Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Landessortenversuche

Ergebnisse der LSV Sommergerste 2022 & Empfehlungen

Ist die Braugerstenerzeugung das Ziel des Sommergerstenanbaus, so sind die Anforderungen an das Erntegut hoch. Spezifische Qualitätsanforderungen müssen für die Mälzer- und Brauereien zur weiteren Verarbeitung gegeben sein.

Hinweis: Den gesamten Beitrag incl. aller Tabellen finden Sie hier zum Herunterladen.

Daher wird die Sortenwahl in der Regel durch die aufnehmende Hand vorgegeben. Äußere Bedingungen, wie Standort und Witterung, haben dennoch einen großen Einfluss auf den Erfolg. Welche Leistungen die aktuellen Sorten unter hessischen Anbaubedingungen im Erntejahr 2022 erbringen konnten, zeigen die Ergebnisse der hessischen Landessortenversuche Sommergerste.

Nachdem die Anbaufläche von Sommergerste im Erntejahr 2021 bundesweit rückläufig war, hat sich diese in 2022 wieder erweitert (DeStatis 2022). Mit einer Fläche von 19 200 ha erhöhte sich auch die Anbaufläche in Hessen und ist damit wieder auf Niveau der Jahre 2019 und 2020 (Abb. 1). Die Betrachtung der relativen Flächenverteilung zeigt zudem, dass im Verhältnis Winter-/Sommerform der Flächenanteil der Sommerform ebenfalls wieder steigend ist. Betrug der Anteil der Sommergerstenfläche in 2021 weniger als 20% an der Gesamtgerstenfläche, wurde in 2022 dieser Anteil wieder auf über 20 % erhöht. Nichtsdestotrotz fokussiert sich der Gerstenanbau in Hessen natürlich auf die Winterform. Dreiviertel der Gesamtanbaufläche war demnach auf die Winterform und ein Viertel auf die Sommerform zurückzuführen. Lag das gesamthessische Ertragsmittel von Wintergerste im Vergleich der letzten vier Jahre in 2022 auf einem Höchststand, war dies für den Sommergerstenertrag nicht der Fall (Abb. 1). Mit 52,8 dt/ha konnte der Ertrag im hessischen Durchschnitt auf einem ähnlichen Niveau der Vorjahre gehalten werden. Das Zusammenspiel aus Ertrag und Anbaufläche führte insgesamt wieder zu einer Ausweitung der Erntemengen auf rund 101 000 t, womit rund 20 000 t mehr Sommergerste in Hessen im Vergleich zum Vorjahr produziert wurden.

Abbildung 1: Entwicklung der Anbaufläche, Erträge und Erntemenge von Winter- und Sommergerste in Hessen im Zeitraum 2019-2022; Quelle: Statistisches Bundesamt (DeStatis), 2022

Gleichzeitig bleibt das Preisniveau für Braugerste auch in 2022 weiterhin auf einem hohen Niveau. Hatte sich bei Vergleich KW 01 der Preis von 2021 zu 2022 für eine Tonne Braugerste frei Lager verdoppelt (KW 01/ 2021: 166,25 €/t, KW 01/2022: 338,6 €/t), bleibt dieser auch in KW 01 2023 auf ähnlichen Vorjahresniveau (333,75 €/t; LLH Marktinformation). Zudem konnten im vergangenen Kalenderjahr Spitzenpreise von über 440 €/t aufgrund von knapper Versorgungslage vor Ernte notiert werden. Hierdurch überpreiste die Braugerste im vergangenen Jahr kontinuierlich den E-Weizen, sodass auch aus wirtschaftlicher Perspektive ausreichend Anreize von einem Sommergerstenanbau ausgehen.

