Versuchswesen Marktfruchtbau
Ergebnisse der LSV Winterroggen 2018/19 & Empfehlungen
Ein gutes Jahr für Winterroggen
Die hessischen Landessortenversuche mit Winterroggen erzielten mit 99.7 dt/ha eine ähnlich gute Leistung wie im letzten Jahr. Die Ergebnisse unterstreichen die Leistungsfähigkeit der aktuellen Sorten und die Anbauwürdigkeit der Kultur. Der Züchtungsfortschritt hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verbesserung von Ertrag und weiteren, für den Anbau relevanten Eigenschaften geführt, so dass Roggen mittlerweile auf den besseren Standorten ertraglich auf einem ähnlichen Niveau liegt wie Winterweizen und Wintertriticale. Am Standort Bad Hersfeld beispielsweise übertraf Winterroggen im aktuellen Jahr die Ertragsleistung des Winterweizen-LSV mit ca. 3 dt/ha. Auch in der Praxis dürften die Roggenerträge auf einem erfreulich hohen Niveau liegen. Vorläufigen Schätzungen des Statistischen Landesamtes zufolge wurde in Hessen ein Rekordergebnis von 66.6 dt/ha eingefahren (Abbildung 1). Dazu dürfte beigetragen haben, dass die Roggenanbaufläche in Hessen im Vergleich zum Vorjahr um 4300 ha auf aktuell 16658 ha ausgedehnt wurde, da Raps im letzten Herbst aufgrund der Trockenheit vielerorts nicht zur Aussaat kam, und Roggen somit auch auf etwas besseren Böden stand.
Abbildung 1: Kornertrag ausgewählter Getreidearten in Hessen 2005 bis 2019; die Erträge 2019 sind vorläufige Schätzungen (Quelle: Statistisches Landesamt).
Abgesehen von den geringen Ansprüchen an die Wasser-, Nährstoff- und Kalkversorgung des Bodens, zeichnet sich Winterroggen durch eine bessere Winterhärte im Vergleich zu Weizen und Gerste aus und ist daher für exponierte Lagen prädestiniert. Seine geringen Ansprüche an die Bestandesführung machen Roggen für viehhaltende Betriebe auch aus arbeitswirtschaftlicher Sicht interessant. Als Futtermittel wird Roggen aber immer noch verhalten eingesetzt, obwohl aus Sicht der Tierernährung in der Schweinemast bis zu 50% Roggen möglich sind bzw. bis zu 40% im Kraftfutter von Milchkühen. In der Schweinefütterung könnte der relativ proteinarme Roggen auch dazu beitragen, den Stickstoffanfall zu reduzieren. Tatsächlich ist aber die Nachfrage nach Futter- wie auch Brotroggen über die letzten Jahre rückläufig. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Preisdifferenz zu Futter- und A-Weizen. Nichtsdestotrotz kann Winterroggen einen wertvollen Beitrag zur Erweiterung von Fruchtfolgen leisten. Der im Vergleich zu Weizen frühere Erntetermin ermöglicht einen Zwischenfruchtanbau; auch Untersaaten lassen sich in Roggen relativ problemlos etablieren.
Landessortenversuche im Anbaujahr 2018/2019
Die Landessortenversuche mit Winterroggen wurden im vergangenen Herbst an drei Standorten (Bad Hersfeld, Korbach, Marburg (Rauischholzhausen)) termingerecht Ende September angelegt, nachdem der langersehnte Niederschlag eingesetzt hatte. In der Praxis wurde in den Höhen- und Übergangslagen ab Mitte September mit der Roggenaussaat begonnen, die sich bis Anfang Oktober hinzog. Da die Temperaturen bis in den Dezember deutlich über dem langjährigen Mittel lagen, konnten sich die Roggenbestände meist gut entwickeln. Auf Standorten, die keine ausreichenden Niederschläge erhielten, wurde teilweise ein verzögertes Auflaufen und in der Folge ungleichmäßig entwickelte Bestände beobachtet.
