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Frostnächte und Kälte: Muss Hessen um die Obsternte bibbern?

Nach den sehr warmen Temperaturen Ende März kam es Anfang April zu winterlichen Verhältnissen, verursacht durch ein stabiles Hoch mit einer Luftströmung polaren Ursprunges. Der diesjährige April lag mit 7,5 °C fast 3 °C unter dem langjährigen Mittel von 10,2 °C und war im Vergleich zum vergangenen Jahr im Schnitt sogar über 5 °C kälter und somit deutlich zu kühl (siehe Abb.1). Insgesamt wurden im April zehn Tage mit Temperaturen unter 0 °C verzeichnet (siehe Abb. 2). Und nicht nur Frostnächte schädigen Blüten und/oder Früchte direkt, auch die kalte Witterung tagsüber (mit maximal 12 °C über mehrere Tage) beeinflusst(e) die Befruchtung bzw. das Pollenschlauchwachstum maßgeblich negativ.

Marina Henning und Marcel Trapp, beide vom LLH Beratungsteam Gartenbau, geben eine Einschätzung zur Lage in den südhessischen Obstanlagen. Dabei gilt zu erwähnen, dass die Frostkontrollen nach den drei aufeinanderfolgenden Frostnächten (12. bis 15. April) durchgeführt wurden. Die eventuell entstandenen Auswirkungen der darauffolgenden Frostereignisse bleiben hier unberücksichtigt.

Abb 1: Niederschlag und Temperatur im langjährigen Vergleich
Abb 2: Witterungsverlauf April 21 am Standort Kriftel

Kühle Witterung beinflusst Befruchtung

Einige hessische Obstanbauer nutzen Hummelkästen in ihren Obstanlagen, um auch bei kühler Witterung die Bestäubung/Befruchtung zu gewährleisten, denn Hummeln sind auch bei kühlen Tagestemperaturen und bei Wind unterwegs. Andere Bestäuberinsekten, insbesondere die Honigbiene, waren bisher aufgrund der Witterung nur an wenigen Tagen vermehrt in den Anlagen zu sehen.

Darüber hinaus befinden sich die Obstgehölze in diesem Jahr in einer witterungsbedingt sehr langen Blühphase. Die Kirschenblüte begann bei frühblühenden Sorten bereits Anfang April, während auf der gleichen Fläche die späten Sorten fünf Wochen nach Blühbeginn der frühen Sorten in die Vollblüte gingen. Die kühle Witterung verringert die Möglichkeit einer effektiven Befruchtung und kann somit den Fruchtbehang deutlich mindern.

Apriltrockenheit könnte zu Fruchtfall führen

Zudem war es im April im Anbaugebiet Südhessen mit nur knapp über 30 mm Niederschlag und einer Verdunstung von 76 mm auch viel zu trocken. Im Oberboden, wo sich die Hauptwurzelzone befindet, zeigt die tensiometrische Messung einen Wert von 500 hPa in 25 cm Tiefe und 270 hPa in 45 cm Tiefe . Diese Werte bedeuten einen zu trockenen Boden. Nach wie vor sind nach den letzten drei trockenen Jahren die tieferen Bodenschichten noch nicht aufgefüllt und dies verstärkt nun das Defizit im Oberboden. Kälte und Trockenheit im Frühjahr begünstigen den Fruchtfall, das Röteln bei den Süßkirschen, den Junifall beim Apfel oder z.B. das Rieseln bei den Johannisbeeren.

Frost setzte auch geschlossenen Blüten zu

Wichtig bei der Beurteilung der Frostschäden ist die sogenannte Feuchttemperatur. Dies ist die niedrigste Temperatur, die durch Verdunstungskälte entsteht und zeigt am besten die kritische Pflanzentemperatur des jeweiligen Entwicklungsstadiums (Blüte, Jungfrucht). Diese lag in der Zeit vom 12. bis 15. April jeweils mit einer Dauer von bis zu 10 Stunden unter 0°C, bis maximal – 4 °C. Im Obstanbaugebiet Kriftel wurden in diesem Zeitraum über sieben Stunden Temperaturen gemessen, die kälter als – 2 °C waren. Der Tiefstwert lag hier über zwei Stunden bei – 3,4 °C. Hier können dann auch Obstkulturen geschädigt werden, bei denen die Knospe noch geschlossen war, z.B. späte Kirschen. Ein ähnliches Bild zeigte sich in Ockstadt, während es im Rheingau an der Messstation deutlich wärmer war. Trotz allem gilt die außergewöhnliche Länge der Frosttemperaturen, die an allen Stationen über mehrere Stunden anhielt, als problematisch.

