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Ergebnisse des LSV Sojabohne 2022 & Empfehlungen

Die Hitzephasen des Sommers 2022 wirkten sich auch auf die wärmeliebende Kultur Sojabohne negativ aus. Der entstandene Wasserstress bedingt durch anhaltende Trockenphasen begrenzten die Leistungsfähigkeit der Bestände maßgeblich. Gleichzeitig zeigen Sojabohnensorten deutlich Unterschiede in ihrem Abreifeverhalten. Um eine für den hessischen Anbau gut angepasste Sorte zu wählen, bieten die Ergebnisse der Landessortenversuche zu Sojabohne eine solide Entscheidungshilfe.

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Sojabohne ist weltweit die wichtigste Kultur sowohl für die Eiweißerzeugung als auch für die Ölsaatproduktion. Die noch als recht jung im hessischen Anbau zu betitelnde Kultur, wird statistisch erst seit 2016 in ihrer Anbaufläche in Deutschland erfasst. Seit Erfassung hat sich die Anbaufläche in Deutschland bereits mehr als verdreifacht (statistisches Bundesamt 2022), sodass die Sojabohne mittlerweile die drittgrößte Anbaufläche unter den Körnerleguminosen einnimmt (Abb. 1). Zum Vergleich: die Anbaufläche von Soja beträgt ungefähr die Hälfte der Erbsen- und knapp dreiviertel der Ackerbohnenfläche in Deutschland. Einflussfaktoren wie Klimawandel und eine gesteigerte Nachfrage nach hochwertigen, GVO-freier Proteinquellen lässt auch in Hessen die Kultur stetig attraktiver werden. Mit insgesamt 1700 ha ist der hessische Anteil an der deutschen Anbaufläche jedoch nur sehr gering (knapp 3%). Hauptanbauregionen sind Baden-Württemberg und Bayern, sodass rund 76% der Sojabohnenflächen dort zu finden sind (statistisches Bundesamt 2022).

Abbildung 1: Entwicklung der Anbaufläche von Hülsenfrüchten in Deutschland von 2010 bis 2022. Sojabohne erst ab 2016 statistisch erfasst. Sonstige = andere Hülsenfrüchte und Mischkulturen zur Körnergewinnung. Quelle: statistisches Bundesamt (DeStatis), 2022

Wie stark die Wasserversorgung auf die Ertragsleistung wirkt, zeigen die durchschnittlichen Erträge in der Praxis. Das Jahr 2021, welches von überdurchschnittlichen Niederschlägen in den Sommermonaten geprägte war, brachte einen hessischen Durchschnittsertrag von 34 dt/ha mit sich, während das Anbaujahr 2022 mit langen Trockenperioden lediglich 19,8 dt/ha im hessischen Durchschnitt hervorbrachte. Auch im gesamtdeutschen Schnitt wurde eine deutliche Ertragslücke von einer dreiviertel Tonne festgestellt (statistisches Bundesamt 2022).

Eine gute Wasserversorgung ist für die Sojabohne zu mehreren Zeitpunkten notwendig: 1) während der Keimung, 2) zum Ende des generativen Wachstums, sprich zum Ende der Hülsenbildung, und 3) während der Samenfüllung. Die warm-feuchten Aussaatbedingungen im April ermöglichten zunächst einen raschen Aufgang mit einer guten Etablierung der Bestände. Ab Mai wiederrum traten dann die Niederschlagsdefizite sowie später auch die Hitzeperioden ein. Wasserstress zu diesen entscheidenden Phasen wirken sich direkt negativ auf den Ertrag aus. Folglich verkürzte sich die Füllung der Samen und das Absterben der Blätter wurde gefördert. Schlussendlich konnte zudem häufig (deutlich sortenbedingt!) ein Aufplatzen der Hülsen beobachtet werden, da diese hitzestressbedingt zu schnell austrockneten. Hierdurch wird deutlich erkennbar, dass nicht nur der hohe Temperaturanspruch ein begrenzender Anbaufaktor in Deutschland ist.

