Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Wie sich die Kraftfutter-Qualität auf das Besuchsverhalten im automatischen Melksystem auswirkt

Automatische Melksysteme erfolgreich zu betreiben heißt, einen möglichst reibungslosen, gleichmäßig über den Tag verteilten Besuch der Milchkühe im automatischen Melksystem (AMS) sicherzustellen. Neben stallbaulichen und gesundheitlichen Einflüssen spielt die Fütterung, hier insbesondere die Qualität und Attraktivität des am AMS eingesetzten Kraftfutters, eine große Rolle.

Besuch der Milchkühe im automatischen Melksystem (AMS)In diesem Kontext wurde der Einsatz eines speziellen, pelletierten Kraftfutters mit einem hohen Anteil an extrudierter Leinsaat und dessen Auswirkung auf die Kondition, die Tiergesundheit, die Milchmenge und Milchinhaltsstoffe von Milchkühen in der Herde des Landwirtschaftzentrums Eichhof, Bad Hersfeld, getestet.

Bei dem getesteten Produkt handelte es sich um das Futter „Nutex Sweet“ der Firma Dumoulin, dass als „100-Tagefutter“ aufgrund seiner speziellen Zusammensetzung dem Energiedefizit der Milchkuh zu Laktationsbeginn entgegen wirken soll. Zudem eignet sich das Futter zur Produktion gentechnikfreier Milch.

Versuchsdesign

Der Versuchszeitraum umfasste insgesamt 74 Versuchstage in vier Perioden. Im Versuch waren 44 Milchkühe der Rasse Holstein mit Æ 2,31 Laktationen und 161 Laktationstagen, die ausschließlich mit einem automatischen Melksystem gemolken wurden. Die vorgelegte Ration (Übersicht 1) war als Teil-Misch-Ration (6,9 MJ NEL und 157 g nXP je kg TM) für eine Milchleistung von Æ 30 kg/Tier/Tag auf Basis MJ NEL ausgelegt. Das Kraftfutter wurde leistungsbezogenen ausschließlich im Melkroboter angeboten.

Übersicht 1: Zusammensetzung der Teil-Misch-Ration
KomponentenAnteil in % TM
Grassilage (1. Schnitt)32,1
Maissilage29,2
Futterstroh (gehäckselt)4,1
Biertrebersilage6,8
Ausgleichsfutter27,8

Folgende Daten wurden tierindividuell täglich erfasst: Laktationstag, Milchleistung, Milchinhaltsstoffe (% Fett und % Eiweiß), Lebendmasse, Wiederkauzeit und Wiederkau-schläge je Ruktus, Anzahl der Melkungen und Verweigerungen sowie Kraftfutterverbrauch. Darüber hinaus wurde die Tankmilch auf ihre Fettsäurenzusammensetzung analysiert.

Einfluss auf das Besuchsverhalten

Einfluss des Versuchsfutters auf die Besuchshäufigkeit der Kühe im AMSIn der grafischen Darstellung ist der Einfluss des Versuchsfutters auf die Besuchshäufigkeit der Kühe im AMS dargestellt. Nach einer Vorperiode (Periode „I“) wurden zusätzlich zum Standard-Milchleistungsfutter Æ 250 Gramm des Versuchsfutters/Tier/Tag gefüttert.

In der Hauptperiode wurde beim „Anfüttern“ das Standard-MLF (19% Rohprotein/7,2 MJ NEL/kg) täglich um 300 Gramm/Kuh reduziert und der Anteil des Versuchsfutters (22% Rohprotein/7,4 MJ NEL/kg) entsprechend um 300 Gramm bis auf die maximale KF-Gabe (5,75 kg/Kuh/Tag) erhöht. Das „Abfüttern“ wurde in umgekehrter Reihenfolge vorgenommen.

Der in Periode „IV“ stark negative Ausschlag bei den Melkungen und Verweigerungen trat aufgrund technischer Probleme mit der Lasererkennung der Zitzen am AMS auf.

Versuchsergebnisse

Neben den dem Futter zugeschriebenen möglichen positiven Effekten auf den Stoffwechsel zeigt sich in der Vorbereitungsphase (Periode „II“) durch Zulage von Nutex Sweet ein deutlicher Effekt auf das Laufverhalten der Kühe zur Melkbox. Gegenüber der Standardfütterung (Übersicht 2) erhöhte sich die Anzahl der Verweigerungen, also der Besuche ohne Melkanrecht, je Kuh und Tag um knapp 31%. Im weiteren Versuchsverlauf (Periode „III“) erhöhte sich die Anzahl der „verweigerten“ Kühe gegenüber dem Standard (Periode “I“) um 94%, so dass kaum mehr melküberfällige Kühe manuell zum AMS geholt werden mussten. Dem gegenüber blieb die Melkfrequenz auf etwa gleichem Niveau (+ 4%), was für eine gleichmäßigere Verteilung der Zwischenmelkzeit spricht.

