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Ergebnisse der LSV Winterweizen 2020/21 & Empfehlungen

Auch wenn bezogen auf den gesamten europäischen Raum der Sommer 2021 der wärmste seit der Wetteraufzeichnung in 1979 war [climate.copernicus.eu], war hiervon im nördlicheren Teil Europas vergleichsweise wenig zu spüren. Wie sich diese Witterungsverhältnisse auf die qualitativen und quantitativen Weizenerträge ausgewirkt hat, und ob es auch Optimistisches zu berichten gibt, stellen Manuel Fränzke und Cecilia Hüppe vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen bei der Ergebnisvorstellung der hessischen Landessortenversuche Winterweizen 2021 dar.

Nach wie vor nimmt der Weizenanbau, und hierbei besonders der Anbau des Winterweizens, in Hessen den größten Flächenanteil aller Getreidearten ein. Zum Stand der ersten Erntemeldung im August 2021 des hessischen statistischen Landesamtes (HSL) beträgt die Anbaufläche in Hessen vorläufig rund 145 000 ha, was mehr als die Hälfte der Gesamtgetreideanbaufläche entspricht. Hat sich die gesamthessische Anbaufläche im Vergleich zum Vorjahr zwar wieder erweitert, zeigt sich bei Betrachtung des Durchschnitts der letzten fünf Jahre jedoch ein Abwärtstrend der gesamten Weizenanbaufläche. Ein Blick in die jährlich veröffentlichten Zahlen der besonderen Ernteermittlung (BEE) ließen bereits Schlimmeres erahnen: für Hessen wurde für das Jahr 2021 ein durchschnittlicher Winterweizenertrag von 71,1 dt/ha prognostiziert.

Über den Jahresverlauf 2021 war die Ertragserwartungen überwiegend vorsichtig-optimistisch, dass das regenreiche Jahr eine Trendwende gegenüber den vorherigen trockenen und teils heißen Jahren bringen würde. Der gesamthessische Durchschnittsertragswert von 78,3 dt/ha im trockenen Vorjahr 2020 lag jedoch deutlich über den diesjährigen Durchschnittsertrag. Auch gegenüber dem fünfjährigen Mittel lag das diesjährige Ernteergebnis unterhalb des Durchschnitts. In Kombination mit der rückläufigen Anbaufläche, ergibt sich folglich auch eine unterdurchschnittliche Erntemenge im Mittel der letzten fünf Jahre. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass in Hessen diesjährig im Vergleich zum Mittel der Jahre 2015-2020 rund 140 000 t weniger Winterweizen geerntet wurden. Das verminderte Ernteergebnis spiegelte sich auch in den Landessortenversuchen wider und wurde bereits bei den vorab veröffentlichten Versuchsergebnissen der frühen Weizensorten deutlich: durchweg lagen die Erträge unterhalb derer von 2019 und 2020.

Die besonderen Witterungsverhältnisse im Anbaujahr 2020/2021 machte es den Weizenpflanzen nicht besonders leicht, ihr genetisch fixiertes Ertragspotenzial auf dem Acker auszuspielen. Die ersten Schwierigkeiten traten bereits bei der Aussaat auf, die durch die anhaltende Trockenheit im Herbst 2020 erschwert wurde. Danach folgte eine vergleichsweise warme Herbst- und Winterperiode, die aber am Februar durch raue Kälteeinbrüche zeitweise unterbrochen wurden. Durch die warme Witterung im Herbst entwickelten sich die Weizenbestände zügig weiter, bestockten regional stark und neigten stellenweise auch zum Überwachsen. Das Frühjahr, und hier besonders der Mai, versorgte die Pflanzen laut dem Deutsch Wetterdienst (DWD) nur mit einer unterdurchschnittlichen Sonneneinstrahlung, was sich nicht unerheblich auf die Ertragsentwicklung ausgewirkt haben wird. Wiederrum war die ausreichend vorhandene Feuchtigkeit im Boden sehr erfreulich für die Entwicklung der Bestände. Der warme und trockene Juni ließ Erinnerungen an die Vorjahre aufkeimen und vielerorts wurde wieder mit einer langanhaltenden Trockenphase gerechnet. Regional traten in kurzer Zeit sehr starke Hitzeereignisse auf, was den Beständen deutliche Probleme während der Kornfüllung bereitet haben. Eine langanhaltende Trockenphase trat jedoch nicht ein. Der restliche Sommer bis zur Ernte zeigte sich fast durchweg verregnet, was regionale das Auftreten von Pflanzenkrankheiten begünstigte und letztendlich die Ernte deutlich erschwerte.