Landessortenversuche Sommergerste zur Ernte 2022

Auch die Sommergerstensorten mussten sich 2022 den überdurchschnittlich hohen Temperaturen in Verbindung mit extremer Trockenheit stellen

Mit dem Vermarktungsziel Braugerstennutzung, finden auch die Landessortenversuche (LSV) in Hessen statt. Hierfür sind gewisse Restriktionen in der Bestandesführung (z.B. reduzierte Düngung) notwendig. Wird diese angepasst, eignen sich die Sorten aufgrund ihres hohen Ertragspotentials ebenfalls für Fütterungszwecke. Aus diesem Grund findet keine gesonderte Prüfung der Sorten als Futtergerste in Hessen statt. In 2022 wurden acht Sorten in den LSV geprüft. Sechs Sorten befinden sich seit mindestens drei Jahren in der Prüfung, sodass für diese eine solide Datengrundlage zur Leistungseinschätzung vorliegt. Die Versuche wurden an zwei Standorten durchgeführt: im südhessischen Griesheim und osthessischen Bad Hersfeld.

Wie auch alle andere Kulturen, mussten sich die Sommergerstensorten den überdurchschnittlich hohen Temperaturen in Verbindung mit überdurchschnittlicher Trockenheit stellen. Zur Aussaat waren gute Bedingungen vorhanden. Die Versuche wurden Anfang März in Griesheim und Ende März in Bad Hersfeld ausgesät. Mängel nach Aufgang wurden nicht bonitiert. Die Trockenheit bedingte zur Absicherung des Versuchs in Griesheim eine Beregnung in Höhe von 45 mm. Da eine ausreichende Wasserverfügbarkeit während der Kornfüllung entscheidend für Kornertrag und Braugerstenqualität sind, gab es diesbezüglich zunächst verhaltene Erwartungen. Gleichzeitig war durch die anhaltende Trockenheit der Krankheitsdruck äußerst gering. In Bad Hersfeld konnten lediglich Ramularia und vereinzelt Netzflecken, in Griesheim Zwergrost bonitiert werden. Probleme in Strohstabilität spielten in diesem Jahr keine Rolle. Gleichzeitig resultierte der fehlende Niederschlag in vergleichsweise geringeren Wuchshöhen. Das Datum für Ährenschieben wurde in Bad Hersfeld im Zeitraum 03. bis 06.Juni festgestellt. Zum Vergleich: in 2021 fand das Ährenschieben erst 10 Tage später zwischen dem 15. und 19. Juni statt (wenngleich der Versuch in 2021 auch eine Woche später ausgesät wurde). Schlussendlich wurde der Versuch Griesheim Mitte und in Bad Hersfeld Ende Juli geerntet.

Sortenwahl: Verarbeitungskriterien für den Braugerstenanbau bedeutsam

Die Landessortenversuche Sommergerste zur Ernte 2022 fanden mit dem Vermarktungsziel Braugerstennutzung statt

Die LSV haben zum Ziel, neuzugelassene Sorten anhand ihrer Leistung in Ertrag, Qualität und in ihren agronomischen Eigenschaften mit bewährten Sorten zu vergleichen. Hierauf basierend können Sortenempfehlungen für den hessischen Anbau getroffen werden. Bei der Sortenwahl für den Braugerstenanbau sind hingegen vor allem Verarbeitungseigenschaften für die Braueignung von maßgeblicher Bedeutung, welche nicht durch das LLH bewertet werden können. Die Bewertung der Verarbeitungseigenschaften erfolgt durch das sogenannte „Berliner Programm“. Hierbei werden nach erfolgreicher Zulassung durch das Bundessortenamt vielversprechende Sorten in bundesweiten Mälzungs- und Brauversuchen im Praxismaßstab überprüft. Anschließend erfolgt bei entsprechenden Ergebnissen eine Verarbeitungsempfehlung des Sortengremiums der Braugersten-Gemeinschaft e.V.. Von den im LSV geprüften Sorten verfügen fast alle Sorten (ausgenommen sind RGT Planet und bis dato noch LG Flamenco) über die Verarbeitungsempfehlung des Sortengremiums der Braugersten-Gemeinschaft e.V.. Die Neuzulassung und diesjährig im LSV erstmalig geprüfte Sorte LG Flamenco wurde in 2022 in die großtechnischen Praxisversuche aufgenommen. Die Entscheidung über eine Verarbeitungsempfehlung von LG Flamenco wird für Februar 2023 erwartet. Laut Braugerstengemeinschaft e.V. waren in der Praxis in 2022 alle vom Berliner Programm zur Verarbeitung empfohlene Sorten sowie auch RGT Planet im Vertrag im Anbau.