Die Hauptschossphase Anfang/Mitte April war geprägt von warmer Witterung und Niederschlagsmangel. In normalen Jahren kann man davon ausgehen, dass die nutzbare Feldkapazität, d.h. das pflanzenverfügbare Bodenwasser, im April bei über 80% liegt und damit ein optimales Wasserangebot vorhanden ist für das Massenwachstum der Bestände. Da aber die Bodenwasservorräte im Unterboden im letzten Winter nicht aufgefüllt worden waren, kam es auf leichteren Standorten zur Reduzierung von Trieben bzw. Ährenanlagen. Bis Ende April/Anfang Mai präsentierten sich die Roggenbestände weitgehend gesund. Die dann warme Witterung mit nächtlicher Taubildung begünstigte die Ausbreitung von Braunrost, der auch in den Landessortenversuchen an allen Standorten, aber in unterschiedlicher Befallsintensität zu finden war. Am Standort Korbach wurde weiterhin Befall mit Rynchosporium beobachtet, der sortenabhängig unterschiedlich stark ausgeprägt war. Am Standort Marburg verursachten Starkniederschläge schon relativ früh Lager in der unbehandelten Variante, später auch in Intensitätsstufe 2. Die Ernte erfolgte Ende Juli unter weitgehend günstigen Witterungsverhältnissen, so dass Auswuchs kein Problem darstellte.
Nur noch Hybridsorten in der Prüfung
In den Landessortenversuchen zu Winterroggen wurden insgesamt acht Hybridsorten und erstmalig keine Populationssorte mehr geprüft. Diese Sortimentszusammenstellung entspricht nicht ganz den Anbauanteilen der Sortentypen in der landwirtschaftlichen Praxis. Nach Erhebungen der Besonderen Ernteermittlung (BEE) werden in Hessen im konventionellen Ackerbau immer noch in beträchtlichem Umfang (knapp 20%) Populationssorten eingesetzt. Während Populationssorten nachgebaut werden können, ist dies bei Hybridroggen nicht erlaubt und auch nicht sinnvoll aufgrund der zu erwartenden Ertragsdepression und Mutterkorngefährdung. Mehrjährige Ergebnisse der LSV wie auch der BEE demonstrieren eindrücklich die Ertragsüberlegenheit von Hybridsorten. Die Saatgutmehrkosten von Hybriden werden daher auch normalerweise über den höheren Ertrag gedeckt.
Die meisten der von der Saaten Union vertriebenen Sorten werden nur mit 10%iger Einmischung einer Populationssorte in den Verkehr gebracht, um über eine höhere Pollendichte das Risiko einer Mutterkorninfektion zu mindern. Daher wurde die Sorte SU Performer im LSV in zwei Varianten (mit/ohne Beimischung) geprüft. Ein positiver Effekt der Beimischung konnte über die letzten drei Jahre nicht nachgewiesen werden, was aber u.U. auch auf die generell hohe Pollendichte in den Parzellenversuchen zurückzuführen ist.
Drei Sorten erstmalig geprüft
Erstmalig in den hessischen Landessortenversuchen standen die Neuzulassungen KWS Serafino, KWS Trebiano und SU Piano. Die Sorteneigenschaften sind Tabelle 4 zu entnehmen.KWS Serafino zeichnet sich durch ein sehr hohes Ertragspotenzial aus, auch auf leichten Standorten. Die mittelfrühe Sorte zeigt eine mittlere Standfestigkeit bei etwas höherer Neigung zu Halmknicken. Von den in den LSV geprüften Sorten verfügt KWS Serafino über die besten Resistenzen gegen Blattkrankheiten und über eine geringe Anfälligkeit für Mutterkorn. Eine Fallzahl von 8 lässt auf eine geringe Auswuchsneigung schließen.
