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Ergebnisse der LSV Öko-Wintergerste 2019 & Empfehlungen

Erträge, die Freude machen

Viele hessische Öko-Praktiker haben in jüngerer Zeit mit dem Anbau von Öko-Wintergerste durchaus positive Erfahrungen gemacht, so dass sie in immer mehr Betrieben einen festen und günstigen Platz in der Fruchtfolge einnimmt. Die Wintergerste hat aus pflanzenbaulicher Sicht im Ökolandbau viele Vorzüge. Aufgrund ihrer zeitigen Saat und der vergleichsweise frühen Ernte lässt sich das punktuell sehr hohe Arbeitsaufkommen beim Anbau von Druschfrüchten entzerren. Das frühzeitige Räumen der Ackerfläche ermöglicht darüber hinaus eine intensive Stoppelbearbeitung und damit auch Regulierung von ausdauernden Wurzelunkräutern. Auch für eine rechtzeitige Aussaat von Zwischenfrüchten bietet der Wintergerstenanbau Vorteile.

Der Öko-Landessortenversuch Wintergerste rotiert in Alsfeld-Liederbach auf den Betriebsflächen des seit 1989 biologisch-dynamisch bewirtschafteten Betriebs Kasper und steht stets im ersten Jahr nach zweijährigem Luzerne-Kleegras. Das bedeutet ein hohes Niveau an pflanzenverfügbarem Stickstoff für die Wintergerste und einen weitestgehend unkrautfreien Acker. Aufgrund der integrierten Viehhaltung (0,4 GV/ha) ist auf den Versuchsflächen die Grundnährstoffversorgung mit Phosphor, Kalium und Magnesium auf den meisten Schlägen im optimalen Bereich (Versorgungsstufe C).

In den Öko-Landessortenversuchen zu Wintergerste werden vorwiegend mehrzeilige Wintergersten geprüft. Zweizeilige Sorten spielten in der Praxis des Ökolandbaus lange eine untergeordnete Rolle, nehmen aber im Anbauumfang zu.

Die mehrzeilige Sorte Lomerit wird in Alsfeld-Liederbach bereits seit 2004 durchgängig geprüft und dient als Referenz zur Studie von Ertragsniveau und –stabilität aber auch der langfristigen Ertragsentwicklung auf dem Versuchsstandort. Der durchschnittliche Kornertrag dieser Sorte aus 15 Prüfjahren (2004-2019 ohne 2012 wegen Auswinterung) liegt bei rund 58 dt/ha. Der maximal erreichte Ertrag lag bei 82 dt/ha (2011), der niedrigste bei 36 dt/ha (2018). Das langfristige „Mitprüfen“ einer in der Praxis etablierten Sorte bestätigt den enormen Einfluss des Anbaujahres auf den Ertrag unter den Bedingungen des Ökologischen Landbaus.

Um die in den einzelnen Jahren erzielten Erträge miteinander vergleichen zu können ist eine gemeinsame Referenz, die sogenannte Bezugsbasis erforderlich. Als Bezugsbasis dienten die in den zurückliegenden fünf Versuchsjahren (2015-2019) geprüften fünf mehrzeiligen Sorten Lomerit, Highlight, Semper, Titus und Quadriga sowie die zweizeilige Sorte California.

Die mittleren Kornerträge (Bezugsbasis) der Öko-Wintergerste in Alsfeld-Liederbach waren 2019 mit durchschnittlich rund 78 dt/ha mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Vergleicht man die aus fünf Jahren (2015-2019) gemittelten jeweiligen Relativerträge dieser sechs Sorten untereinander, so schneidet die Sorte Quadriga am besten (104 %), Lomerit am schlechtesten (97 %) ab. Von den acht, in den letzten drei Jahren (2017-2019) geprüften Sorten schnitt wiederum Quadriga (105 %) am besten, Titus (96 %) am schlechtesten ab

Neben dem Ertragspotenzial sind bei der Sortenwahl auswinterungsfeste, blattgesunde und langstrohige Sorten mit zügiger Frühjahrsentwicklung (gute Unkrautunterdrückung) zu bevorzugen. Standfestigkeit und eine geringe Neigung zu Halm- und Ährenknicken sind weitere wichtige Auswahlkriterien.

