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Kunststoffeinsatz in Sonderkulturen – Einsatzgebiete und Alternativen

Im Spannungsfeld zwischen Produktqualität und Produktverfügbarkeit und dem Wunsch nach Plastikverzicht

Folien und Vliese auf Gemüse- und Erdbeerfeldern erfüllen unterschiedlichste Aufgaben und tragen zur Wirtschaftlichkeit der Betriebe bei. Teile der Anbauflächen werden deshalb – zumindest temporär – mit Folien abgedeckt.
In der öffentlichen Wahrnehmung wird Kunststoff auf den Äckern jedoch zunehmend kritisch gesehen. Gleichwohl wollen viele Konsumentinnen und Konsumenten über einen möglichst langen Zeitraum makellose und günstige Spargelstangen, Erdbeeren oder Gemüse. Die Anbaubetriebe stecken in der Zwickmühle.

Vliese und Folien bringen vielfältige Vorteile mit sich

Folien und Vliese können beim Einsatz auf Gemüse- und Erdbeerfeldern unterschiedliche Aufgaben erfüllen. Dazu gehören der Kälteschutz, die Ernteverfrühung und Erntesteuerung und das Unterdrücken von unerwünschten Beikräutern („Unkraut“). Am Beispiel der in Hessen häufig angebauten Kulturen Erdbeere (ca. 1.000 ha 982 ha laut Statistischem Landesamt im Jahr 2023) und Spargel (ca. 1.500 ha; 1.492 ha laut Statistischem Landesamt im Jahr 2023) soll dies dargestellt werden.

Ein Abdecken der Kulturen mit Folie oder Vliese schützt die Pflanzen vor Kälte und Frost; die empfindlichen Blüten und Früchte vor Spätfrösten. Gleichzeitig ermöglichen sie einen früheren Anbau und damit eine frühere Ernte. Für Betriebe ist eine teilweise Verfrühung der Ernte sinnvoll, da sich durch ein frühes Angebot am Markt häufig höhere Preise realisieren lassen als später in der Saison. Zudem verlängert sich so der Angebotszeitraum von Saisonkulturen wie Erdbeeren.

Die maximale Verfrühungswirkung erreicht man bei Erdbeeren im befahrbaren Folientunnel. Durch die Sonneneinstrahlung erwärmt sich der Tunnel bereits im zeitigen Frühjahr. Dadurch ist ein Erntebeginn bei frühen Erdbeersorten schon um den 25. April herum möglich. Die Tunnel bleiben bis Ernteende stehen. Die Tunnelfolie wird mehrere Jahre lang genutzt, bevor sie dem Recycling zugeführt wird.
Im Freilandanbau kann eine Verfrühung durch eine Flachabdeckung erreicht werden. Üblich ist eine einfache Vliesauflage oder auch eine Doppelabdeckung aus Vlies und transparenter Lochfolie. Der Anteil dieser Verfrühungsverfahren ist in den letzten Jahren rückläufig, der Anteil der Hochtunnel hat deutlich zugenommen.

Im Erdbeeranbau wird zunehmend nicht mehr flach in den offenen Boden gepflanzt, sondern auf Erddämme, die mit Mulchfolie überzogen sind. In Abhängigkeit vom verwendeten Dammformer werden die Dämme 1- oder 2-reihig bepflanzt. Grundsätzlich bieten Foliendämme mehrere Vorteile: Der Boden erwärmt sich bei schwarzer Mulchfolie schneller. Dies sorgt für einen Verfrühungseffekt im Erntejahr. Die Verdunstung des Beregnungswassers, das über einen unterirdisch verlegten Tropfschlauch in den Boden gelangt, wird minimiert und somit Wasser eingespart. Der Unkrautbewuchs wird unterdrückt und somit besteht die Möglichkeit, den Herbizideinsatz zu verringern. Bei Verwendung von weißer Folie verzögert sich die Ernte und verlängert damit den Erntezeitraum im Betrieb. Nicht zuletzt ermöglicht der (im Vergleich zum Bodenniveau) erhöhte Anbau ein etwas rückenschonenderes Arbeiten.

Auch beim der Spargelanbau steuern die schwarz-weißen Folien die Wachstumsgeschwindigkeit der Spargelstangen und unterdrücken Unkräuter. Zudem führt der Folieneinsatz zu einer Arbeitserleichterung: Im bedeckten Spargeldamm bleibt die Erde unter der Folie lockerer und ermöglicht so ein angenehmeres Spargelstechen. Die im Spargelanbau verwendeten schwarz-weißen Folien halten ungefähr acht Jahre lang, also in etwa so lange, wie eine Spargelanlage beerntet wird.

Kunststoffvermeidung und -reduktion: Ein wichtiges Beratungsthema

Trotz der vielfältigen Nutzen wird der Folien- und Vlieseinsatz in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch gesehen: Die optische Beeinträchtigung des Landschaftsbildes, das mögliche Verbleiben von Kunststoffresten in der Natur und die Versiegelung der Flächen sind Aspekte, die in diesem Themenfeld genannt werden. Eine Vermeidung oder zumindest Reduzierung des Kunststoffeinsatzes auf den Äckern ist nicht nur Wunsch von Gesellschaft und Politik, sondern auch von Gärtnerinnen und Gärtnern. Hier ergeben sich für Betriebe und Beratung folgende Ansatzpunkte:

Wirtschaftlich betrachtet sind der Reduzierung und dem Verzicht von Kunststofffolien enge Grenzen gesetzt. Denn die Kostenvorteile, die sich aus dem Folieneinsatz ergeben, sind oft schon seit vielen Jahren an die Kunden in Form von Produktqualität oder Preisstabilität, oder an Mitarbeitende in Form von Lohnerhöhungen und Arbeitserleichterungen weitergegeben worden. Notwendige Produktpreissteigerungen lassen sich nur schwer realisieren.

Neben Polyethylen-Folien können auch abbaubare Mulchfolien aus Maisstärke verwendet werden. Diese Folien verfügen über sehr ähnliche Verlegeeigenschaften wie solche aus Polyethylen. Optisch sind sie nicht zu unterscheiden.

Biologisch abbaubare Produkte, sowie organische Mulchmaterialien können in vielen Fällen sinnvolle Alternativen sein, haben jedoch ihre Grenzen, sobald eine lange Haltbarkeit der Folien und Vliese gewünscht ist. Werden im Erdbeeranbau abbaubare Mulchfolien eingesetzt, so ist bei Pflanzung im Sommer eine Ernte im Folgejahr möglich; eine längere Standdauer ist auf Grund des Zersetzungsprozesses kaum erreichbar. Der Damm verliert an Stabilität; die Konkurrenz durch Unkräuter nimmt zu.

Mehr Wiederverwertung

Eine weitere Alternative ist die Wiederverwertung der herkömmlichen Abdeckfolien und -vliese. Nach dem Ende der Nutzungsdauer können sie über regionale Sammelstellen der stofflichen Verwertung zugeführt werden. In den vergangenen Jahren hat sich ein bundesweites Rücknahme- und Verwertungssystem für Erntekunststoffe in Deutschland (ERDE) etabliert, dessen Ziel es ist, Erntekunststoffe über stoffliche Verwertung erfolgreich in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Nach Pilotprojekten im Jahr 2020 gibt es seit der Saison 2021 einen bundesweiten Service für die Sammlung gebrauchter Spargel- und Lochfolien. Inzwischen wurde der Service auch auf Ernteverfrühungsvliese und Mulchfolien ausgedehnt, sowie ein Pilotprojekt zum Recycling von Gewächshausfolien gestartet.