KWS Trebiano ist im Ertrag etwas schwächer eingestuft als KWS Serafino, verfügt aber über eine bessere Standfestigkeit. Die Anfälligkeit für Rynchosporium und Braunrost ist gering bis mittel bzw. gering. Im aktuellen Jahr zeigte er am Standort Bad Hersfeld jedoch verstärkten Braunrostbefall. Zur Mehltauanfälligkeit liegt keine Einstufung vor. Wie KWS Serafino hat KWS Trebiano eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Mutterkorn, die Fallzahl ist jedoch etwas schwächer.
SU Piano ist ein kurzstrohiger, sehr standfester Hybridroggen mit einer sehr hohen Ertragsleistung, die er im aktuellen Jahr in Stufe 2 jedoch nicht bestätigen konnte. Für die Mehltauresistenz liegt keine Einstufung vor, ansonsten verfügt die Sorte über eine gute Blattgesundheit. Die Mutterkornanfälligkeit ist etwas stärker ausgeprägt als bei KWS Trebiano und KWS Serafino, die Auswuchsneigung ist gering.
Gute Erträge trotz schwieriger Witterungsverhältnisse
Von den drei Landessortenversuchen konnten nur zwei Versuche (Bad Hersfeld, Marburg) in die Datenauswertung einbezogen werden. Der Landessortenversuch in Korbach stand auf einem etwas schwächeren Standorten, auf welchen die Frühsommertrockenheit zu einer hohen Streuung der Erträge führte, so dass der Versuch leider nicht gewertet werden konnte.
Die diesjährigen Erträge lagen in Stufe 1 (keine Fungizide, reduzierter Wachstumsregler) im Mittel über beide Standorte bei 84.5 dt/ha, in der behandelten Stufe (Wachstumsregler und Fungizide) wurden im Versuchsdurchschnitt 100 dt/ha erzielt. Mehrerträge durch Behandlung variierten von 4.6 bis 27.7 dt/ha. Von den aktuell geprüften Sorten zeigte KWS Eterno den größten Behandlungseffekt (28%), während die Neuzulassungen SU Piano und KWS Trebiano weniger stark auf die Behandlungsmaßnahmen reagierten.
Dem allgemein hohen Ertragsniveau in Bad Hersfeld mit 95.6 dt/ha in Stufe 1 und 108.9 dt/ha in Stufe 2 stehen etwas enttäuschende Erträge in Marburg gegenüber, besonders in Stufe 1 (69.7 dt/ha). Die Ursache ist zum einen in dem frühen Lager, zum anderen in einem relativ massiven Braunrostbefall zu sehen, der Ende Mai zunächst in der unbehandelten Variante festzustellen war. Später trat auch in der behandelten Variante Braunrost auf, ohne aber allzu große Ertragseinbußen zu verursachen.
Mit Erträgen über dem Versuchsmittel konnten in Stufe 2 die mehrjährig geprüften KWS Binntto, KWS Eterno und SU Performer aufwarten. An der Spitze lag jedoch die erstmalig geprüfte KWS Serafino. KWS Serafino zeigte auch in Stufe 1 eine weit über dem Durchschnitt liegende Leistung, ebenso wie die bewährten SU Performer und KWS Binntto, sowie die Neuzulassung KWS Trebiano und SU Piano, die aber in Stufe 2 nicht überzeugen konnten.
Mehrjährige und überregionale Auswertung
Über alle drei Prüfjahre überzeugt vor allem SU Performer durch eine sehr gute Ertragsstabilität. Auch KWS Binntto erzielt über dem Mittel liegende Erträge, bei allerdings etwas stärker zwischen den Jahren schwankenden Ergebnissen. Am 3-jähren Versuchsmittel liegt KWS Eterno, während KWS Daniello und SU Cossani etwas unter dem Durchschnitt bleiben.