Die Züchtung bringt jährlich an die hiesigen Bedingungen angepasste Sorten hervor. Zuchtziele sind eine hohe Kornertragsleistung bei gleichzeitig hohen Eiweiß- und Ölertrag. Unter den in unseren Breiten kühleren Anbaubedingungen sind zudem die Ertragsstabilität und vor allem eine sichere Abreife essentielle Parameter für den Anbau. Aktuell sind mit Voraussetzung des landeskulturellen Wertes in Deutschland 27 Sorten zugelassen. Im Jahr 2023 erweiterte sich das Portfolio um weitere acht Sorten. Eine Auswahl derer wird für den hessischen Anbau in den Landessortenversuchen geprüft.

Landessortenversuche Sojabohne 2022

Unterschiede in der Abreife sind deutlich erkennbar

Aufgrund der deutlich ausdifferenzierenden Reifegruppen, werden die Sojabohnensorten in Hessen in zwei Prüfsegmente unterteilt: ein sehr frühes Sortiment (Reifegruppe 000) und ein frühes Sortiment (Reifegruppe 00). Diese beiden Reifegruppen kommen generell für den Anbau in Hessen in Frage, wobei die Sorten der Reifegruppe 00 nur für wirkliche Gunstlagen geeignet sind. Für die Standorteignung wird gerne ein Vergleich zum Körnermais herangezogen. Demnach eignen sich Sorten der Reifegruppe 000 an Standorten, an denen mittelfrühe Körnermaissorten (K 230-250) sicher ausreifen. Das frühe Segment hingegen passt nur auf Standorte, welche auch für den Anbau von mittelspäten Körnermais (K 260-300) geeignet sind. Die Prüfung der Sojabohnensorten findet in Hessen an drei Standorten statt: der südhessische Standort Griesheim im hessischen Ried, der mittelhessische Standort Friedberg (Niederweisel) in der Wetterau und am Landwirtschaftszentrum Eichhof in Bad Hersfeld. Aufgrund des Abreifeverhaltens werden die Sorten der Reifegruppe 000 an allen drei Standorten und die der Reifegruppe 00 nur an den Gunststandorten in Mittel- und Südhessen geprüft. Theoretisch sollten zwischen den beiden Reifegruppen etwa acht Tage Unterschied in der Abreife liegen. Die Übergänge sind dabei jedoch fließend. Selbst innerhalb der Reifegruppen differenzieren die Sorten z.T. noch sehr stark aus. Aus diesem Grund konnte z.B. der Versuch in Bad Hersfeld nicht verwertet werden: platzten bei einigen Sorten bereits die Hülsen auf, waren andere noch deutlich ergrünt. Das spiegelt die immer noch bedeutende Thematik der sicheren Abreife bei der Sojabohne eindrucksvoll wieder. Da in der Vergangenheit viele Sorten aus dem EU-Ausland stammen, handelt es sich bei einigen Prüfkandidaten um EU-Sorten, von denen oft nur unvollständige oder gar keine Sortenbeschreibungen für Deutschland vorliegen. Daher ist es bei der Sojabohne essentiell wichtig, das Abreifeverhalten unter hiesigen klimatischen Bedingungen zu testen und zu überprüfen, ob die angegebene Reifegruppe das Abreifeverhalten auch tatsächlich zutreffend beschreibt. Gleichzeitig gibt es mittlerweile auch einige Sorten, welche die deutsche Wertprüfung durchlaufen haben, sodass Daten zu den regionalen Anbauinformationen vor Aufnahme in den LSV vorliegend sind. In der sehr frühen Reifegruppe (000) wurden in 2022 insgesamt 12 Sorten, in der frühen Reifegruppe (00) fünf Sorten geprüft.

Ertragsdefizite und Ausfälle auch bei den Landessortenversuchen

Üblicherweise variierten die Erträge der Sorten sehr deutlich. Die Witterung verursachte, dass zwei der drei Standorte in 2022 nicht zur Auswertung verwertet werden konnte. Folglich lagen zur vergangenen Ernte nur Daten des Versuchsstandort Friedbergs vor. Die mittleren Erträge der Bezugsbasissorten (alle Sorten die mindestens drei Jahre geprüft sind) von 34,1 dt/ha (Reifegruppe 000) und 35,9 dt/ha (Reifegruppe 00) konnten nicht mit den Spitzenerträgen des sehr guten Erntejahrs 2021 mithalten (Tab. 1 und Tab. 2). Dieses Ergebnis ist jedoch unter den Bedingungen im Sommer 2022 nicht verwunderlich. Beim Vergleich der Sortenmittelwerte zwischen Reifegruppe ergibt sich ein Ertragsvorsprung der später abreifenden Sorten von 1,8 dt/ha. Folglich ist die Ertragslücke mit 180 kg zwischen den beiden Reifegruppen nicht nennenswert.

