die Empfehlung wird die Auswahl von Sorten ermöglicht, die am besten für das Dauergrünland im Mittegebirgsraum geeignet sind. Höchste Priorität bei der Wahl der richtigen Sorte hat das Merkmal Ausdauer. Erst danach sollten Merkmale wie Narbendichte und Ertrag bei der Sortenwahl zu Rate gezogen werden.

Die Sortenempfehlungen beruhen auf langjährigen Ausdauerprüfungen der Arbeitsgemeinschaft zur Koordinierung von Grünlandversuchen in Mittelgebirgslagen der Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Sachsen sowie der Wallonie. Um zu ermitteln, wie lange sich die einzelnen Sorten der verschiedenen Grünland-Arten in den Mischungen behaupten können, führt die Arbeitsgemeinschaft der Bundesländer die Prüfungen unter Praxisbedingungen durch. Die Ergebnisse dieser sogenannten Ausdauerprüfungen münden in die gemeinsame Sortenempfehlung der benachbarten „Mittelgebirgs-Länder“ und sind die Basis für Qualitäts-Standard-Mischungen (QSM) im Dauergrünland.

Sortenempfehlung Grünland 2022 – 2023

Reifegruppe/ Reifezahl
früh / 1-3 mittel / 4-6 spät / 7-9
Deutsches Weidelgras
Artesia t Activa t Akurat t
Arvicola t Alligator t Arusi t
Ferris t Arsenal Barpasto t
Giant t Astonhockey t Chouss t
Karatos t Barcampo t Irondal t
Kilian Birtley t Kentaur t
Marava Cantalou t Logique t
Mirtello t Dexter 1 t Navarra t
Salmo t Ovambo 1 t Novello t
Rodrigo Polim t
Soraya t Serafina t
Tribal t Valerio t
Trivos t
Triwarwic t
Wiesenschwingel
Barvital Cosmopolitan Cosmolit
Cosmonaut Liherold Pardus
Pradel
Wiesenlieschgras
Classic Comer Phlewiola
Polarking Rasant Summergraze
Knaulgras für Wiesen und Mähweiden
Aldebaran Baraula Donata
Lidacta Revolin
Knaulgras für Weiden
Aldebaran Baraula  Barlegro
Wiesenrispe
Chester Lato Liblue
Likollo    
Rotschwingel
Gondolin Rafael
Reverent
Roland 21
Rotklee
Carbo t Columba Fregata t
Kallichore Larus t Merula
Milvus Semperina
Glatthafer, Weißes Straußgras, Weißklee,
Wiesenfuchsschwanz, Luzerne, Schweden-, Horn- und Gelbklee
Alle in der aktuellen „Beschreibenden Sortenliste Futtergräser, Esparsette, Klee, Luzerne“ aufgeführten Sorten

t = tetraploide Sorte

Artenwahl für spezielle Standorte

Qualitäts-Standard-Mischungen für Weiden, Mähweiden und Wiesen

Weiden und Mähweiden Wiesen
G I G II G IIo G III G IV G V GVk G VI G VII G VIII G IX G X
Arten kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha kg/ha
Dt. Weidelgras
früh 1 4 4 6 5 4
mittel 1 5 6 6 5 4
spät 1 5 6 8 8 10 10 2
Wiesenschwingel 14 6 6 13 15 10 5
Lieschgras 5 5 5 5 5 5 5 3 1
Wiesenrispe 3 3 3 3 3 4 5 3 5 5
Rotschwingel 3 12 3 6 6
Knaulgras 12 4
Weißklee 2 2 2 2 2 2 2 2
Glatthafer 3
Wiesenfuchsschwanz 2
Weißes Straußgras 1
Rotklee 2 1
Schwedenklee 2
Luzerne 1
Hornklee 2 2
Gelbklee 1
Aussaatmenge 30 30 30 30 30 20 20 20 30 30 30 25

In dem Konzept der Qualitäts-Standard-Mischungen(QSM) stehen insgesamt 12 verschiedene Grünlandmischungen für unterschiedliche Standort- und Nutzungsansprüche zur Verfügung. Diese Mischungen enthalten die für das Wirtschaftsgrünland typischen Arten mit unterschiedlichen Standort- und Nutzungseigenschaften.

G I
für frische bis feuchte Lagen bei geringer bis mittlerer Nut­zungshäufigkeit (drei), Schnittnutzung und Beweidung
G II
für alle Lagen bei hoher Nutzungs­häufigkeit (drei bis fünf), Beweidung und/oder Schnittnutzung
G IIo
für Lagen bei intensiver Nutzung, speziell für Flächen, die in der Etablierungsphase einen Herbizideinsatz erwarten lassen
G III
für alle Lagen bei sehr hoher Nutzungshäufigkeit, Weiden, Mähstandweiden; für Mittelgebirgslagen nicht empfohlen
G IV
für austrocknungsgefährdete und sommer-trockene Standorte
G V
für Nachsaat in lückige Narben, und für Übersaaten zur Narbenstabilisierung
G Vk
für die Nachsaat lückiger Narben, speziell für Flächen, die in der Etablierungsphase einen Herbizdeinsatz erforderten
G VI
für extensiv bewirtschaftetes Grünland, vorwiegend Weidenutzung (Jungviehweiden)
G VII
für nasse und wechselfeuchte, auch zeitweise überflutete Stand­orte
G VIII
für feuchte Standorte bzw. Standorte mit günstiger Wasserversorgung und für Höhen­lagen
G IX
für frische und wärmere Standorte
G X
für trockene Standorte

Das Deutsche Weidelgras ist für viele Grünlandstandorte wichtig, aber es passt nicht überall hin. In Gebieten mit wenig Niederschlag und einer dreimaligen oder in einzelnen Jahren vierschnittigen Nutzung wird es sich nur schwer dauerhaft etablieren. Auf einigen Standorten kann es außerdem im Hinblick auf den Klimawandel schon jetzt sinnvoll sein, mit der Artenwahl vorzusorgen und das Hauptaugenmerk bspw. auf besonders trockenheitstolerante Arten zu legen.

Bei jeder Art in einer Ansaatmischung kommt es dabei auf andere Merkmale an:

In der Regel ist es nicht sinnvoll, eigene Mischungen anfertigen zu lassen, da die empfohlenen Mischungen das Ergebnis langjähriger Erfahrung und aktueller Sortenergebnisse wiedergeben. In einzelnen Fällen kommt aber die Etablierung von Einzelarten in Betracht. Zum Beispiel mit dem Ziel trockenheitsverträgliche Arten gezielt in den Bestand zu etablieren. Neben der Nachsaat von Einzelarten, kann außerdem auch eine Ergänzung der Nachsaat-Mischung GV durch die genannten Arten sinnvoll sein. Die Saatmengen der Mischungen GV und ihre Änderung bleiben dabei gleich.