Erträge variierten stark nach Standort, Mehrerträge durch Behandlung gering

Der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) führt jährlich die Landessortenversuche (LSV) für den Winterweizen an unterschiedlichen Standorten durch. Bei der Wahl der Standorte wird darauf geachtet, dass diese die unterschiedlichen Anbaubedingungen innerhalb Hessens gut abbilden. In 2021 wurden die LSV Winterweizen an den Standorten Friedberg, Fritzlar, Griesheim, Bad Hersfeld, Korbach und Marburg durchgeführt. Die Prüfungen erfolgen nach wissenschaftlichen Standards, die Ergebnisse werden neutral und unabhängig bewertet. An den jeweiligen Standorten werden die geprüften Sortimente unter den gleichen Bedingungen behandelt. Das bedeutet, dass sie jeweils mit der gleichen Menge an Nährstoffen versorgt und mit der gleichen Intensität hinsichtlich Pflanzenschutzmitteln und Wachstumsreglern behandelt werden. Hinsichtlich des Pflanzenschutzes werden zwei Intensitätsstufe angesetzt: Eine reduzierte Variante ohne den Einsatz von Fungiziden und mit einer reduzierten Aufwandmenge an Wachstumsreglern lediglich zur Absicherung des Bestands (Stufe 1) und eine Variante mit einem standortangepassten Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern (Stufe 2). Durch die zwei Varianten kann direkt verglichen werden, ob sich ein erhöhter Input positiv auf den quantitativen aber auch qualitativen Ertrag auswirkt. Vor allem die agronomischen Parameter sowie die gesundheitliche Ausstattung der Sorten können in der reduzierten Variante gut herausgearbeitet werden. Die Leistung der neuzugelassenen Sorten wird anhand der für den hessischen Anbau bewährten Sorten gemessen. Hierfür wird eine sogenannte Bezugsbasis (BB) gebildet. Konkret bedeutet dies, dass alle bereits mehrjährig geprüften Sorten als Bezugsbasissorten definiert. Die Erträge der einzelnen geprüften Sorten werden für den Vergleich ins Verhältnis zu den mittleren Erträgen der BB gesetzt, um auf deren relative Mehr- oder Minderleistung vor allem der Neuzulassungen schließen zu können. Auf diese Weise kann festgemacht werden, welche Sorten sich als eine deutliche Verbesserung gegenüber den bewährten Sorten für Hessen darstellen. Neben der Ertragsleistung werden während der Versuchsdurchführung die Bestände regelmäßig bonitiert, um ihr Wachstum, ihre Entwicklung und gegebenenfalls auftretende Pflanzenkrankheiten zu erfassen. Parameter zur Qualität des Ernteguts werden vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) bestimmt. All diese Parameter gemeinsam führen nach Ende des Versuchsjahrs zu einer umfassenden Bewertung der Sorte für den hessischen Anbau.