In der Folge wird die Ertragsleistung für die bereits mindestens drei Jahre lang geprüften Sorten und stets im Verhältnis zum Ertrag der Bezugsbasis bewertet und hinsichtlich ihrer Ausprägung der wichtigsten agronomischen Eigenschaften.

Die Sorten im Kurzportrait

Die Erträge von Lomerit bewegen sich dreijährig (2017-2019) knapp unter (99%) dem Mittewert der Bezugsbasis. Zu beachten ist ihre Anfälligkeit für Lager und Halm- bzw. Ährenknicken sowie für Netzflecken und Rhynchosporium. Positiv hervorzuheben sind ihre Winterfestigkeit und die zügige Jugendentwicklung.

Sorte Highlight hat im Schnitt der letzten drei Jahre ebenfalls knapp unter Durchschnitt gedroschen (99 %) und kommt dennoch für den Anbau nach wie vor in Frage. Sie fällt durch ihre ausgeprägte Langstrohigkeit auf. Die Anfälligkeit für Pilzkrankheiten ist bei Highlight ausgewogen.

Sorte Semper ist ebenfalls langjährig geprüft und besitzt eine gute Winterfestigkeit, ist halmstabil, damit standfest und weitestgehend blattgesund. Semper kann für den Anbau empfohlen werden.

Titus ist langstrohig, standfest und blattgesund, neigt jedoch zum Ährenknicken. Im Vergleich mit der Bezugsbasis lieferte sie über drei Jahre unterdurchschnittliche Kornerträge (96 %). Über fünf Jahre betrachtet schnitt sie besser (98 %) ab. Die Sorte ist winterfest, langstrohig, frohwüchsig und blattgesund. Die Halmstabilität ist weitestgehend gut, nur die Neigung zum Ährenknicken ist zu beachten. Titus kann für den Anbau empfohlen werden.

Quadriga ist hinsichtlich des Ertrages die beste mehrzeilige Sorte im Prüfsortiment. Die Sorte weist eine ausgewogene Blattgesundheit auf und ist winterfest, langstrohig und trotzdem halmstabil. Aufgrund der erfreulichen Ertragsstabilität und der positiven agronomischen Eigenschaften ist sie auf jeden Fall für den Anbau zu empfehlen.

California ist die einzige zweizeilige Sorte, für die langjährige Versuchsergebnisse vorliegen. Über fünf Jahre schwankte der Relativertrag zwischen 97 und 108 %. Im Mittel der Jahre liegt sie bei 103 %. Hinsichtlich der agronomischen Eigenschaften überzeugt sie ebenfalls und kommt daher für den Anbau in Frage.

Drejährig geprüft scheint KWS Infinity als zweite zweizeilige Sorte im Prüfsortiment mit altbekannten Sorten wie Lomerit, Highlight und Semper mithalten zu können. Im Vergleich zur zweizeiligen California neigt sie jedoch etwas stärker zu Lager, Halm- und Ährenknicken, sowie Mehltau. Auch hinsichtlich des Ertrags ist sie schwächer als California.

Sorte Joker hat nun ebenfalls drei Prüfjahre absolviert. Sie ist mittelang, bei den relevanten agronomischen Eigenschaften Lagerneigung, Ährenknicken und Blattgesundheit ist sie schlechter einzuschätzen als Quadriga. Auch beim Ertrag schnitt sie unter Durchschnitt ab.

2019 wurden mehrere Sorten zum zweiten Mal geprüft und neue Sorten in das Prüfsortiment aufgenommen.

Zweimalig geprüfte Sorten

Toreroo ist eine Hybridsorte. Der mit der Hybridzüchtung einhergehende Heterosiseffekt lässt ein hohes Ertragspotenzial erwarten. Die Sorte ist laut Bundessortenamt langwüchsig und halmstabil, sowie erfreulich blattgesund. Während sie im Dürrejahr 2018 unterdurchschnittlich abschnitt, konnte sie 2019 ihr hohe Ertragspotenzial voll ausschöpfen (113 %). Ein drittes Prüfjahr bleibt abzuwarten. Hedwig ist lang und halmstabil bei mittlerer bis guter Blattgesundheit, neigt jedoch zum Halmknicken. Hedwig besitzt eine zusätzliche Resistenz gegenüber dem Gelbmosaikvirustyp 2 (BaYMV-2). Dem sehr hohen Kornertrag im Jahr 2018 (110 %) folgte ein weiteres sehr gutes Abschneiden (105 %). Lucienne ist langstrohig, halmstabil und blattgesund.  Beim Ertrag konnte diese Sorte in den ersten beiden Prüfjahren aber bei weitem nicht mit Hedwig mithalten. KWS Higgins ist langstrohig bei guter Halmstabilität und Blattgesundheit, mit Ausnahme einer sehr hohen Anfälligkeit für Zwergrost.