Da die Datengrundlage zur Sortenbewertung im aktuellen Jahr nur auf zwei hessischen Standorten basiert, ist es sinnvoll, die Versuchsergebnisse aus benachbarten Bundesländern mit in die Sortenentscheidung einzubeziehen. In der überregionalen Auswertung nach Hohenheim-Gülzower-Methode werden alle für ein Anbaugebiet (http://geoportal.julius-kuehn.de/map?app=konv), d.h. einer Region mit vergleichbaren Boden- und Klimaverhältnissen, verfügbaren Versuchsdaten in die Datenanalyse einbezogen. Dies umfasst sowohl Daten aus Landessortenversuchen, aber auch Ergebnisse von Wertprüfungen, die einer Sortenzulassung vorausgehen. Für Roggen liegen in den verschiedenen Anbaugebieten jedoch nur wenige Versuchsstandorte vor, so dass für die südlichen Regionen (Mittel-/Südhessen, Süwestthüringen, sowie Teile von Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg) eine gemeinsame Auswertung vorgenommen wurde.
Für den Großraum Süd liegen, übereinstimmend zu den hessischen Ergebnissen, KWS Binntto und KWS Serafino, aber auch SU Piano in beiden Intensitätsstufen an der Leistungsspitze, während KWS Daniello ertraglich abfällt (Tabelle 3). Für die nordhessischen Anbau-gebiete sind zur Orientierung die Ergebnisse der Löss-, Lehm- und Höhenlagen Nordrhein-Westfalens dargestellt. Die beste Ertragsleistung zeigt KWS Eterno, dicht gefolgt von KWS Binntto, SU Performer, KWS Serafino und KWS Trebiano.
Für Brotroggen nicht immer optimale Qualitäten
- Fallzahl (sec.) > 120
- Hektolitergewicht (kg/hl) > 72
- Feuchtigkeit (%) max. 14.5
- Bruchkorn (%) < 3
- Schwarzbesatz (%) < 2
- Auswuchs (%) < 2.5
- Fremdgetreide (%) < 0.1
- Mutterkorn (%) < 0.05
- DON (mg/kg) < 0.75
- ZEA (mg/kg) < 0.05
Für die Backfähigkeit von Roggen ist Stärke von größerer Bedeutung, weil sie an der Wasserbindung im Teig und während der Backphase beteiligt ist. Auswuchs führt über eine gesteigerte Aktivität von alpha-Amylase zum Stärkeabbau und damit einer Abnahme der Backfähigkeit. Ein indirektes Kriterium für die alpha-Amylaseaktivität ist die Fallzahl.
Im aktuellen Jahr erreichte die Fallzahl witterungsbedingt mit im Mittel 354 sec ein sehr hohes Niveau und überschritt den von den Mühlen geforderten Wert von 130 sec deutlich. Sehr hohe Fallzahlwerte können aber zu Brotfehlern, wie krümeliger Brotkrume und Brotrissen führen. Auch die am Standort Marburg geringen Proteingehalte von 8.7% (Stufe 1) bzw. 8.5% (Stufe 2) können die Backqualität von Roggenmehl mindern. Abgesehen von der absoluten Höhe der Fallzahl sind Sorten mit einer guten Fallzahlstabilität gewünscht, die nur über mehrjährige, mehrortige Versuche bewertet werden kann. Da im aktuellen Jahr nur zwei Standorte in die Auswertung gelangten und die Werte insgesamt sehr hoch waren, ist eine Einschätzung der Fallzahlstabilität der geprüften Sorten schwierig. Probleme mit Mutterkornbesatz traten im aktuellen Jahr in einigen Regionen Südhessens auf. Da der Mutterkornpilz hochtoxische Verbindungen (Ergotalkaloide) produziert, ist bei der Vermarktung von Roggen der Grenzwert von 0.05% (Brotroggen) bzw. 0.1% (Futterroggen) für den Gehalt an Mutterkorn-Sklerotien zu unterschreiten. In der Diskussion ist eine Absenkung des Grenzwertes von 0.05% auf 0.02%.
Worauf bei der Sortenwahl und Bestandesführung achten?
