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Ergebnisse der LSV Winterweizen – frühes Sortiment 2020/21 & Empfehlungen

Besonders in Jahren, die von Trockenheit und Hitze geprägt sind, können frühreife Winterweizensorten eine interessante Alternative gegenüber mittleren und später abreifenden Sorten sein. Während die zuletzt genannten Sorten unter Trocken- und Hitzestress ihre Abreife beschleunigen und damit Ertragsverlust einhergehen können, können zu diesem Zeitpunkt die frühreifen Sorten bereits ihre Kornfüllung abgeschlossen haben und damit auch gegebenenfalls stabilere Erträge liefern. Zudem kann eine beschleunigte Abreife zu einer Entzerrung der Arbeitsspitzen während des Erntezeitraums führen, da die frühreifen Sorten in der Regel wenige Tage bis zu einer guten Woche den weiteren Sorten voraus sind. Insgesamt wird auf diese Weise auch mehr Zeit für Bodenbearbeitung und die Entwicklung einer Nachfrucht einräumt. Daneben können Pflanzenschutz-, Wachstumsregler- oder Düngemaßnahmen bei einer schnelleren Entwicklung zu einem frühen Zeitpunkt stattfinden und damit die saisonal anfallenden Arbeiten besser verteilen.

Potenziale der frühen Sorten konnten aufgrund der Witterung nicht ausgeschöpft werden

Besonders in den trockenen und heißen Jahren 2019 und 2020 konnten die frühreifen Sorten im südhessischen Griesheim im Landessortenversuch (LSV) mit deutlicher Ertragsüberlegenheit gegenüber den mittel- und spätreifen Sorten aufwarten. Gerade auf trockeneren und ertragsschwachen Standorten können die frühen Sorten einen Vorteil gegenüber den normal abreifenden Sorten bieten. Bei einigen frühen Sorten kommt zudem ein weiterer Faktor hinzu: die Begrannung. Meist wird Grannenweizen bevorzugt dort angebaut, wo ein Schutz vor Wildverbiss und Vogelfraß notwendig ist. Daneben gilt Grannenweizen aber auch als besonders trockentolerant, da die Verdunstung durch die Grannen verringert wird. Zwar waren laut dem Copernicus Climate Change Service gesamteuropäisch betrachtet die Sommermonate 2021 die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnung von 1979 [climate.copernicus.eu], die Temperaturverteilung über den Kontinent war aber zweigeteilt. Besonders im nördlichen Europa waren die Temperaturen eher leicht unterdurchschnittlich, während im Mittelmeerraum Hitzerekorde erzielt wurden.

Das Anbaujahr 2020/2021 begann alles andere als günstig: durch die Trockenheit im Herbst 2020 gestaltet sich eine Aussaat zunächst schwierig, eine verhältnismäßig warme Herbstwitterung sorgte dann dafür, dass sich die Bestände sehr zügig entwickelten. Im Frühjahr zeigte sich dann, dass eine teils starke Bestockung und ein Überwachsen der Bestände regional die Folgen waren. Anfang 2021 kam es wiederholt zu Kälteperioden und -einbrüchen, die besonders Mitte Februar stark ausfielen. Auf Sonnenschein wartete man im Mai vergeblich, der laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) nur mit einer unterdurchschnittlichen Sonneneinstrahlung daherkam. Nach einem sehr warmen und trockenen Juni folgte dann bis zur Ernte ein verregneter Sommer, der letztendlich nicht nur die Ernte erschwerte, sondern auch den Krankheitsdruck mit Septoria-Blattflecken (Septoria tritici) in die Höhe trieb. Je nach Standort, Vorfrucht und Sorte konnte auch Ährenfusariosen (Fusarium graminearum) beobachtet werden. Am LSV-Standort Friedberg konnte zudem ein deutlicher Befall mit Schneeschimmel (Microdochim nivale) festgestellt werden, der sich durch beide Behandlungsintensitäten zog. Vor der Ernte kam es zusätzlich zu Lagerereignissen, die aber glücklicherweise nicht das Ausmaß der Wintergerste im selben Jahr erreichte. Die genannten Bedingungen lassen bereits vermuten, dass das Potenzial, welches die frühen Sorten mitbringen können, in diesem Jahr besonders witterungsbedingt nicht ausgeschöpft werden konnte.