Zur Vermehrung in Hessen waren insgesamt 204,58 ha angemeldet – damit knapp 30 ha mehr als im Vorjahr. Hauptvermehrungssorte in Hessen stellt weiterhin die im LSV mittlerweile dreijährig geprüfte Sorte Amidala mit 47,3 % dar, gefolgt von Leandra (20,7 %). War die etablierte Sorte Avalon letztjährig bereits rückgängig im Vermehrungsanbau, beträgt ihr Anteil nur noch 14,5 %. Auch RGT Planet (4,9 %) ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Der Anteil der neueren Sorte Lexy (11,4 %) ist hingegen zunehmend.

Trotz Trockenheit gute Ertragsergebnisse der geprüften Sorten

Wie in fast allen hessischen Landessortenversuchen üblich, werden auch die Sommergerstensorten unter zwei unterschiedlichen Behandlungsintensitäten geprüft. In einer reduziert behandelten Variante wird lediglich zur Absicherung des Bestandes eine reduzierte Gabe von Wachstumsreglern durchgeführt, eine Fungizidbehandlung findet nicht statt. Auf diese Weise kann die Standfestigkeit sowie Krankheitsanfälligkeit einer Sorte für den jeweiligen Standort bewertet werden. Bei der optimierten Behandlungsintensität werden Wachstumsregler und Fungizide standortangepasst eingesetzt, um das volle Leistungspotential der Sorten abbilden zu können. In Griesheim konnte unter optimierter Bestandesführung im Mittel der Sorten ein signifikanter Mehrertrag von 3,7 dt/ha festgestellt werden (Tab. 1). Die Sorten zeigten durch die Behandlung Unterschiede im Ertrag im Bereich von 1,6 dt/ha bis hin zu 6,1 dt/ha, sodass die Behandlung aufgrund der gesunden Bestände nur geringe Ertragswirksamkeit mit sich brachte. In Bad Hersfeld wiederum erbrachte die zusätzliche Fungizidbehandlung keinen signifikanten Unterschied im Ertrag der Sorten, d.h. hier ergab sich keine Reaktion.

Anders als der Faktor Intensität, zeigten die Sorten insgesamt an beiden Standorten signifikante Unterschiede im Ertrag (Tab. 1). In Griesheim erzielten KWS Jessie sowie die neuen Sorten Lexy und LG Flamenco die höchsten Erträge in der optimierten Variante. Ähnliches zeigte sich in Bad Hersfeld. Hier waren in diesem Einzeljahr KWS Jessie, LG Flamenco und Amidala die drei Spitzensorten. Im Mittel über beide Standorte konnten diesjährig die Sorten Amidala, KWS Jessie, Lexy und LG Flamenco die besten Erträge erzielen. Ertraglich deutlich abgeschlagen schloss Avalon ab. An der Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass für eine fundierte Bewertung einer Sorte stets mehrjährige Ergebnisse benötigt werden. Aus diesem Grund reicht das Einzelergebnis einer neuzugelassenen Sorte nicht für eine fundierte Sortenbewertung aus.

Insgesamt (im Mittel der Sorten) lagen die Kornerträge der Versuche oberhalb der Ergebnisse der beiden Vorjahre (Tab. 2). Für einen mehrjährigen und relativen Vergleich, wird ein Mittelwert der Sorten, die sogenannte Bezugsbasis (BB) errechnet. In das Ergebnis der Bezugsbasis fließen alle Werte von Sorten ein, welche mindestens dreijährig im LSV geprüft wurden und damit eine gute Datenbasis bereitstellen. Hierbei lagen die Mittelwerte der BB in der reduzierten Behandlungsstufe knapp 13 dt/ha und in der optimierten Behandlungsstufe allerdings nur 3 dt/ha über dem Vorjahreswert. Auch hierdurch spiegeln sich der geringe Krankheitsdruck im jahe 2022 wieder. Mit 57,5 dt/ha Ertrag wurde in 2022 in der reduzierten Variante sogar ein höherer Ertrag erzielt, als 2021 in der optimierten Variante. Folglich hatten die Sorten mit den zahlreichen Niederschlägen in 2021 größere Probleme in der Ertragsbildung.