Unabhängig davon, ob Roggen für die Verwertung als Brotgetreide oder zum Einsatz als Futtermittel angebaut wird, sollte bei der Sortenwahl auf eine hohe Ertragsleistung sowie Ertragsstabilität Wert gelegt werden. Hierzu tragen verschiedene Sorteneigenschaften bei. Standfestigkeit und Halmstabilität können in Einzeljahren ganz entscheidend die Ertragshöhe beeinflussen. Theoretisch könnten kurzstrohigere Sorten eine geringere Lagerneigung aufweisen. Die Beziehung zwischen Pflanzenlänge und Lagerneigung der aktuell zugelassenen Sorten ist zwar positiv, aber nicht besonders eng. Züchterische Aktivitäten, die Standfestigkeit durch das Einkreuzen von Verzwergungsgenen (semi-dwarf Typen) zu steigern, haben bislang zu keinen zugelassenen Sorten geführt. Abgesehen von einer hohen Standfestigkeit ist eine geringe Anfälligkeit gegen Braunrost und Rynchosporium erwünscht, Toleranz gegen abiotischen Stress (Hitze, Trockenheit), sowie geringe Mutterkorngehalte. Befall mit Mutterkorn tritt immer wieder in Einzeljahren auf, wenn befallsfördernde Witterungsbedingungen zur Blüte vorliegen. Das Befallsrisiko bleibt gering, wenn die Blüte schnell bei weitgehend trockener Witterung verläuft. Nur noch nicht befruchtete Blütchen können vom Mutterkornpilz, genauer gesagt von den Sporen, infiziert werden. Das Risiko des Mutterkornbefalls kann durch eine Reihe von Maßnahmen reduziert werden.
Zunächst sollten enge Fruchtfolgen von Roggen und Triticale vermieden werden, die beide Arten Wirtspflanzen für Mutterkorn darstellen. Nach der Roggenernte verringert eine wendende Bodenbearbeitung das Infektionsrisiko, bei Pflugverzicht sollte eine Mindestbearbeitungstiefe von 5 cm eingehalten werden. Die Bestandesführung von Roggen sollte hinsichtlich Saatstärke, -tiefe, Reihenabstand, Düngung und Wachstumsreglereinsatz standortangepasst auf ein gleichmäßiges und schnelles Abblühen ausrichtet sein. Generell ist auf die Ungrasbekämpfung in Getreidebeständen und Feldrandhygiene zu achten, um Infektionen zu vermeiden. Eine weitere wichtige Maßnahme ist die Wahl wenig anfälliger Sorten. Bis vor wenigen Jahren waren Hybridsorten mit einer deutlich höheren Anfälligkeit behaftet als Populationssorten. Die Anfälligkeit der aktuell zugelassenen Sorten variiert zwischen 3 (gering anfällig) und 6 (mittlere Anfälligkeit), und es sind mittlerweile einige neue Hybridsorten wie KWS Trebiano und KWS Serafino mit einer geringen Anfälligkeit auf dem Markt. Bei Sorten aus dem Züchtungshaus Hybro, die z.T. noch ein geringeres Pollenschüttungsvermögen aufweisen, wird durch Beimischung von Populationsroggen dem Befallsrisiko gegengesteuert.
Für das Produktionsziel Brotroggen sind eine hohe Tausendkornmasse und die Auswuchsfestigkeit ein entscheidendes Kriterium. Aufgrund seiner nur gering ausgeprägten Dormanz (Keimruhe) kann Roggen bei Vorliegen von warm-feuchter Witterung noch vor der Ernte beginnen zu keimen. Dies führt zu einem Abbau der Stärke und damit zu einer Abnahme der Backfähigkeit. Moderne Roggenzüchtungen weisen eine Kombination von hoher Fallzahl, gleichbedeutend geringer alpha-Amylaseaktivität, und einem hohen Kornertrag auf. Solche fallzahlstabilen Sorten sollten auf jeden Fall zum Einsatz kommen, wenn Roggen in „feuchten Lagen“ angebaut wird. Eine weitere wichtige Qualitätskomponente ist ein hoher Pentosangehalt. Diese Quell- und Schleimstoffe tragen als unlösliche Fraktion zur Wasserbindung im Teig bei und steigern somit die Teigausbeute, während die lösliche Fraktion die Teiglockerung, Krumenweichheit und das Gebäckvolumen fördert. Für die Backfähigkeit sind Pentosane also erwünscht, beim Einsatz von Roggen als Futtermittel hingegen wirken sie begrenzend, da sie insbesondere bei Geflügel den normalen Verdauungsvorgang beeinträchtigen.