Ertragseinbruch bei allen sieben geprüften Sorten

Die Landessortenversuche zum frühen Sortiment des Winterweizens werden an drei hessischen Standorten (Friedberg, Griesheim und Bad Hersfeld) durchgeführt. Eine Sorte gilt als frühreif, wenn sie laut der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamts mit der Boniturnote 4 (mittel bis früh) oder geringer hinsichtlich der Reife eingestuft wurde. Neu im Sortiment waren in diesem Jahr die beiden EU-Sorten Chevignon und RGT Volupto. Auch befinden sich zwei Grannenweizen in der Prüfung. Die Prüfungen erfolgen nach wissenschaftlichen Standards, die Ergebnisse werden neutral und unabhängig bewertet. An den jeweiligen Standorten werden die geprüften Sortimente unter den gleichen Bedingungen behandelt. Das bedeutet, dass sie jeweils mit der gleichen Menge an Nährstoffen versorgt und mit der gleichen Intensität hinsichtlich Pflanzenschutzmitteln und Wachstumsreglern behandelt werden. Hierbei werden zwei Intensitätsstufe angesetzt: Eine reduzierte Variante ohne den Einsatz von Fungiziden und mit einer reduzierten Aufwandmenge an Wachstumsreglern (Stufe 1) und eine Variante mit einem standortangepassten Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern (Stufe 2). Durch die zwei Varianten kann direkt vergleichen werden, ob sich ein erhöhter Input positiv auf den quantitativen aber auch qualitativen Ertrag auswirkt. Die Bestände werden regelmäßig bonitiert, um ihr Wachstum, ihre Entwicklung und gegebenenfalls auftretende Pflanzenkrankheiten zu erfassen. Die Auswertung der Qualitätsparameter wie Eiweißgehalt oder Fallzahl erfolgt objektiv durch den Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL).

Im Laufe der Erntesaison 2021 zeichnete sich bereits ab, dass trotz zunächst optimistischer Ertragserwartungen, Qualitäten und Erträge vieler Kulturen deutlich unterhalb der erhofften Marke lagen. Beim frühen Sortiment des Winterweizens zeigt sich hier ebenfalls keine Trendumkehr. Im Mittel der Bezugsbasissorten konnte in der reduzierten Intensitätsstufe 72,7 dt/ha und in der optimierten Intensitätsstufe 77,6 dt/ha eingefahren werden ( Tabelle 1 ). Die höchsten Erträge konnten in beiden Stufen am Standort Friedberg erzielt werden (reduziert: 89,1 dt/ha; optimiert: 96,7 dt/ha). Hier stachen in der reduzierten Variante besonders die Sorten Porthus (93,7 dt/ha), ein einjährig geprüfte Chevignon (92,0 dt/ha) und die begrannte Complice (91,7 dt/ha) hervor. In der behandelten Variante waren hier Lemmy (99,9 dt/ha), Complice (99,4 dt/ha) und Chevignon (97,6 dt/ha) vergleichsweise stark. Besonders geringe mittlere Erträge brachte in diesem Jahr der Standort Griesheim hervor (reidziert: 62,1 dt/ha; optimiert: 62,4 dt/ha), wo in den Vorjahren noch sehr gute Ergebnisse im frühen Sortiment erzielt werden konnten. Sind die frühreifen Sorten an diesem Standort in den letzten Jahren idR überlegen gewesen, konnten diesjährig im Vergleich zu den LSV-Ergebnisse kein ertaglicher Vorteil der frühreifen Sorten gefunden werden. Im Schnitt über alle Standorte lag in der reduzierten Variante die Sorte Complice mit 79,1 dt/ha vorne und die drauffolgenden Porthus (74,0 dt/ha) und Lemmy (73,9 dt/ha) gleichauf. Die einjährig geprüfte Chevignon ist mit 75,0 dt/ha ebenfalls vorne mit dabei. In der behandelten Variante ist ebenfalls wieder Complice am oberen Ende mit 84,7 dt/ha vertreten. Danach folgen Chevignon mit 81,2 dt/ha und Lemmy mit 79,5 dt/ha.

Nicht erst bei dem Vergleich der mittleren Ertragszahlen mit den Werten von 2020 (reduziert: 107,5 dt/ha; optimiert: 115,7 dt/ha) und 2019 (reduziert: 90,5 dt/ha; optimiert: 99,8 dt/ha) fällt auf, dass auch das frühe Sortiment des Winterweizens durch die Gegebenheiten der Witterung in 2021 stark negativ beeinflusst wurde und die Erträge dadurch sogar noch niedriger ausfallen, als in den vorherigen heißen und trockenen Jahren. Folglich konnten die frühreifen Sorten ihr Potential diesjährig nicht ganz ausschöpfen und nicht von ihren Vorteilen profitieren.