Um zu einer soliden Aussage über das Leistungspotential einer Sorte zu kommen, ist das Ergebnis aus mindestens drei Jahren unter verschiedenen Standort- und Jahreseffekten notwendig. Trotz schlechterem Ergebnis in 2022 (ggf. Saatgutproblematik), ist nach wie vor RGT Planet mehrjährig eine der ertragsstärksten Sorten. Weiterhin zeigen mehrjährig über beide Standorte und Behandlungsstufen mindestens durchschnittliche Ergebnisse die Sorten Leandra, Amidala und KWS Jessie. Ähnlich zu RGT Planet, fiel auch bei KWS Jessie ein Versuchsjahr deutlich unterdurchschnittlich aus. Dadurch zeigt sich, dass bei der Sortenwahl nicht vorschnell nach einem Versuchsjahr geschlussfolgert werden sollte. Die Ergebnisse der neuen Sorten Lexy und LG Flamenco sind vielversprechend, benötigen für eine Bewertung jedoch noch weitere Versuchsjahre.

Überregionale Ergebnisse zur Absicherung der Sorteneinschätzung

Um eine höhere Datengrundlage und damit noch stärkere Aussagekraft zu erzielen, fließen die Ergebnisse der hessischen LSV in die gemeinsame, überregionale Auswertung ein. Die überregionale Auswertung erfolgt nach Anbaugebieten (Abb. 2; siehe auch http://geoportal.julius-kuehn.de), wobei Hessen in drei Anbaugebieten (AG) vertreten ist: den Mittellagen Südwest (AG 16), den Höhenlagen Südwest (AG 19) und den Wärmelagen Südwest (AG 20). Der hessische Versuchsstandort Griesheim befindet sich hierbei in den Wärmelagen Südwest. In Abbildung 3 sind die überregionalen Ertragsergebnisse der im hessischen LSV geprüften Sorten im Anbaugebiet Wärmelagen Südwest über die letzten fünf Jahre dargestellt. Das Ergebnis der gemeinsamen Verrechnung mit Standorten aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz deckt sich mit den hessischen Erträgen. Ertraglich stärkste Sorte war LG Flamenco. Auf ähnlichen Niveau folgten Lexy, KWS Jessie, RGT Planet und Amidala. Deutlich ertragsschwache Ergebnisse zeigte Avalon.

Abbildung 2: Überregionale Anbaugebiete des konventionellen Landbaus für Sommerbraugerste inkl. der Versuchsstandorte des LLHs für Sommergerste in Hessen. Quelle: verändert nach http://geoportal.julius-kuehn.de, 2022
Abbildung 3: Überregionale Auswertung des Kornertrags der in Hessen geprüften Sommergerstensorten für die Wärmelagen Südwest (Anbaugebiet 20) in der optimierten Behandlungsintensität der vergangenen fünf Jahre (2018-2022); mittlere Relativerträge (Punkte) und 90% Vertrauensintervalle für paarweisen Vergleich)

Qualitätsergebnisse von Sommergerste ist maßgeblich für Brauzwecke

Der Ertrag bildet natürlich die Grundlage für eine erfolgreiche Produktion, doch vielmehr wichtig für die Vermarktung der Sommergerste ist die erzielte Qualität der geernteten Partien. Die Qualitätsparameter sind Ausgangslage für die Verarbeitungseigenschaften. Die Gerstenqualität hat folglich einen hohen Einfluss auf die Bierqualität, sodass gerade die Bierbrauer und damit die aufnehmende Hand hohe Anforderungen an die gelieferte Ware stellen. Hieraus resultiert auch die Sortenvorgabe durch die aufnehmende Hand.

Eine Braugerste muss eine Reihe von Qualitätskriterien erfüllen (Abb. 4). Werden diese kritischen Werte unter- oder überschritten, wird die Gerste in der Regel nur als Futtergerste zu schlechteren Preisen abgenommen.