Der Blick auf die Sorten im Detail zeigt weiterhin, lag Acardia weiterhin und bereits seit mehreren Jahren ertraglich im sehr frühen Reifesegment an der Spitze (Tab. 1). Acardia ist die einzige Sorte in Sortiment, welche sich statistisch signifikant von den übrigen Sorten unterschied. Ebenfalls auf überdurchschnittlichen Niveau, aber ohne Unterschiede zueinander, zeigten sich Nessie PZO, Magnolia PZO, Tasso und RGT Sphinxa. Aber auch Cantate PZO, Sussex und Adelfia zeigten gute Erträge ohne sich signifikant von den vorherig genannten Sorten zu unterscheiden. Das sehr gute Ertragsergebnis konnte Acardia auch mehrjährig bereits zeigen. Bei Betrachtung der mehrjährigen Ergebnisse fällt aber auch auf, wie stark die Ergebnisse in Abhängigkeit des Jahresverlaufs schwankten. Beispielsweise zeigte Merlin in 2021 eine sehr gute Ertragsleistung, wohingegen die Jahre 2020 und 2022 unterdurchschnittlich ausfielen. Dies ist schlichtweg auf die sichere Abreife der Sorte zurückzuführen, welche auch unter kühleren Bedingungen wie in 2021 sicher abreift.

Unter den etwas später abreifenden Sorten (Reifegruppe 00) lag ertraglich in 2022 die Sorte RGT Sakusa an der Spitze, jedoch ohne signifikante Unterschiede zu ES Compositor und Pocahontas. Lediglich zu ES Mentor und ES Liberator konnte sich RGT Sakusa nachweislich ertraglich abheben. Mehrjährig wurde allerdings nur ES Mentor bisher geprüft, welche wohl nicht mehr als eindeutig mittlere, stabile Ertragsleistung in den vergangenen Jahren zeigte (Tab. 2).

Abbildung 2: Überregionale Anbaugebiete des konventionellen Landbaus für Sojabohnen inkl. der Versuchsstandorte des LLHs in Hessen (FB: Friedberg, GRI: Griesheim, HEF: Bad Hersfeld,). Quelle: verändert nach http://geoportal.julius-kuehn.de, 2022

Um eine sichere Bewertung von Sorteneigenschaften zu ermöglichen und die Sortenempfehlungen auf eine breitere Datenbasis zu stellen, werden die hessischen LSV-Ergebnisse gemeinsam mit Daten von Standorten in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern sowie mit Daten aus den vorhergehenden Wertprüfungen verrechnet. Hierfür wurden vorab Anbaugebiete für Sojabohnen im konventionellen Landbau definiert (Abb. 2). Die hessischen Versuchsstandorte fallen demnach in die Anbauregionen „Mittleres Deutschland“ sowie „Vorzugslagen Süddeutschland“. Aufgrund der geringen Datenmenge, wurde jedoch für die überregionale Auswertung ein sog. „Großraum Süd“ eingerichtet. Hierbei fließen alle Ergebnisse aus Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern zusammen. Unter den Sorten der Reifegruppe 000 stellte sich Adelfia in den vergangenen fünf Jahren als Spitzensorte heraus, jedoch ohne signifikanten Unterschied zu den in der Rangfolge nächsten vier folgenden Sorten (Abb. 3). Bei der Reifegruppe 00 ist die Sortendifferenzierung (analog zu den hessischen Daten) noch unklarer. Spitzensorte in der überregionalen Auswertung ist ES Compositor, jedoch ohne signifikante Unterschiede zu den restlichen, geprüften Sorten (Abb. 4). Auch die überregionale, mehrjährige Auswertung belegt für Acardia die höchste Ertragsleistung (Daten nicht abgebildet). Die weitere Rangierung der Sorten stimmt mit den dreijährigen Ergebnissen aus Hessen weitgehend überein. Schwächste Sorte ist Toutatis. Im frühen Sortiment zeigten sich ebenfalls die starken Leistungen von ES Mentor und ES Liberator.