Zugewinn durch Behandlungen überschaubar

Zusätzliche Behandlungen konnten in 2021 die Erträge der frühen Weizensorten nur geringfügig anheben. Den stärksten mittleren Zugewinn mit 7,7 dt/ha konnte bei der Sorte Rubisko verzeichnet werden, die damit in der behandelten Variante knapp auf das mittlere Niveau kommt. Bei den mehrjährig geprüften Sorten Lemmy und Complice kamen jeweils noch zusätzliche 5,6 dt/ha nach einer erfolgten Behandlung hinzu. Chevignon und RGT Volupto, die in diesem Jahr erstmals geprüft wurden, brachte eine Behandlung einen Zugewinn von 6,2 dt/ha. Obwohl durch die teils guten Infektionsbedingungen in diesem Jahr Blatt- und Halmkrankheiten eine nicht unbedeutende Rolle spielten (siehe oben), konnten weitere Behandlungen die Erträge nicht absichern und brachten über den gesamten Versuchsdurchschnitt nur zusätzliche 5,0 dt/ha ( Tabelle 2 ), was merklich unter den Vorjahreswerten der beiden trockenen Jahre (2020: 10,5 dt/ha; 2019: 8,1) lag. Besonders die witterungsbedingte starke Bestockung der Bestände und die geringe Sonneneinstrahlung im Mai können hier als Ursachen gesehen werden.

Porthus recht stabil auf hohem Niveau, Lemmy überrascht im dritten Jahr

Trotz alledem zeigen sich die mehrjährig geprüften Sorten Rubisko, Lemmy und Porthus unter den verschiedenen Jahreseinflüssen insgesamt auf durchschnittlichem Ertragsniveau in beiden Varianten, jeweils mit kleinere Ausreißern nach unten und oben in den verschiedenen Jahren ( Tabelle 3 ). Nach erfolgter dreijähriger Prüfung zeigt Porthus weiterhin überdurchschnittliche und stabile Leistungen in der optimierten Variante ( Tabelle 3 ). Von einer Behandlung in 2021 konnte die Sorte allerdings nicht so stark profitieren wie in den Vorjahren und fällt leicht unter den Durchschnitt in der zweiten Intensitätsstufe. Um die Erträge abzusichern war bei Lemmy in den vergangenen Jahren in der Regel eine Behandlung nötig. Unter den Bedingungen von 2021 zeigte die Sorte, dass sie sowohl in der reduzierten als auch in der optimierten Variante überdurchschnittliche Erträge liefern kann. Die Leistungen von Rubisko liegen bei einer Behandlung stabil im mittleren Bereich. Nach einen Prüfjahr fällt besonders die EU-Sorte Chevignon ins Auge, die mit und ohne Behandlung deutlich überdurchschnittliche Erträge lieferte. Hier gilt es die Sorte weiter zu beobachten.

Rohprotein niedrig aber häufig noch akzeptabel, sonst gutes Qualitätsniveau

Zumindest ausreichend Qualitätsparameter sind wichtig, damit das Erntegut vom Handel generell und möglichst ohne größere Preisabschläge akzeptiert wird. Beim Weizen besonders entscheiden sind die Kriterien Proteingehalt und -qualität sowie die Fallzahl. Die Proteinqualität wird anhand des Sedimentationswertes eingestuft, der einen Aufschluss über die sortenbedingte Quellfähigkeit der Kleberproteine geben kann. Die Fallzahl gibt Aufschluss, ob über das Wachstum des Weizens verstärkt alpha-Amylasen gebildet wurden. Besonders unter schlechten Wachstumsbedingungen wird dieses stärkeabbauende Enzym vermehrt synthetisiert. Ist der Gehalt an alpha-Amylase zu hoch, kann sich der spätere Teig nicht mehr ausreichend verkleistern und seine Verarbeitung wird deutlich erschwert. Um die Witterungsbeständigkeit einer Sorte einschätzen zu können, können besonders in ungünstigen Jahren die Fallzahl ein aufschlussreicher Parameter sein.