Wie bereits im oberen Teil angedeutet, hatten die Winterweizenbestände mit der Witterung und ihren Folgen 2020/2021 zu kämpfen, was sich besonders in den Erträgen niederschlug. Tabelle 1 zeigt hierzu das Ertragsergebnis der diesjährig geprüften Sorten an den einzelnen Standorten aufgeteilt nach Intensitätsstufe. Das mittlere Ertragsergebnis der Bezugsbasissorten über alle auswertbaren Standorte lag in der reduziert behandelten Variante bei 77,8 dt/ha und damit deutlich unterhalb der Werte von 2020 (102,0 dt/ha) und 2019 (93,1 dt/ha). In der behandelten Variante fielen die mittleren Erträge mit 83,2 dt/ha höher aus als in der reduzierten Variante, waren aber immer noch sehr viel niedriger als in den Vorjahren (2020: 107,2 dt/ha; 2019: 102,0 dt/ha). Wie auch bei dem zuvor veröffentlichten frühreifen Winterweizensortiment, konnte der Standort Friedberg mit den höchsten Erträgen aufwarten. In beiden Intensitätsstufen lag das mittlere Ergebnis oberhalb des Durchschnitts, auch wenn in der reduzierten Variante die 9 Tonnen im Mittel nicht ganz erreicht wurde. Im Vergleich zu den Vorjahreswerten in 2020 (reduziert: 124,6 dt/ha; optimiert: 128 dt/ha) ist dieses Ertragsergebnis sehr ernüchternd sehr ernüchternd. Die Standorte Fritzlar und Korbach liegen in der ersten Intensitätsstufe mit 83,7 dt/ha (FZ) und 84,0 dt/ha (KB) mit ihren mittleren Erträgen zwar beinahe gleichauf, in der optimierten Intensitätsstufe überholt Fritzlar Korbach aber mit zusätzlich guten 10 dt/ha Mehrertrag. Damit liegt das Ertragsergebnis in der intensiven Variante auf gleichem Niveau zu Friedberg. Die diesjährigen Ertragsdaten konnten am Standort Marburg in 2021 sehr bedauernswerterweise technisch bedingt nicht ausgewertet werden. In Griesheim konnten mit 67,0 dt/ha in der reduzierten und 68,0 dt/ha in der optimierten Variante nur geringe Erträge eingefahren werden, die mit denen des trockenen Jahres 2019 vergleichbar waren (reduziert in 2019: 68,1 dt/ha; optimiert in 2019: 67,6 dt/ha). Im Vorjahr 2020 wurden hier merklich höhere Erträge erwirtschaftet, die aber auch einer zusätzlichen Bewässerung auf diesem Standort zugeschrieben werden können. In 2021 war für diesen Standort aufgrund der Witterung keine Beregnung notwendig und die geringen Erträge können keinem Trockenstress zugeordnet werden.

Starker Septoriabefall am Fahnenblatt
Fusariumbefall an Weizenähre

Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass sich in 2021 das regionale starke Auftreten von Pflanzenkrankheiten, die sehr starke Bestockung im Frühjahr sowie die einschneidende Hitzeperiode im Juni zum Zeitpunkt der Kornfüllung negativ auf die Erträge auswirkten. Dadurch, dass bei starker Bestockung viele Nebentriebe vorhanden sind, wird der Haupttrieb nicht so stark mit Nährstoffen versorgt, da diese ebenfalls an die Nebentriebe fließen. Für Blattkrankheiten, wie die Septoria-Blattdürre (Septoria tritici), herrschten sehr günstige Infektionsbedingungen und wurden an allen Versuchsstandorten, teils in starker Ausprägung (Bild 1), vorgefunden. Auch war das Infektionsrisiko für Fusarium (Fusarium graminearum) aufgrund der fördernden Infektionsbedingungen zur Blüte sehr hoch. Besonders an Standorten mit Getreide- oder Maisvorfrucht war das Auftreten von Ährenfusariosen zu beobachten (Bild 2) und am Standort Friedberg wurde ein teilweise erheblicher Befall mit Schneeschimmel bonitiert. Um auch Sortenunterschiede im Befall mit Ährenfusarium feststellen zu können, wurden die LSV zusätzlich beprobt. Zu Redaktionsschluss standen jedoch die Ergebnisse noch nicht zur Verfügung.

Doch nicht nur zwischen den Standorten gab es erhebliche Unterschiede, auch die Sorten reagierten z.T. differenziert in Abhängigkeit des Standortes. Hierbei sei aber auch nochmal auf die Betrachtung der Grenzdifferenzen (GD) für die jeweiligen Standorte hingewiesen, welche wiedergeben ab welchem Ertragsunterschied von einem statistisch abgesicherten Sortenunterschied auszugehen ist. Ist die Differenz der Ertragsergebnisse zweier Sorten größer als die Grenzdifferenz, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Effekt der Sorte an dem jeweiligen Standort kein zufälliges Ereignis war. Hierbei kann aber nur ein Sortenvergleich innerhalb eines Standortes getätigt werden, nicht aber zwischen den Standorten. Gleichzeitig sei aber auch darauf hingewiesen, dass die Grenzdifferenzen an einzelnen Standorten mit 8,0 bzw. 9,5 dt/ha auf einem sehr hohen Niveau lagen, was schlussendlich auf die schwierigen Bedingungen des Jahres zurückzuführen ist und einen Sortenvergleich erschwert. Umso wichtiger ist es, die Sorten erst nach einer mehrjährigen Betrachtung abschließend zu bewerten.