Fast alle Obstarten zeigen Schäden

Bild 1: Kirsche, geschlossene Knospe
Bild 2: Kirschblüte

Die drei Frostnächte vom 12. bis 15. April werden insbesondere in den Kulturen, die bereits blühten, bzw. dort, wo sich bereits junge Früchte entwickelt haben, zu Ertragseinbußen führen. Ausfälle finden sich beim Steinobst insbesondere in Aprikosen, und Pfirsichen. Hier sind die Lagenunterschiede und die in diesem Jahr sehr unterschiedlichen Entwicklungsstände innerhalb einer Obstart zu berücksichtigen. Bei den Aprikosen waren teilweise bereits junge Früchte entwickelt, die frostempfindlicher sind als die Blüten. Das gilt auch für frühe Pfirsichlagen.

Bei den Kontrollen der Pflanzenschutzberatung nach den Frostereignissen wurde der Ausfall bei Kirschen in empfindlichen Lagen auf ca. 15 bis 25 % beziffert. Selbst in geschlossenen Knospen konnten Schäden festgestellt werden (siehe Bild 1 und 2). Das kann aber je nach Lage stark variieren.

Auch manche Johannis– und Stachelbeersorten waren bereits in Blüte. Während zurzeit bei den Stachelbeeren kaum bis gar keine Schäden gemeldet werden, ist bei den Johannisbeeren zu befürchten, dass ein verstärktes Rieseln einsetzen wird.

Bild 3: Apfel, Ballonstadium
Bild 4: Apfel, Ballon geöffnet
Bild 5: Apfel, grüne Knospe
Bild 6: Apfel, grüne Knospe, geöffnet

In Äpfeln, die während der Frostnächte z. T. im Ballonstadium waren, waren beim Aufschneiden Frostschäden zu erkennen (siehe Bilder 3 und 4). Leider waren auch bereits im Grünknospenstadium (siehe Bilder 5 und 6) sowie im Rotknospenstadium Schäden sichtbar.

Bild 7: Birnenblüten

Bei den Birnen, die sich im Ballonstadium befanden, gab es z.B. an einem Standort in Südhessen bei der Sorte Alexander Lukas nahe 100 % Frostschaden sowie ca. 50 % Schäden in den anderen Birnensorten. In anderen Regionen werden in Frostlagen ebenfalls mittlere bis höhere Schäden angegeben.

In den Erdbeeren kann der Schaden im Freiland in verfrühten Beständen auf mittlerweile ca. 50 % beziffert werden. Frostschutzberegnete Anlagen haben hier deutlich geringere Schäden zu verzeichnen.

Hoher Blütenbesatz könnte frostbedingte Ausfälle ausgleichen

Alles in allem kann aber für unser Baumobst gesagt werden, dass sich der Ausfall nach den Frostnächten im April – bis auf wenige Ausnahmen – in Grenzen hält. Das liegt daran, dass der Blütenbesatz in diesem Jahr im Allgemeinen als hoch zu bezeichnen ist.

Dennoch gestaltet sich die Einschätzung der Schäden als schwierig, da sie je nach Region, Lage, Obstart und Obstsorte recht unterschiedlich ausfallen. Der auffallend starke Unterschied der Phänologie in diesem Jahr innerhalb einer Obstart kommt erschwerend hinzu. Auch zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre, dass so manche Einschätzung nach Frostereignissen nicht immer die richtige war, da die Folgen des Frostes und weitere klimatische Einflüsse bis zum Fruchtfall/Röteln/Rieseln Auswirkungen haben.