Abbildung 3: Überregional mehrjähriges Ertragsergebnis (relativ) der Sojabohnensorten, Reifegruppe sehr früh (000), im Zeitraum 2018-2022 mit 90%-Konfidenzintervallen für den Großraum Süd
Abbildung 4: Überregional mehrjähriges Ertragsergebnis (relativ) der Sojabohnensorten, Reifegruppe früh, im Zeitraum 2018-2022 mit 90%-Konfidenzintervallen für den Großraum Süd

Für erfolgreichen Anbau harmonische Abreife entscheidend wichtig

Nach wie vor zentral für einen erfolgreichen Anbau ist das passende Abreifeverhalten der Sorten. Nur wenn die Sojabohnen zuverlässig geerntet werden können, ist auch die hohe Ertragsleistung wirksam. Daher ist die sichere Abreife für den Sojaanbau in unseren Breiten immer noch eines der wichtigsten Kriterien der Sortenwahl. In den LSV gibt die Bonitur des Merkmals “Reifeverzögerung des Strohs“ Aufschluss über das Abreifeverhalten für eine gute Beeerntbarkeit. Innerhalb eines Reifesegments treten alljährlich deutliche Unterschiede auf. Die größte Sicherheit in Bezug auf die Abreife bietet weiterhin die Sorte Merlin. Unter den verschiedensten Jahresbedingungen konnte die Sorte bereits langjährig eine zügige und problemlose Abreife zeigen. In Kombination mit stabilen Erträgen ist dann ein sicherer Sojaanbau gegeben, gerade wenn sich neu für den Anbau entschieden wird. Gewisse Verzögerungen im Abreifeverhalten wurden bei Acardia, Cantate PZO und Proteline bonitiert. Im frühen Reifesegment (Reifegruppe 00) zeigten fast alle Sorten Diskrepanzen in der Abreife von Korn und Stroh. Daher können diese nur für Gunststandorte empfohlen werden.

Sojabohnen haben einen sehr niedrigen Hülsenansatz, wodurch bei nicht angepasster Schneidwerktiefe enorme Verluste entstehen können. Vor allem, da die untersten Hülsen meist einen sehr guten Kornbesatz aufweisen. Um eine bessere Beerntbarkeit zu garantieren, ist die Höhe des ersten, unteren Hülsenansatzes ein zentrales Merkmal. Dieses Merkmal ist genetisch bedingt, die Bestandesentwicklung kann aber auch Einfluss darauf haben. Die Sorten variieren diesbezüglich deutlich: zwischen 9 und 17 cm wurden die ersten Hülsenansätze festgestellt. Den im Mittel höchste Hülsenansatz zeigte Asterix (14,6 cm) gefolgt Sussex (13,3 cm) und Nessie PZO (13,0 cm). RGT Sakusa (16,2 cm) und ES Compositor (16,0 cm) wiesen im frühen Reifesortiment (00) die höchsten Hülsenansätze vor.

Rohproteinerträge höher als im Vorjahr

Die Vorzüge der Sojabohnen gegenüber den heimischen Leguminosen liegt ganz klar in dem hohen Rohproteingehalt bei guter Eiweißzusammensetzung. In den hessischen Landessortenversuchen erzielten die Sorten des sehr frühen Reifesegments (000) im Mittel 36,6 % (Tab. 3) und im frühen Reifesegment (00) 36,1 % (Tab. 4) Rohproteingehalt. Gegenüber dem Vorjahr ist das rund 1% mehr – unter günstigen Bedingungen sind sogar Werte bis zu 40 % möglich. Den höchsten Rohproteingehalt im sehr frühen Reifesegment (000) zeigten die Sorten RGT Sphinxa (37,9 %), Cantate PZO und Adelfia (beide 37,4 %). Aber auch die Werte von Sussex, Magnolia PZO, Asterix und Ranger lagen über dem Durchschnitt der geprüften Sorten (Tab. 3). ES Mentor zeigte mit 37,2 % deutlich den höchsten Rohproteingehalt im frühen Reifesegment (00) auf. Aber auch der Rohproteingehalt von ES Liberator lag über dem Durchschnitt (Tab. 4).