Unter den mindestens dreijährig geprüften Sorten konnten sich in 2021 ertraglich in der reduzierten Variante die B-Weizensorten Campesino und Informer sowie LG Initial als A-Weizen abheben ( Tabelle 1 ). In der optimierten Variante finden sich erneut Campesino und LG Initial an der Spitze, aber auch LG Vertikal erzielte unter den B-Weizen Besterträge. Sorten, die sich im zweiten Prüfungsjahr befinden können zum Teil an den zuvor genannten vorbeiziehen und sollten aufgrund ihrer Leistungen weiter beobachtet werden. Diese Sorten sind beispielweise der einzige im Sortiment befindliche C-Weizen KWS Keitum, die Hybridsorte Hyvega mit A-Quailtät und KWS Donovan als Weizen der B-Qualität. Diese Sorten konnten auch bereits in ihrem vorherigen Prüfjahr gute Leistungen zeigen.

Ertragsabsicherung durch Behandlung nicht an jedem Standort gegeben

In einem Jahr mit einem witterungsbedingten starken Auftreten von Pflanzenkrankheiten und regional aufgetretenem Lager in den Beständen (siehe oben), könnte zunächst davon ausgegangen werden, dass zusätzliche Behandlungen mit Fungiziden und Wachstumsreglern zur Sicherung der Gesundheit und Standfestigkeit deutliche Effekte und damit die Erträge absichern können. Neben dem Einfluss der Sorte, spielen aber auch Standorteinflüsse und eine richtige Terminierung der Maßnahmen eine größere Rolle. Am Standort Fritzlar konnte durch eine zusätzliche Behandlung ein Mehrertrag von durchschnittlich 11,6 dt/ha erreicht werden ( Tabelle 3 ). Den Standorten Friedberg und Bad Hersfeld brachte eine zusätzliche Behandlung im Mittel 6,5 dt/ha bzw. 6,7 dt/ha Mehrertrag. Gering und damit in vielen Fällen nicht wirtschaftlich vielen die Mehrerträge an den Standorten Griesheim und Korbach aus. In Griesheim konnte durch weiter Applikationen zusätzliche 1,0 dt/ha und in Korbach zusätzliche 1,2 dt/ha erwirtschaftet werden. Bei den A-Weizen profierten im Mittel über die Standorte am stärksten die Sorten LG Character (+ 8,0 dt/ha), Pep (+7,2 dt/ha) und KWS Imperium (+ 6,8 dt/ha). LG Vertikal (+ 7,9 dt/ha), Gentleman (+ 6,0 dt/ha) und die EU-Sorte Chevignon (5,6 dt/ha) zeigten im B-Sortiment die stärksten Reaktionen auf eine Behandlung.

Qualitäten überwiegend im grünen Bereich, Rohprotein nur teilweise ausreichend

Wie auch in vielen anderen Lebensbereich so gilt auch für den Winterweizenanbau, dass neben der Quantität auch die Qualität stimmen muss. Um das gedroschene Erntegut entsprechend vom Handel entlohnt zu bekommen ist es wichtig, dass die geforderten Qualitätsparameter eingehalten werden. Andernfalls muss mit Preisabschlägen gerechnet werden oder schlimmstenfalls wird die Ware nicht abgenommen. Bei der Vermarktung des Weizens sind neben dem Rohproteingehalt wichtige Qualitätseigenschaften beispielsweise der Sedimentationswert und die Fallzahl. Über den Sedimentationswert kann die sortenbedingte Quellfähigkeit der Kleberproteine und die Proteinqualität abgeleitet werden. Wachsen Weizenpflanzen unter Stress, kann der Gehalt an alpha-Amylasen im Korn erhöht sein. Diese Enzyme wirken stärkeabbauend, was dazu führt, dass der spätere Teig sich nicht mehr ausreichend verkleistern kann. Die Fallzahl kann dazu dienen den Gehalt an alpha-Amylasen einzuschätzen.