Zum Redaktionsschluss lagen die Qualitätsparameter der LSV-Standorte Friedberg und Griesheim vor. Bad Hersfeld konnte bei der Auswertung daher nicht berücksichtigt werden ( Tabelle 4 ). Der mittlere Rohproteingehalt über beide Standorte lag sowohl in der ersten als auch in der zweiten Intensitätsstufe bei 13,0 %. Damit liegen die mittleren Werte in der zweiten Stufe in 2021 leicht unterhalb der mittleren 13,2 % von 2019, aber überhalb der mittleren Werte der nichtfrühreifen Winterweizensorten (Daten hier nicht dargestellt). In beiden Intensitätsstufen zeigte der Standort Griesheim (Reduziert: 13,6 %; Optimiert: 13,8 %) höhere Werte als der Standort Friedberg (Reduziert: 12,5 %; Optimiert: 12,3 %). Der nun zweijährig geprüfte E-Weizen SY Koniko erreichte in der reduzierten Stufe jeweils auf den Standorten Friedberg und Griesheim 14,1 % und liegt damit oberhalb der für E-Weizen mindesten geforderten 14,0 % Rohproteingehalt. In der optimierten Variante konnte er diese Grenze in Friedberg allerdings nicht überschreiten, so dass er dort nur auf mittlere 13,8 % Rohproteingehalt kommt. Der A-Weizen Lemmy konnte in beiden Intensitätsstufen die für A-Weizen geforderten 13,0 % Rohprotein überschreiten und kam auf mittlere Wert von 14,2 % in der Reduziert und 14,0 % in der Stufe 2. Der A-Weizen Rubisko lag mit 12,5 % (reduziert) und 12,4 % Rohproteingehalt (optimiert) unterhalb der geforderten 13,0 %. Auch hier kann die vergleichsweise hohe Bestockung der Bestände als mögliche Ursache gesehen werden, da dadurch dem Haupttrieb für die Kornfüllung und Proteinsynthese weniger Stickstoff zur Verfügung stand.

Mit mittleren 57 mL in der reduzierten Variante und 56 mL in der optimierten Variante lag der Durchschnitt der jeweiligen Sedimentationswerte oberhalb der für den E-Weizen geforderten 50 mL und für den A-Weizen geforderten 35 mL ( Tabelle 4 ). Aus dem Sortiment stechen in diesem Kontext besonders die Sorten SY Koniko (E-Weizen) und Lemmy, die in beiden Intensitätsstufen Werte von um die 70 mL +/- 1 erreichen. Der Unterschied zwischen den Standorten fällt hier geringer aus, vielmehr sind die Unterschiede zwischen den Sorten deutlich erkennbar.

Für einen E-Weizen gilt, dass er mindestens eine Fallzahl von 280 s erreichen muss. Sowohl in der reduzierten Variante (mittlere 380 s) und auch optimierten Variante (mittlere 373 s) konnten diese Werte von fast allen frühen Sorten erreicht werden. Die einzige Ausnahme bildete Complice in der optimierten Variante am Standort Friedberg. Porthus zeigte mit 447 s in der reduzierten Variante und 421 s in der optimierten Variante die höchsten Werte der mehrjährig geprüften Sorten. Die Neueinsteigerin RGT Volupto konnte in ihrem ersten Jahr mit 429 s (reduziert) und 443 s (optimiert) mithalten. Trotz der feuchten Witterung zur Ernte, zeigten sich die geprüften Sorten hoch in ihrer Fallzahl.

Frühe Winterweizensorten für die Aussaat 2021

Bei der Beurteilung einer Sorte sollten neben der Ertrags- und Qualitätsdaten die Einstufungen des Bundessortenamts hinsichtlich Lager- und Krankheitsanfälligkeit berücksichtigt werden. Ein Auszug aus der aktuellen Beschreibenden Sortenliste ist in Tabelle 5 zu finden. Basierend auf den nun mehrjährig vorliegenden Versuchsdaten und unter Einbezug des Saatbauverbands, VO-Firmen und Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen wird für die Herbstbestellung 2021 aus den frühen Winterweizensegment nach wie vor die Sorte Rubisko für den Anbau empfohlen.

Der Grannenweizen Rubisko (Zulassung 2011, RAGT/Hauptsaaten) zeichnet sich durch eine geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium, Braun- und Gelbrost sowie einer verringerten Neigung zum Lager aus. Allerdings besteht eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Halmbruch. Ihre Erträge verlaufen in beiden Intensitätsstufen stabil im durchschnittlichen bis leicht unterdurchschnittlichen Niveau. Ihr Proteingehalt für einen A-Weizen vergleichsweise niedrig aus, Fallzahl und Sedimentationswert sind im Vergleich zu den anderen geprüften Sorten eher im unteren Mittelfeld.

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