Aus der gemeinsamen Betrachtung von Rohproteingehalt und Kornertrag ergibt sich der Rohproteinertrag, sprich die produzierte Eiweißmenge je Hektar. Unter den sehr frühen Sorten (000) erzielt hier Acardaia das beste Ergebnis mit 14,4 dt/ha. Auch Cantate PZO, Nessie PZO und Adelfia erzielen überdurchschnittliche Ergebnisse. Lagen die Proteinerträge von Tasso und Sussex letztes Jahr am unteren Ende, konnten auch diese Sorte in 2022 überdurchschnittliche Proteinerträge erzielen. Schlusslichter sind diesjährig Asterix und Merlin (Tab. 3). Nichtsdestotrotz ist der Rohproteingehalt auch bei den unteren Werten vergleichbar mit dem Durchschnitt der heimischen Sorten. Zum Vergleich: der mittlere Rohproteinertrag der Körnererbsensorten lag in 2022 bei knapp 10 dt/ha. Die Rohproteingehalte im frühen Reifesegment (00) liegen relativ nah beieinander. Höchsten Proteinertrag mit 14 dt/ha zeigte RGT Sakusa, den niedrigsten ES Liberator mit 12,0 dt/ha (Tab. 4). Der Vergleich der beiden Reifesegmente zeigt, dass mitunter die frühe Reifegruppe keine wesentliche Ertragssteigerung mit sich brachte (Tab.3/Tab.4).

Im Hinblick auf die Saatgutkosten ist auch die Tausendkornmasse (TKM) für die Sortenwahl interessant. Kleinkörnige Sorten wie Merlin oder Nessie PZO ermöglichen hier gegebenenfalls Einsparungen. Die Sorten des frühen Reifesegments (00) weißen tendenziell ein eher höheres TKM im Vergleich zu den sehr frühen Sorten (000) auf (Tab.3/Tab.4). Über ein besonders hohes TKM verfügt ES Liberator (Tab. 4).

Sortenempfehlung zur Aussaat 2023

Die Eigenschaften der in Deutschland zugelassenen Sorten sind der beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes zu entnehmen (Tab. 5 und Tab. 6). Auf Basis der LSV-Ergebnisse, werden aus der sehr frühen Reifegruppe 000 die Sorten Acardia und Merlin (sichere Abreife!) für den hessischen Anbau empfohlen. Da sich Adelfia in den ersten beiden Prüfjahren mit guten Leistungen in Hessen zeigte, empfiehlt sich die Sorte für einen Probeanbau. Ausschließlich für Gunstlagen wird unter den Sorten des frühen Reifesegment 00 ES Mentor für den Anbau empfohlen. ES Liberator zeigte nach zwei Jahren vorab gute Ergebnisse, sodass diese Sorte für den Probeanbau in Frage kommt. Für die Vollempfehlung, aber auch Empfehlung von neu zugelassenen Sorten, müssen zunächst weitere Versuchsjahre abgewartete werden. Nur so kann eine fundierte Bewertung der Sorten unter verschiedensten Jahresbedingungen erzielt werden.

Reifegruppe sehr früh (000):

Merlin (Zulassung 1997; Saatbau Linz) ist eine kleinkörnige Sojabohnensorte, die sich vor allem durch eine frühe, gleichmäßige und sehr sichere Abreife auszeichnet. Ihre Erträge sind im Verlauf der Prüfjahre stabil, wenn auch leicht unterdurchschnittlich. In für den hiesigen Anbau kühleren Jahren wie 2021 zeigt sie dennoch als eine der wenigen Sorten eine mögliche Beerntbarkeit. Auch der Rohproteingehalt liegt im leicht unterdurchschnittlichen bis mittleren Bereich, der Ölgehalt liegt über dem Durchschnitt. Besondere Merkmale sind ihre gute Kältetoleranz und Anpassungsfähigkeit, was zur Ertragskonstanz beiträgt. Bei kürzerem Wuchs und früher Blüte verfügt Merlin über eine gute Standfestigkeit.

Acardia (Zulassung Österreich 2018; Saatbau Linz / Saaten-Union) ist eine mittel abreifende Sorte, wobei eine stärkere Reifeverzögerung der Hülsen und Stroh zu beachten ist. Mehrjährig zeigte sich die Sorte sowohl in Hessen als auch überregional sehr ertragsstark. Der Proteingehalt liegt zwar deutlich unter dem Durchschnitt, in Kombination mit dem hohen Ertrag ergibt sich jedoch eine sehr hohe Proteinertragsleistung. Bei mittlerem Wuchs verfügt Acardia über eine gute Standfestigkeit und zeigt mitunter einen etwas höheren ersten Hülsenansatz über dem Boden.