Insgesamt konnten viele Sorten nicht die Zielmarken der Qualitätsanforderungen im LSV erreichen. Die höchsten Rohproteingehalte wurden im Erntegut des LSV Standorts Griesheim gemessen, dort lagen sie im Mittel über alle Sorten bei 13,9 % in der reduzierten und bei 14,0 % in der optimierten Variante. Den niedrigsten mittleren Wert über alle Sorten zeigte der Standort Korbach mit 10,5 % Rohprotein in den beiden Intensitätsstufen. Die mittleren Rohproteingehalte in der reduzierten Variante mit 12,6 % und in der optimierten Variante mit 12,4 % fallen zwar nicht hoch aus, liegen aber über den Gesamtergebnissen der LSV Sorten der Vorjahre von 2020 (reduziert: 11,8 %; optimiert: 11,9 %) und 2019 (reduziert: 12,0 %; optimiert: 11,8 %).

Von einem A-Weizen wird prinzipiell ein Rohproteingehalt von mindestens 13,0 % erwartet. Dies konnte im Mittel über alle Standorte bei den zweijährig geprüften Sorten nur LG Character mit 13,1 % bzw. 13,0 % in den beiden Intensitätsstufen erreicht werden ( Tabelle 3 ). Bei den nun im ersten Jahr in der Prüfung befindlichen A-Weizensorten, konnten Pep, Attribut und KWS Imperium in der reduzierten Variante die 13,0 %-Marke erreichen. Bei den mehrjährig geprüften schnitten im Mittel über die Standorte im A-Segment die Sorten LG Initial und RGT Reform zwar am besten ab, lagen in ihrem Ergebnis aber unterhalb der 13,0 %. Unter den mehrjährig geprüften A-Weizen lagen RGT Reform mit 12,5 % und LG Initial 12,6 % vorne. Zur Erzielung der B-Qualität liegen die Anforderungen an den Rohproteingehalt tiefer. Im mehrjährigen B-Segment stachen Informer und Campesino entsprechend der Qualitätsanforderungen hervor. Bei den zweijährig geprüften Sorten fielen die B-Sorten Gentleman und KWS Donovan mit hohen Werten auf.

Gemittelt über alle Standorte konnten alle A- und B-Weizen den für A-Weizen geforderten Sedimentationswert von 35 mL überschreiten ( Tabelle 3 ). Im mehrjährig geprüften A-Segment zeigte RGT Reform den höchsten Wert mit 61mL in beiden Intensitätsstufen. Auch LG Initial liegt mit 57 mL bzw. 54 mL Werte im oberen Bereich. Unter den mehrjährig geprüften B-Weizen liegt hier Informer in beiden Intensitäten an der Spitze. Darauf folgen Campesino LG Vertikal. Bei den zweijährig geprüften Sorten stechen im A-Segment besonders LG Charakter und im B-Segment die EU-Sorte Chevignon hervor. Die im ersten Prüfjahr befindlichen Sorten KWS Imperium und Akasha zeigten mit die höchsten Sedimentationswerte in 2021.

Die höchsten Fallzahlen waren bei den mehrjährig geprüften Sorten besonders in der reduzierten Intensitätsstufe zu finden ( Tabelle 3 ). RGT Reform (A-Weizen) brachte es auf 368 s, LG Initial auf 332 s (A-Weizen), Informer (B-Weizen) auf 312 s und Campesino (B-Weizen) auf 306 s. Diese Werte übertreffen konnte der zweijährig geprüfte Gentleman mit 369 s bzw. 360 s. Neben SU Jonte zeigte auch Attritbut und KWS Imperium in ihrem ersten Prüfjahr vergleichsweise hohe Fallzahlen.

