Sortenerhaltung Süßkirschen
Süßkirschen: Am besten schmeckt´s vom Baum
Die Nachfrage nach regionalen und frischen Produktion steigt. Auf der Süßkirschen-Versuchsanlage in Wendershausen erprobte der LLH 2020 erstmals die Selbsternte als zusätzlichen Direktvermarktungsweg für Süßkirschen. Hier fassen wir die Erfahrungen zusammen.
Frisch, Frischer, Selbsternte
Es ist kein Geheimnis: Der Anteil an wertvollen Inhaltsstoffen hängt bei Obst und Gemüse von der Frische ab, die sich außerdem durch Geschmack, Festigkeit und Färbung kenntlich macht. Weiterhin spielen Erntezeitpunkt, Frischhaltetechnik und Zeit bis zum Verkauf und Verzehr eine Rolle. Der Großteil der frischen Produkte wird in Supermärkten oft unter Einsatz verschiedener Frischhalte-Techniken angeboten. Auf Wochenmärkten oder durch Direktvermarktung hingegen werden überwiegend saisonale Produkte aus der Region angeboten. Hier sind die Wege und die Zeitspanne zwischen Ernte und Verkauf in der Regel am kürzesten und eine Haltbarmachung unter Technikeinsatz unnötig. Wer in Punkto Frische nichts falsch machen möchte, setzt auf den eigenen Garten oder hat das Glück, ein Selbsterntefeld in seiner Nähe zu haben.
Die Selbsternte als eine Form der direkten Vermarktung gartenbaulicher Erzeugnisse während der Saison ist seit einigen Jahren bei Erdbeeren, Strauchbeeren und Gemüse auf dem Vormarsch. Anbau und Pflege der Kulturen werden von erfahrenen Erzeugern gewährleistet, sodass eine gute Qualität gegeben ist.
Für Baumobst gab es bisher meist Konzepte auf kommunaler Ebene. Beispielhaft sei das Losverfahren für im öffentlichen Raum stehende Obstbäume an Feldrändern und auf Streuobstflächen genannt. Da hier die Besitzrechte nach Außen oft nicht eindeutig sind, kommt es häufig zu Mundraub.
Auch eine fachlich basierte Baumpflege kann bei vielen Konzepten nicht dauerhaft durchgeführt werden. Darunter leidet die Fruchtqualität. Sie wird den steigenden Ansprüchen an Tafelobst nicht mehr gerecht. Die Selbsternte auf Obstbaubetrieben stellt hier eine nachhaltige Lösung dar.
Süßkirschen: kleinkronige Bäume erleichtern die Ernte
Äpfel, Birnen und Pflaumen können mit Pflückhilfen geerntet oder geschüttelt werden. Kirschen müssen allerdings von Hand geerntet werden. Bei Baumgrößen von bis zu 15 Metern ist die Unfallgefahr und der Aufwand für Pflegemaßnahmen und Ernte relativ hoch.In den 90er Jahren kamen die ersten kleinkronigen Gisela-Süßkirschenbäume, die in der Versuchsanlage in Wendershausen selektiert wurden, auf den Markt. Seitdem erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit unter Erwerbsobstbauern und unter Hausgärtnern. Die Früchte können Großteils vom Boden aus gepflückt werden. Ein weiterer Vorteil gegenüber Hochstämmen: der Ertrag setzt nach nur wenigen Jahren ein.
Mit dem richtigen Konzept wird die Selbsternte zum Erfolg
In der Witzenhäuser Region wird eine Selbsternte von Süßkirschen bisher weder dauerhaft noch flächendeckend angeboten, obwohl die Nachfrage steigt. Obstbauern begründen dies oft mit der Sorge, dass die Baumgesundheit durch unsachgemäßen Umgang gefährdet werden könnte. Zudem würden die Bäume oft nicht akribisch genug beerntet, es blieben viele Früchte am Baum zurück.