Cayu ist eine seit 2018 zugelassene Öko-Züchtung und hat unlängst die Öko-Wertprüfung absolviert. Sie ist langstrohig, hat eine ausgewogene Blattgesundheit und Halmstabilität und ist wenig anfällig für die Streifenkrankheit.

Erstmalig geprüfte Sorten

Sonnengold wurde bereits 2016 zugelassen, aber 2019 erstmalig in Alsfeld-Liederbach geprüft. Sie ist von mittlerer Pflanzenlänge und Halmstabilität, mittlerer Blattgesundheit, neigt jedoch zu Mehltau und Zwergrost. Mirabelle ist etwas länger und trotzdem halmstabiler und weist eine ausgewogene mittlere bis gute Blattgesundheit auf. Für die ebenfalls langstrohige SU Jule gilt das gleiche, jedoch bei mittlerer, etwas höherer Anfälligkeit für Mehltau und Zwergrost als Mirabelle. Yvonne ist eine neu zugelassene zweizeilige Sorte. Außer bei Rhynchosporium gilt sie als erfreulich blattgesund. Die mehrzeilige KWS Orbit fiel im ersten Jahr durch ihren sehr hohen Ertrag (109 %) auf. Bis auf eine erhöhte Anfälligkeit für Zwergrost hat sie sehr ausgewogene agronomische Eigenschaften.

Was beim Anbau zu berücksichtigen ist

Die Grundbodenbearbeitung und Saatbettbereitung zur Wintergerste sollte besonders sorgfältig durchgeführt werden. Gerade auf Fehler in der Bodenbearbeitung reagiert sie empfindlich. Für eine gute Vorwinter-Entwicklung sollte die Gerste ab Ende September mit rund 350 Körner/m2 ausgesät werden. Herrschen in dieser Zeit witterungsbedingt ungünstige Bestellbedingungen, kann die Aussaat auch noch bis in die erste Oktoberdekade verschoben werden. Ein „Reinschmieren“ ist unbedingt zu vermeiden. Wintergerste sollte nicht als abtragende Frucht in die Fruchtfolge gestellt werden. Ideale Vorfrüchte sind Körnerleguminosen oder Kartoffeln. Durch die zeitige Saat vermag Wintergerste den Reststickstoff dieser Vorfrüchte im Herbst noch gut zu konservieren. Gerste hat zu Vegetationsbeginn einen frühen Stickstoffbedarf. Stehen organische Dünger im Betrieb zur Verfügung, ist eine Gülle-Düngung im zeitigen Frühjahr anzuraten.

Die frühe Saat wird in den meisten Fällen mindestens einen Striegelgang (ab 3-Blatt-Stadium) erfordern. Auch Blindstriegeln ist dann zu empfehlen, wenn vor Auflaufen der Gerste das Unkraut gerade im sogenannten Fädchenstadium auftritt. Diese Einsätze sollten sehr sorgfältig durchgeführt werden, schon allein deswegen, weil der Striegeleinsatz im folgenden Frühjahr keineswegs immer Erfolg verspricht, da die meisten Unkrautarten dann meist schon ihre striegelempfindlichen Stadien überwunden haben. Der Striegel oder auch eine Sternrollhacke können aber im Frühjahr eine vorteilhafte, weil den Boden belüftende Wirkung haben. Der Einsatz sollte bei verkrusteten Böden zu Vegetationsbeginn in Betracht gezogen werden (verändert nach M. Mücke, Landwirtschaftskammer Niedersachsen).

Wer Bedarf an Öko-Saatgut hat, kann sich im Internet auf der Seite www.organicxseeds.com über verfügbare Sorten und deren Anbieter informieren.