Altgediente Sorten stabil, neue Sorten wechseln auf die Überholspur

Damit die Leistungen einer Sorte seriös eingeschätzt werden kann, sollte sie sich mindestens drei Jahre in der Prüfung befinden. Nach zwei Jahren im Anbau können bereits erste Tendenzen vorliegen, sodass ein Probeanbau der Sorte sich empfehlen kann. Die nun bereits langjährig in der Prüfung befindliche Sorte RGT Reform (A-Weizen) kann an die Ertragsleistungen der Vorjahre anknüpfen ( Tabelle 4 ). Im Vergleich zu den anderen Sorten in der Prüfung erreicht sie zwar zum Teil nicht mehr das früher gewohnte Leistungsniveau, zeigte im A-Sortiment aber vergleichsweise gute Qualitätseigenschaften, die ebenso berücksichtigt werden sollten. Auch die Ertragsstabilität ist ein wesentliches Kriterium zur Sortenwahl. Hier zeigt sich die Sorte unter den vergangenen drei schwierigen und extremen Jahren stets auf konstanten, relativen Ertragsniveau, was für die Sorte spricht. Im nun dreijährig geprüften B-Sortiment konnten sowohl Informer, LG Vertikal und Campesino ein gutes und im Mittel überdurchschnittliches Leistungsniveau in der optimierten Variante zeigen. In der reduzierten Variante glänzte hier besonders Campesino mit überdurchschnittlichen Leistungen in den vergangen drei Jahren, was auf gute agronomische Eigenschaften schließen lässt.

Bei den bereits zweijährig geprüften Sorten zeigt sich im A-Sortiment, dass die begrannte Sorte Foxx, LG Character und die Hybride Hyvega ihre Leistungen halten konnten sowie Kandidaten sein könnten, die etablierte A-Weizen verdrängen könnten. Bei Hybridsorten sollte allerdings immer bedacht werden, dass die Saatgutkosten in der Regel deutlich höher ausfallen und ein Anbau zunächst ökonomisch abgewägt werden sollte. Auch bei den B-Weizen, die bereits nun im zweiten Prüfjahr sind, sind bereits sehr vielversprechende Sorten zu beobachten. Besonders die Sorten KWS Donovan und die EU-Sorte Chevignon zeigten hier in beiden Intensitätsstufe deutlich überdurchschnittliche Erträge. Ein hohes Ertragsniveau zeigt auch die C-Sorte KWS Keitum. Des Weiteren zeigten in ihrem ersten Prüfjahr besonders die A-Weizen KWS Imperium, Akasha und SU Jone überdurchschnittliche Erträge. Um die zweijährig- bzw. einjährig geprüften Sorten bessern einschätzen zu können, müssen die nächsten Prüfjahre abgewartet werden.

Sortenempfehlungen zur Aussaat 2021

Auch wenn der quantitative Ertrag meist zuerst ins Auge fällt und so vielleicht zu vorschnellen Sortenentscheidungen führen kann, sollten doch immer auch die weiteren Sorteneigenschaften bei der Sortenwahl berücksichtigt werden. Natürlich hat an erster Stelle das Produktionsziel (Vermarktung an eine Mühle oder Verwendung für die Veredlung) bei der Sortenwahl Vorrang. Danach sollten aber neben den Ertragseigenschaften auch die sortenspezifischen Krankheitsresistenzen oder Lagerneigungen betrachtet werden, um ein schätzen zu können worauf im Anbaujahr besonders geachtet und eventuell gegengesteuert werden müsste. Auch die betriebseigenen Voraussetzungen wie Standort und Fruchtfolgegestaltung haben hier Einfluss. Aber auch die zunehmenden Restriktionen erfordern es ein Augenmerk auf das gesundheitliche Profil der Sorten zu legen. Besonders die Resistenzzüchtungen gegen Gelb- und Braunrost haben in den letzten Jahren größere Sprünge gemacht. Beim Gelbrost kann dies auf den gefürchteten Warrior-Stamm zurückgeführt werden, der Mitte der 2010er zu starken Ertragsausfällen führte und dadurch dringender Handlungsbedarf seitens der Züchtung bestand. Doch auch Jahre wie 2021 zeigt wie bedeutend eine gute Widerstandskraft gegenüber Ährenfusarium sein kann.