Abbildung 4: Qualitätsanforderungen von Sommergerstenpartien zur Braugerstennutzung

Rohproteingehaltvon mindestens 9,5 % und maximal 11,5 %
Vollgerstenanteil (> 2,5 mm)über 90 %
Keimfähigkeitmindestens 95 bis 98 %
Feuchtigkeitmaximal 14,5 %
Ausputz (Körner < 2,2 mm)höchstens 2 %

Zentrales Qualitätskriterium ist der Rohproteingehalt. Dieser ist für die Hefegärung und Schaumqualität des Bieres von Bedeutung. Der Zielkorridor hierfür liegt zwischen 9,5 bis 11,5%. Ein zu hoher Proteingehalt resultiert in einer schlechteren Ausbeute an vergärbaren Kohlenhydraten und sorgt für Probleme in der Verarbeitung. Im Mittel der Standorte wurde der Zielkorridor bei allen Sorten eingehalten (Tab. 3). Einzelne Sorten konnten die passende Werte jedoch nicht erzielen. Werden die Ergebnisse der Standorte einzeln betrachtet (hier nicht dargestellt), konnten die Sorten im Mittel in Griesheim insgesamt weder in der reduzierten (12,0 %) noch in der optimierten (11,6 %) Variante den Zielwert einhalten. In Bad Hersfeld lagen die Mittelwerte im optimalen Bereich (reduziert: 10,6 %, optimiert: 10, 6%). Zudem fiel hier keine Sorte im Ergebnis heraus. In Griesheim konnten nur RGT Planet, KWS Jessie, Lexy und LG Flamenco die geforderten Werte in der optimierten Variante einhalten.

Ein weiteres Qualitätskriterium ist der Vollgerstenanteil (Körner > 2.5 mm). Dieser sollte über 90 % liegen. Trotz Trockenheit, auch während der Kornfüllung, fielen die Ergebnisse gemittelt über beide Versuchsstandorte zufriedenstellend aus. Auch hier differenzierten die Standorte. In Griesheim lag der Vollgerstenanteil in der reduzierten Variante um 1,8 % und in der optimierten Variante um 3,5 % unterhalb dem Ergebnis von Bad Hersfeld. Hervorzuheben ist hier die Sorte Amidala, welche an allen Standorten die beste Siebsortierung zeigte. LG Flamenco zeigte hier Schwächen. In Griesheim reichte die Sortierung nicht aus, da die Anteile z.T. deutlich unter 90% ausfielen (Daten hier nicht dargestellt).

Aus einer Kombination des Vollgerstenanteils (Körner > 2.5 mm) und des Kornertrags wird der der Vollgerstenertrag abgeleitet. Sorten mit guten Erträgen kombiniert mit soliden Qualitätseigenschaften können hier punkten. Die besten Ergebnisse in 2022 zeigte (sowohl in der reduzierten, als auch optimierten Behandlungsintensität) KWS Jessie. Auch Amidala konnte erneut in 2022 höchste Vollgerstenerträge über beide Standorte erzielen. Weiterhin überdurchschnittlich fielen die Vollgerstenerträge von Lexy und Accordine aus. LG Flamenco zeigte nur in der optimierten Variante ein überdurchschnittliches Ergebnis (Tab. 3). Auch der Vollgerstenertrag wird überregional ausgewertet (Abb. 5). Das in Hessen gezeigte Ergebnis der Sorten wird überregional bestätigt, wenngleich sich die Sortenrangierung etwas ändert. In der optimierten Variante zeigte LG Flamenco überregional das beste Ergebnis. KWS Jessie und Amidala finden sich an Stelle drei und fünf wieder, wobei der Unterschied nicht statistisch signifikant zu den vorrangigen Sorten ist. Sowohl für Hessen (Tab. 3), als auch für die Wärmelagen Südwest (Abb. 4), schneidet Avalon mit dem geringsten Vollgerstenertrag ab.