Probeanbau: Adelfia (Zulassung 2021, Saatbau Linz / IG Pflanzenzucht) ist eine Sorte mit frühen Blühbeginn und mittlerer Reife. Die Lagerneigung der Sorte ist gering, ebenso die Reifeverzögerung des Strohs. Nach zwei Prüfjahren, aber auch überregional, zeigt die Sorte sehr gute Ertragsleistungen. Bei überdurchschnittlichen Rohproteingehalten können gute Rohproteinerträge erzielt werden. Der Ölgehalt ist etwas geringer als bei Merlin. Für eine abschließende Bewertung muss die Sorte jedoch diese Leistungen in einem weiteren Prüfjahr zeigen.

Reifegruppe früh (00):

ES Mentor (Zulassung 2009; Euralis) ist eine mittel bis spät abreifende Sorte. Sie bringt sowohl in Hessen als auch überregional konstant mittlere Kornerträge. Der Proteingehalt ist in der beschreibenden Sortenliste als mittel eingestuft, in den hessischen LSV lagen die Werte jedoch häufig darüber. Schlussendlich kann die Sorte dadurch hohe Proteinerträge erzielen. ES Mentor ist kürzer im Wuchs und zeichnet sich durch ihre sehr gute Standfestigkeit aus. Sie zeigte sich in der Jugendentwicklung recht kältetolerant, blüht etwas länger und benötigt für die Abreife ausreichend Wärme. ES Mentor reagiert empfindlich gegenüber Metribuzin.

Probeanbau: ES Liberator (Zulassung 2020; Lidea) ist eine frühblühende, aber mittel bis spät abreifende Sorte. Hervorzuheben ist bei der Sorte die sehr geringe Lagerneigung. Die Ertragsleistung in den ersten beiden Jahren ist schwankend, schlussendlich aber auf einem hohen Niveau. Bedingt durch eine hohen Rohproteingehalt können sich auf diese Weise sehr hohe Rohproteinerträge ergeben. Gerade aufgrund der schwankenden Einzeljahresergebnisse, muss für eine abschließende Bewertung der Sorte ein weiteres Prüfjahr abgewartet werden. Die hohe Tausendkornmasse ist bei der Sorte zu beachten.

Der Fokus bei der Sortenwahl sollte nach wie vor auf der Ertragssicherheit im Sinne einer gegebenen Abreife liegen. Die höchsten Ertragspotentiale und interessantesten Sorte führen nicht zum Erfolg, wenn schlussendlich die Beerntbarkeit nicht gegeben ist. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigten zudem, dass selbst an Gunststandorten unter suboptimalen Abreifebedingungen die Bestände nicht sicher beerntet werden können. Daher sollte die Wahl auf eine 00er-Sorte nur bei Anbau in Gunstlage fallen, welche jedoch nur für wenige Regionen in Hessen in Frage kommt. Auch wenn aufgrund der längeren Vegetationsperiode den 00-Sorten ein höheres Ertragspotential zugesprochen wird, zeigt der Vergleich der beiden Reifegruppen in den LSV, dass die Differenz nicht in jedem Jahr gerechtfertigt ausfällt. Auch sind viele Sorten verfügbar, welche zwar in benachbarten EU-Ländern zugelassen, aber in Deutschland nicht die offiziellen Prüfungen wie dem LSV durchlaufen haben. Das Abreifeverhalten und die Leistung dieser Sorten kann durch diesen Umstand nicht sicher eingeschätzt werden, weshalb der Anbau mit einem höheren Risiko behaftet ist. Von diesen Sorten sollte folglich eher abgesehen werden. Treten zu der unsicheren Abreife in der Vegetation Lager und Unkrautdurchwuchs hinzu, wird die Beerntbarkeit und auch nachgelagerte Verwendung (Reinigung- und Trocknungskosten fallen an) extrem schwierig. Die Ertragssicherheit sollte daher immer vor Ertragshöhe gestellt werden, damit das Anbaurisiko kalkulierbar bleibt.