Letztendlich ist die Sortenwahl immer eine Sache des Abwägens und eine betriebsindividuelle Entscheidung. Die beschreibende Sortenliste des Bundessortenamts (BSA) kann eine wichtige Orientierungshilfe zur Charakterisierung der Sorten sein. Ein Auszug aus der Liste, in der sich die hier geprüften Winterweizensorten befinden, ist in der Tabelle 5 zu finden. Detaillierte Sortenbeschreibungen der aktuell geprüften Winterweizensorten finden Sie auch als Audiodateien zum Nachhören auf der Homepage oder dem YouTube-Kanal des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen.

Die folgenden Empfehlungen beziehen sich ausschließlich auf das im LSV Winterweizen 2020/2021 geprüfte Sortiment. Sortenempfehlungen zur Aussaat 2021 für das frühreife Winterweizensortiment oder bereits langjährige in der Praxis etablierte Sorten können im Beitrag Wintergetreide: Sortenempfehlungen für Hessen 2021  abgerufen werden.

A-Sortiment

RGT Reform (RAGT Saaten, Zulassung 2014) ist bereits in der Praxis weit etablierte Sorte. Sie zeichnet sich mit über Jahre konstante Erträge aus, die aber auch nicht mehr ganz das Niveau der neuen Sorten erreichen. Der Rohproteingehalt fällt häufig (auch in diesem Jahr) etwas knapp aus, dafür verfügt die Sorte über eine sehr hohe Fallzahl mit hoher Fallzahlstabilität. In diesem Jahr lagen ihre Sedimentationswerte im guten oberen Bereich, was sich mit der Einstufung des BSA deckt.  Die Blatt- und Ährengesundheit liegt im guten Mittelfeld mit besonderer Resistenz gegenüber Mehltau und Braunrost.

Zweijährig geprüft, zeigen sich zwei weiter Sorten des A-Segments für den Probeanbau empfehlenswert:

In beiden Prüfjahren konnte die begrannte Sorte Foxx (IG Pflanzenzucht, Zulassung 2019) mit überdurchschnittlichen Erträgen und einem im Vergleich höheren Rohproteingehalt aufwarten. Die Fallzahlen fallen hoch und sehr stabil aus. Die Abreife von Foxx liegt im mittleren Bereich, gleiches gilt für die Neigung zum Lager. Auch die allgemeine Krankheitsresistenz liegt im mittleren Bereich mit einer erhöhten Anfälligkeit gegenüber Braunrost und einer guten Resistenz gegenüber Gelbrost. Für Foxx kann eine Empfehlung für den Probeanbau ausgesprochen werden.

LG Character (Limagrain, Zulassung 2020) befindet sich ebenfalls im zweiten Prüfjahr. Bisher lieferte die Sorte stabile Erträge bei einem für einen A-Weizen soliden Rohproteingehalt. Die Fallzahl fällt eher knapp, dafür aber stabil aus. Ihre Abreife ist als mittelspät eingestuft.  Bei mittlerer Wuchshöhe kann sie leichte Defizite in der Standfestigkeit zeigen. Hinsichtlich der Blattgesundheit bewegt sich die Sorte im mittleren Bereich mit einer guten Resistenz gegen einen Befall mit Mehltau. Aufgrund der mittleren Anfälligkeit für Ährenfusarium sollte sie nicht nach Mais in der Fruchtfolge stehen. Für LG Character kann ebenfalls eine Empfehlung für den Probeanbau ausgesprochen werden.

B-Sortiment

Auch nach mehr als drei Prüfjahren kann Informer (SZ Breun / Limagrain, Zulassung 2018) weiterhin empfohlen werden. Die B-Weizensorte zeigt stabile und leicht überdurchschnittliche Erträge bei guten Fallzahlen und hoher Fallzahlstabilität. Die Reife von Informer ist eher als mittelspät einzuordnen. Bei mittlerer Wuchshöhe zeigt Informer eine ausreichende Standfestigkeit. Gleichzeitig zeigt Informer eine gute Winterhärte. Bei der sonst schon guten Blattgesundheit sind besonders die sehr guten Resistenzen gegen Gelbrost und Mehltau hervorzuheben. Die mittlere Toleranz gegenüber Ährenfusarium sollte bei der Gestaltung der Fruchtfolge oder der Planung einer Behandlung berücksichtigt werden (kein Anbau nach Mais).