Sollen (oder können nur noch) die geernteten Partien als Futtergerste vermarktet werden, sind entsprechende Hektolitergewichte entscheidend. Das Hektolitergewicht muss mindestens 62 kg betragen, besser sind 64 kg, um Preisabschläge zu vermeiden. Fiel letztjährig dieses teilweise knapp aus, konnten in 2022 alle Sorten ohne Probleme die Zielmarke halten. Mit im Mittel 70 kg/hl fiel das Ergebnis auf ähnlich hohen Niveau der Wintergersten aus. Amidala, RGT Planet und KWS Jessie lagen in der Sortenrangierung in der optimierten Variante vorne auf. Die hohen Tausendkornmassen bestätigen das Ergebnis (Tab. 3).

Abbildung 5: Überregionale Auswertung des Vollgerstenertrags der in Hessen geprüften Sommergerstensorten für die Wärmelagen Südwest (Anbaugebiet 20) in der optimierten Behandlungsintensität der vergangenen fünf Jahre (2018-2022); mittlere Relativerträge (Punkte) und 90% Vertrauensintervalle für paarweisen Vergleich

Trotz der schwierigen Bedingungen durch die anhaltende Hitze und Trockenheit, konnten insgesamt doch zufriedenstellende Qualitätsleistungen der Sorten festgestellt werden. Sowohl Sortierung, als auch Rohproteingehalte lagen in Gänze im geforderten Bereich – auch wenn vereinzelt die Werte außerhalb lagen. Schlussfolgernd ist die Qualitätsbildung nicht nur eine Sortenfrage, sondern auch maßgeblich bedingt durch die lokalen Anbaubedingungen. Mittlerweile verteilen sich bspw. Niederschläge sehr kleinräumig und Erntetermine differenzieren lokal, sodass die Qualitäten in der Praxis partienweise doch auch sehr unterschiedlich ausfielen konnten. Grundsätzlich stehen mit dem aktuell geprüften Sortenportfolio aber insgesamt viele Sorten mit sehr guten Potential zur Qualitätserzeugung zur Verfügung.

Sortenempfehlung zur Aussaat 2023 – Absprachen berücksichtigen!

Für das spezielle Anbauziel der Braugerstenerzeugung, sollte vor dem Anbau von Sommerbraugerste dringend eine Abstimmung mit den Handelshäusern bzw. Mälzereien als Vermarktungspartnern erfolgen. Grund hierfür sind die bereits genannten, spezifischen Anforderungen der Verarbeiter. Andernfalls ist eine Vermarktung des Ernteguts mitunter nicht gewährleistet, denn oftmals werden Sorten oder ein Sortenspektrum für die Abnahme vorgegeben. Neben den für den Anbauer wichtigen agronomischen Sorteneigenschaften wie Ertragsleistung, Krankheitsresistenz, Reifeverhalten und Strohstabilität werden daher für die Sortenempfehlungen auch besonders die Qualitätseigenschaften betrachtet. Einen detaillierten Überblick der Sorteneigenschaften bietet die beschreibende Sortenliste des Bundessortenamts (Tab. 4).

Auf Basis der LSV-Ergebnisse werden aus agronomischer Sicht für den Sommerbraugerstenanbau 2023 hessenweit die mehrjährig geprüften Sorten Amidala, Avalon, Leandra und RGT Planet empfohlen. RGT Planet stellt für den Anbauer eine ertragsstarke Sorte dar, jedoch erhielt sie keine Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms. Ist ein Anbau mit Vermarktung als Braugerste in Planung, sollte diese über den Vertragsanbau abgesichert sein. Aufgrund der erst zweijährigen Prüfung im hessischen LSV, erhält die Sorte Lexy zunächst eine Probeanbauempfehlung. Für den Futtergerstenanbau ist die Sorte RGT Planet empfehlenswert.

Sorteneigenschaften im Detail

Amidala (Nordsaat SZ/Hauptsaaten; Zulassung 2019) zeigte in allen Prüfjahren hohe Kornerträge bei gleichzeitig sehr guten Qualitätseigenschaften. In 2022 grenzte sich die Sorte vor allem durch die sehr hohen Vollgerstenanteile an allen Standorten ab. Hierdurch ist es möglich mit der Sorte sehr gute Ergebnissen im Vollgerstenertrag zu erzielen. Daneben verfügt sie über ein gutes gesundheitliches Profil mit geringer Anfälligkeit gegenüber Mehltau. Auch ihre Standfestigkeit und Strohstabilität sind als gut einzustufen. Die Abreife liegt im mittleren Bereich. Aktuell ist Amidala sowohl in Hessen als auch in Deutschland die vermehrungsstärkste Sorte. Die bundesweite Vermehrungsfläche betrug 1978 ha.