Sortenempfehlung für die Herbstaussaat 2019
Für die diesjährige Herbstaussaat werden aufgrund der mehrjährigen und überregionalen Leistungen sowie unter Berücksichtigung der Sorteneigenschaften KWS Binntto und SU Performer empfohlen.
SU Performer ist langjährig geprüft und zeichnet sich durch konstant hohe Erträge aus. Bei etwas kürzerer Pflanzenlänge besitzt die Sorte eine ausreichende Standfestigkeit. Während die Auswuchsfestigkeit als sehr hoch eingestuft ist, weist SU Performer eine erhöhte Anfälligkeit für Mutterkorn auf; daher wird die Sorte nur mit einer 10%-igen Beimischung von Populationsroggen vermarktet. Die Anfälligkeit für Braunrost ist über die Jahre etwas angestiegen.
KWS Binntto zeigt nach dreijähriger Prüfung vor allem auch bei extensiver Bestandesführung überdurchschnittliche Erträge. Die Sorte besitzt eine sehr gute Standfestigkeit und, von der erhöhten Mehltauanfälligkeit abgesehen, eine gute Blattgesundheit. Die Anfälligkeit für Mutterkorn und Auswuchsneigung liegen im mittleren Bereich. Mit Vermehrungsflächen von über 900 ha bundesweit gehören KWS Binntto und SU Performer zu den vermehrungsstärkeren Sorten.
Für den Probeanbau empfiehlt sich der ertragsstarke KWS Serafino.
Roggen zur Ganzpflanzennutzung
In futterknappen Jahren stellt Winterroggen in viehhaltenden Betrieben eine Futterreserve dar, da noch relativ spät in der Vegetationsperiode, und somit vergleichsweise kurzfristig entschieden werden kann, ob ein Bestand als Ganzpflanzensilage (GPS) oder zur Körnernutzung geerntet werden soll. Siloreife ist Ende Milchreife bis Mitte der Teigreife gegeben, bei einem Trockensubstanzgehalt von 35 bis 40%. Viele der für die Körnernutzung zugelassenen Sorten weisen auch eine gute Eignung zur GPS-Nutzung auf – die sogenannten Doppelnutzungssorten. In der Beschreibenden Sortenliste sind auch Winterroggen mit spezieller Eignung für die Silonutzung gelistet. Dieses Sortiment umfasst aktuell aber nur vier Sorten.
Generell erreicht die Verdaulichkeit von Roggen-GPS nicht das Niveau von Weizen-GPS, was vor allem auf das geringere Korn/Stroh-Verhältnis zurückzuführen ist. Der Stärkegehalt von Roggen-GPS liegt über dem von Weizen-GPS, aber deutlich unter den normalen Stärkegehalten von Maissilage. Zu beachten ist die geringere Stärkebeständigkeit.