LG Vertikal (Limagrain, Zulassung 2019) eignet sich aufgrund ihrer Proteingehalte und Fallzahlen besonders als Futterweizen. Die Sorte weist besonders gegenüber Gelb- und Braunrost gute Resistenzen auf, der Rest befindet sich im Mittelfeld. Auch hier sollte eine mögliche Infektion mit Ährenfusarium im Hinterkopf behalten werden und der Anbau nach Mais vermieden werden.

In drei Jahren Prüfdauer konnte Campesino (Secobra Saatzucht, Zulassung 2019) mit überdurchschnittlichen Erträgen überzeugen. In der Stufe 2 konnte sie in 2021 nur einen geringeren Nutzen aus einer Behandlung ziehen als der Durchschnitt. Im Vergleich zu den anderen Sorten liegt ihr Proteingehalt eher im niedrigen Bereich. Campesino verfügt über eine mittlere bis gute Standfestigkeit. Für die Sorten sprechen gute Resistenzen gegen einige Blattkrankheiten. Eine Schwäche ist die Anfälligkeit gegenüber DTR, dies sollte im Auge behalten werden. Auch bei dieser Sorte sollte aufgrund der Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium kein Anbau nach Mais erfolgen.

Auch im B-Segment zeigen sich zwei Sorten für den Probeanbau empfehlenswert:

KWS Donovan (KWS, Zulassung 2020) kann nach zwei Jahren erstmals zum Probeanbau vorgeschlagen werden. Besonders in der reduzierten aber auch in der optimierten Variante lieferte die Sorte in diesem Jahr deutlich überdurchschnittliche Erträge auf allen Versuchsstandorten und zählt zu den ertragsstärksten Sorten. Im Vergleich zu den anderen geprüften Sorten konnte sie zudem mit einem überdurchschnittlichen Rohproteingehalt punkten. Die Reife liegt im mittleren Bereich, gleiches gilt für die Pflanzenlänge bei mittlere Standfestigkeit. Hinzu kommen noch gute bis sehr gute Resistenzen gegen Halmbruch, Mehltau und Gelbrost. Eine deutliche Schwachstelle der Sorte ist ihr hohe Anfälligkeit gegenüber Braunrost, hier sollte das Befallsgeschehen dringend beobachtet werden. Auch der Anbau in Maisfruchtfolgen ist aufgrund der erhöhten Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium zu vermeiden.

Die EU-Sorte Chevignon (Hauptsaaten, EU-Zulassung 2017) zeigte sich in den ersten beiden Prüfjahren mit im Mittel überdurchschnittlichen Erträgen. An den Standorten Friedberg und Griesheim fielen die Erträge in der zweiten Stufe etwas ab. Der Rohproteingehalt und Sedimentationswert liegen in 2021 eher im mittleren bis leicht unterdurchschnittlichen Bereich, die Fallzahl fällt dagegen überdurchschnittlich aus. Die Sorte verfügt über gute bis sehr gute Resistenzen gegenüber Mehltau und Gelbrost, eine Behandlung gegen DTR sollte eingeplant werden. Nach zweijähriger Prüfung kann die Sorte für den Probeanbau empfohlen werden.

C-Sortiment

Bei KWS Keitum (KWS, Zulassung 2020) handelt es sich um die derzeit einzige C-Weizensorte im hessischen LSV Winterweizen. Sie ist nun im zweiten Jahr der Prüfung und besticht auch dieses Mal wieder mit überdurchschnittlichen Erträgen auf fast allen Standorten. Am Standort Bad Hersfeld hingegen liegt die Ertragsleistung deutlich unter dem Durchschnitt. Sehr gute Resistenzen gegenüber Mehltau und Gelbrost sowie eine leicht erhöhte Resistenz gegen Ährenfusarium werten die sonst im guten Mittelfeld liegenden Resistenzen nochmals merklich auf. Entsprechend der C-Weizenqualität erzielt die Sorte leicht unterdurchschnittlichen Qualitäten beim Rohproteingehalt, der Fallzahl und dem Sedimentationswert. Erste Ergebnisse aus andere Bundesländern weisen jedoch auf Schwächen in der Winterhärte hin.

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