Avalon (Saatzucht Breun/Hauptsaaten; Zulassung 2012) konnte bereits über viele Jahre überzeugen. Sie erhält auch in diesem Jahr nochmals eine Empfehlung, welche jedoch auslaufend ist. Der absolute Kornertrag liegt mittlerweile im unterdurchschnittlichen Bereich und wird von anderen Sorten übertroffen. Dafür zeichnet sich die Sorte durch einen guten Vollgerstenanteil aus. Nichtsdestotrotz liegen auch überregional die Vollgerstenerträge mittlerweile unter den Ergebnissen der neueren Sorten. Die höhere Anfälligkeit gegenüber Mehltau und vor allem Rhynchosporium sollten bei regional erhöhtem Befallsaufkommen im Hinterkopf behalten werden. Ihre Anfälligkeit gegenüber Zwergrost ist wiederrum gering. Darüber hinaus zeichnet sie sich durch eine gute Standfestigkeit mit geringer Lagerneigung aus. Die bundesweite Vermehrungsfläche in 2022 betrugt 713 ha.

Leandra (Saatzucht Breun/Hauptsaaten; Zulassung 2017) konnte sich in den Prüfjahren mit soliden, meist durchschnittlichen Ertragsleistung zeigen. Mit guten Vollgerstenanteilen konnten auch gute Ergebnisse im Vollgerstenertrag erzielt werden. Leandra verfügt über ein gutes gesundheitliches Profil, sodass eine gute Blattgesundheit durch ihre sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Zwergrost und Mehltau vorhanden ist. Die Neigung zum Lager und die Strohstabilität liegen im mittleren Bereich. Die Abreife erfolgt mittelspät. Die bundesweite Vermehrungsfläche in 2022 betrug 752 ha.

RGT Planet (RAGT Saaten; Zulassung 2014) zeigt bereits langjährig hohe und gleichzeitig stabile Kornerträge. In 2022 fielen diese jedoch leicht unterdurchschnittlich aus. Dennoch ist die mehrjährige Ertragsleistung insgesamt noch überdurchschnittlich. In Kombination mit guten Vollgerstenanteilen, können so hohe Vollgerstenerträge erzielt werden. RGT Planet verfügt über ein gutes gesundheitliches Profil mit geringer Anfälligkeit gegenüber Mehltau. Zudem verfügt die Sorte über eine genetisch fixierte Resistenz gegen Getreidezystennematoden. Lagerneigung und Strohstabilität liegen im mittleren Bereich, die Abreife erfolgt mittelspät. Aufgrund der fehlenden Verarbeitungsempfehlung ist sie vorrangig als ertragsstarke Futtergerste einsetzbar. Nach Absprache mit der aufnehmenden Hand ist eine Braugerstenproduktion aber auch möglich. Mit 1312 ha bundesweit zählt sie weiterhin zu den vermehrungsstärksten Sorten.

Probeanbau: Lexy (Hauptsaaten; Zulassung 2020) wurde in Hessen erst zwei Jahre geprüft. In den ersten beiden Jahren konnte die Sorte mit überdurchschnittlichen Kornerträgen das Portfolio erweitern. Durch einen guten Vollgerstenanteil, konnten bereits auch überregional sehr gute Vollgerstenerträge erzielt werden. Daher kann die Sorte bereits für den Probeanbau empfohlen werden. Auch Lexy ist mit guter Blattgesundheit ausgestattet, hervorzuheben ist die geringe Mehltauanfälligkeit. Lediglich Zwergrost liegt im mittleren Bereich. Die Strohstabilität ist gut. Reife liegt im mittleren Bereich. Die Sorte zählt zu den vermehrungsstärksten Sorten, sodass mit einer bundesweiten Vermehrungsfläche von 1648 ha ausreichend Saatgut zur Verfügung stehen sollte.


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