Landessortenversuche zur speziellen Eignung für die GPS-Nutzung werden vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen nicht durchgeführt. Ergebnisse aus anderen Bundesländern dokumentieren aber das hohe Ertragspotenzial der aktuell zugelassenen Winterroggensorten, die je nach Standortbedingungen an das Ertragsniveau von Silomais heranreichen können.
unbehandelt (rel. zur BB) | fungizidbehandelt (rel. zur BB) | ||||||||
HEF | KB | MR | Mittel | HEF | KB | MR | Mittel | ||
BB (dt/ha) | 95.5 | Versuch nicht auswertbar | 69.7 | 82.6 | 110.1 | Versuch nicht auswertbar | 90.0 | 100.0 | |
VD (dt/ha) | 95.6 | 73.5 | 84.5 | 108.9 | 91.1 | 100.0 | |||
GD 5% (relativ) | 8.9 | 10.5 | 7.9 | 8.5 | |||||
SU Cossani BB 1) | H | 101 | 94 | 98 | 99 | 99 | 99 | ||
KWS Daniello BB | H | 97 | 93 | 95 | 99 | 96 | 97 | ||
KWS Binntto BB | H | 102 | 110 | 105 | 102 | 99 | 101 | ||
KWS Eterno BB | H | 100 | 92 | 97 | 102 | 102 | 102 | ||
KWS Serafino EU | H | 100 | 116 | 107 | 104 | 106 | 105 | ||
KWS Trebiano | H | 102 | 117 | 108 | 93 | 103 | 98 | ||
SU Piano | H | 104 | 111 | 107 | 98 | 97 | 97 | ||
Anhangsortiment | |||||||||
SU Performer BB | H | 100 | 110 | 104 | 98 | 104 | 101 | ||
SU Performer + 10 % P | H | 95 | 105 | 99 | 96 | 104 | 100 |
BB: Bezugsbasis (3-jährig geprüfte Sorten über alle Standorte); VD: Versuchsdurchschnitt; GD: Grenzdifferenz; H: Hybridsorte; TS: Trockensubstanz
HEF: Bad Hersfeld (Eichhof), KB: Korbach; MR: Marburg (Rauischholzhausen)
unbehandelt (rel. zur BB) | fungizidbehandelt (rel. zur BB) | ||||||||
Jahr | 2017 | 2018 | 2019 | Mittel | 2017 | 2018 | 2019 | Mittel | |
Orte | 1 | 3 | 2 | 1 | 3 | 2 | |||
BB (dt/ha) | 78.9 | 82.5 | 82.6 | 81.9 | 91.0 | 101.0 | 100.0 | 99.0 | |
VD (dt/ha) | 76.5 | 80.8 | 84.5 | 81.3 | 88.1 | 100.0 | 100.0 | 98.0 | |
SU Cossani BB 1) | H | 102 | 96 | 98 | 98 | 100 | 99 | 99 | 99 |
KWS Daniello BB | H | 100 | 97 | 95 | 97 | 95 | 98 | 97 | 97 |
KWS Binntto BB | H | 97 | 103 | 105 | 103 | 102 | 100 | 101 | 101 |
KWS Eterno BB | H | 100 | 103 | 97 | 100 | 101 | 99 | 102 | 100 |
KWS Serafino EU | H | 107 | 105 | ||||||
KWS Trebiano | H | 108 | 98 | ||||||
SU Piano | H | 107 | 97 | ||||||
SU Nasri 1) | H | 93 | 96 | 99 | 101 | ||||
KWS Gatano | H | 95 | 94 | 94 | 94 | ||||
KWS Edmondo | H | 103 | 105 | ||||||
Anhangsortiment | |||||||||
SU Performer BB 1) | H | 101 | 101 | 104 | 102 | 103 | 104 | 101 | 103 |
SU Performer + 10 % P | H | 101 | 99 | 104 | 100 | ||||
Conduct | P | 84 | 86 | 81 | 86 | ||||
SU Composit | H | 100 | 98 |