Um ein Konzept für eine erfolgreiche Selbsternte zu erstellen, wurde letztes Jahr in der Süßkirschen-Versuchsanlage Wendershausen erstmalig eine Selbsternte angeboten. Hier fassen wir die Erfahrungen, auch mit Blick auf die Umsetzung der Corona-Hygiene-Maßnahmen, zusammen.
Versuchsanlage Wendershausen: Ablauf der Selbsternte
Durch Öffentlichkeitsarbeit (Website, Social media, Radio) wurden Interessierte vorab über Öffnungszeiten und Anfahrt informiert. Eine Beschilderung zur Versuchsanlage wurde aufgestellt und sowie eine Person für die Verkehrsführung eingesetzt. Parkmöglichkeiten wurden geschaffen und gesichert.
Bei Ankunft wurden die Besucher über Plakate und mündliche Aufrufe gebeten, die vorher abgestimmten Hygienevorschriften einzuhalten. Nach dem Ermitteln des Taragewichts der mitgebrachten Gefäße wurden Kunden in das richtige und sichere Ernten eingeführt.
Süßkirschen sind mit weltweit über 1000 Sorten sehr vielfältig. Bei der Selbsternte konnten sich Besucher von der hohen Sortenvielfalt in der Versuchsanlage beeindrucken lassen. Die Unterschiede zeigen sich nicht nur in Merkmalen der Frucht oder des Ertrages, sondern auch bei der zunehmenden Bedeutung von Krankheitsresistenz und Toleranz hinsichtlich extremer Klimaschwankungen. Durch Probieren konnten die Gäste ihre Kirschsorte nach individuellen Vorzügen wählen, manche fragten auch gezielt nach speziellen Sorten.
Es erfolgte zudem eine Befragung der Kunden. U.a. interessierte uns, wie sie auf die Selbsternte aufmerksam geworden waren und woher sie kamen. Die überwiegende Mehrheit sei über die Medien aufmerksam geworden, einige über positive Mundpropaganda.
Der Großteil der Besucher stammte aus einem Umkreis von 20 Kilometern. Die teilweise doch erheblichen Anfahrtswege z.B. von Fulda, Bad Hersfeld, Göttingen, Nieste und Kassel bestätigten die hohe Nachfrage nach frischem Obst. Oft wurde die Selbstpflücke auch mit Ausflügen oder Familienbesuchen kombiniert.
Die besondere, ökologisch ausgerichtete Bewirtschaftung der Versuchsanlage Wendershausen mit wilden, blühenden Hecken zwischen den Terrassen, die angelegten Blühstreifen als auch der Ausblick in die Werratal-Aue fielen den Besuchern positiv auf.
Die Ernteschäden durch zuvor informierte Selbstpflücker hielten sich in einem sehr geringen Rahmen.
Mehr Aufmerksamkeit durch Online-Plattformen
Ein Zusammenschluss mehrerer Obstbauern, die ihre Flächen auf einer regionalen Online-Plattform präsentieren, könnte die Aufmerksamkeit steigern. Durch eine anschauliche Internetpräsenz werden insbesondere potentielle Neukunden, die nicht mit der Region vertraut sind, oder Ausflugszielsuchende auf die Plantagen aufmerksam.
Fazit
Die steigende Nachfrage nach regionalen, frischen Produkten in Kombination mit Covid-19 bedingtem Fernbleiben von Saisonarbeitskräften, führte dazu, dass viele Obstbauern in 2020 kurzfristig auf die Selbsternte setzten. Dabei ist eine ausführliche Ernteeinweisung unabdingbar zum Schutz der Bäume und für den Erfolg dieses Vermarktungsweges.
Insbesondere auf extensiv bewirtschafteten Anlagen hat die Selbsternte hohes Potential, zu einer wichtigen Einkommensart zu werden. Kunden werden darüber hinaus auch zu Besuchern, die solche Anlagen aufgrund naturschutzrelevanter Themen schätzen lernen.