BB: Bezugsbasis (3-jährig geprüfte Sorten über alle Standorte); VD: Versuchsdurchschnitt; H: Hybridsorte; P: Populationssorte; TS: Trockensubstanz
HEF: Bad Hersfeld (Eichhof), KB: Korbach; MR: Marburg (Rauischholzhausen)
2017: Standorte Friedberg und Korbach nicht auswertbar; 2019: Standort Korbach nicht auswertbar
1) Sorte wird nur mit einer 10%igen Einmischung einer Populationssorte in den Verkehr gebracht
Löss, Lehm, Höhen NRW (2016-2019) | Großraum Süd (2015-2019) | ||||
Ertrag (rel.) Stufe 2 | Anzahl Versuche | Ertrag (rel.) Stufe 1 | Ertrag (rel.) Stufe 2 | Anzahl Versuche | |
SU Cossani | 96 | 25 | 97.7 | 99.2 | 99 |
SU Performer | 101 | 20 | 98.8 | 100.4 | 68 |
KWS Daniello | 98 | 24 | 96.5 | 96.4 | 77 |
KWS Binntto | 101 | 18 | 101.2 | 101.2 | 56 |
KWS Eterno | 102 | 16 | 99.8 | 100.4 | 49 |
KWS Serafino | 101 | 10 | 102.3 | 101.4 | 37 |
KWS Trebiano | 101 | 6 | 100.0 | 98.8 | 19 |
SU Piano | 99 | 6 | 103.6 | 101.7 | 23 |
Absolutertrag (dt/ha) | — | 85.0 | 97.8 |
Neigung zu | Anfälligkeit für | Ertragseigenschaften | Qualität | |||||||||||||||||
Sorte | Sortentyp | Züchter / Vertreiber | Ährenschieben | Reife | Pflanzenlänge | Lager | Halmknicken | Mehltau | Rhynchosporium | Braunrost | Mutterkorn | Bestandesdichte | Kornzahl / Ähre | Tausendkornmasse | Kornertrag Stufe 1 | Kornertrag Stufe 2 | Fallzahl | Rohproteingehalt | ||
SU Cossani1 | H | Hybro SZ / SU | 5 | 5 | 4 | 4 | 5 | 3 | 5 | 6 | 5 | 7 | 5 | 5 | 7 | 7 | 6 | 5 | ||
KWS Daniello | H | KWS Lochow | 5 | 5 | 4 | 5 | 5 | 3 | 4 | 3 | 4 | 7 | 5 | 5 | 8 | 7 | 7 | 4 | ||
KWS Binntto | H | KWS Lochow | 6 | 5 | 4 | 3 | 3 | 6 | 3 | 4 | 4 | 6 | 5 | 6 | 8 | 8 | 7 | 4 | ||
KWS Eterno | H | KWS Lochow | 5 | 5 | 4 | 5 | 4 | 6 | 4 | 3 | 4 | 8 | 5 | 5 | 8 | 8 | 7 | 3 | ||
KWS Serafino | H | KWS Lochow | 5 | 5 | 5 | 5 | 6 | 3 | 3 | 3 | 3 | 6 | 7 | 5 | 9 | 8 | 8 | 4 | ||
KWS Trebiano | H | KWS Lochow | 5 | 5 | 5 | 4 | 5 | – | 4 | 3 | 3 | 6 | 5 | 7 | 8 | 7 | 7 | 3 | ||
SU Piano | H | Hybro SZ / SU | 5 | 5 | 3 | 3 | 3 | – | 4 | 4 | 4 | 6 | 5 | 6 | 9 | 8 | 8 | 4 | ||
Anhangsortiment | ||||||||||||||||||||
SU Performer1 | H | Hybro SZ / SU | 5 | 5 | 4 | 5 | 6 | 4 | 4 | 5 | 6 | 8 | 5 | 5 | 7 | 8 | 8 | 4 |
1 Sorte wird ausschließlich mit 10%iger Einmischung einer Populationssorte in Verkehr gebracht; H: Hybridsorte
Note 1 = niedrige Ausprägung des Merkmals (gering, kurz, früh); Note 9 = hohe Merkmalsausprägung (hoch, lang, spät); Note 5 = durchschnittliche Einstufung
Günstige Einstufungen sind in der Tabelle grün, weniger günstige orange hinterlegt.