Die deutlichen Einflüsse zeigten sich in der Periode „III“, in der die Kühe pro Tag durchschnittlich knapp drei Kilogramm des Versuchsfutters erhielten. Hier traten gegenüber der vorangegangenen Periode sowohl eine verminderte Milchleistung als auch ein deutlich niedrigerer Milcheiweißgehalt bei gleichzeitig tendenziell höherem Milchfettgehalt auf. Auffällig ist auch der Substanzverlust an Körpermasse in dieser Versuchsphase. Die Wiederkaudauer in Minuten je Kuh/Tag und die Wiederkauschläge je Ruktus waren in dieser Phase ebenfalls auf dem niedrigsten Niveau aller vier Versuchsperioden.

Darüber hinaus wurden auch die Omega-3-Fettsäuren in der Tankmilch analysiert. In der Literatur werden Gehalte in Abhängigkeit vom Maissilageanteil (MS) in der Ration diskutiert. Dort liegen die Gehalte an Omega-3-Fettsäuren in konventionellen Milchkuhbetrieben zwischen 6,3 (52% MS) und 9,53 (30% MS) mg/g Milchfett (Ehrlich, 2007)

Den Einfluss der extrudierten Leinsaat auf den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in der Milch lässt sich aus den einzelnen Versuchsperioden ablesen. Gegenüber „Periode I“ steigt der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren durch Zulage von Nutex Sweet um 9,6% (Periode „II“) bzw. um 37,8% (Periode „III“) an und fällt nach Reduzieren des Versuchsfutters in etwa wieder auf den Ausgangswert (Periode „IV“).

Übersicht 2: Versuchsergebnisse nach Fütterungsperiode
ParameterEinheit
Kuh/Tag
Periode
IIIIIIIV
 VersuchsdauerTage 9 6 52 7
VerweigerungenAnzahl2,022,653,911,96
MelkungenAnzahl 2,842,952,962,63
Milchleistungkg 36,236,235,335,3
Milchleistungkg ECM 35,235,034,934,7
Fett% 3,803,824,063,97
Eiweiß% 3,283,193,083,16
Gewichtkg 622626618625
WiederkauenMinuten 477480474480
WiederkauschlägeAnmzahl je Ruktus 56,957,456,855,3
Standard-KF 194Skg 3,133,050,943,21
Nutex Sweetkg 0,160,332,920,79
Omega-3-Fettsäurenmg/g Milchfett 7,48,110,27,0

In Übersicht 3 sind die Abweichungen (alle statistisch signifikant) der Versuchsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe je kg eingesetztem Versuchsfutter dargestellt. Neben den schon beschriebenen positiven Effekten auf das Besuchsverhalten der Kühe im AMS konnte bis auf einen höheren Milchfettgehalt kein weiterer positiver Einfluss, weder auf Milchleistung und Milcheiweißgehalt noch auf die physiologischen Parameter wie Wiederkaudauer bzw. Wiederkauschläge festgestellt werden. Dies trifft auch für die Gewichtsentwicklung der Kühe zu, die je kg eingesetztem Versuchsfutter eine knapp 0,5 kg geringer Körpermasse aufwiesen. 

Übersicht 3: Abweichungen der tierindividuellen Parameter unter dem Einfluss von Nutex Sweet
1) Filter: > 250 Wiederkauminuten u. ≤ 15 Verweigerungen/Tier/Tag
ParameterEinheit
Kuh/Tag
Abweichung 1)
je kg Nutex Sweet
VerweigerungenAnzahl+ 0,459
MelkungenAnzahl+ 0,068
Milchkg– 0,15
Fett%+ 0,034
Eiweiß%– 0,029
Gewichtkg– 0,541
Wiederkauenmin– 2,849
WiederkauschlägeAnzahl– 0,037

Futterwert geprüft

Im Rahmen der Untersuchungsreihe des Verein Futtermitteltest e.V. (VFT) wurde das Futter auf Inhaltsstoffe und Futterwert hin analysiert.

Die Überprüfung der deklarierten Inhaltsstoffe (Übersicht 4) ergab deutliche Abweichungen beim Rohfaser- (11,6 statt 10,0%/kg TM) und ADF-Gehalt (16,1 statt 12,8%/kg TM). Der vom Hersteller laut Fütterungshinweis angegebene Energiegehalt (nach Futtermittelrecht) liegt bei 8.33 MJ NEL/kg TM, für die Rationskalkulation empfiehlt der Hersteller, mit einem Energie-gehalt von 9,1 MJ NEL/kg TM zu kalkulieren.

Übersicht 4: Futterwert und Energiegehalt von Nutex Sweet (Angaben je kg Trockenmasse)
1) Energieangabe lt. Hersteller nach Futtermittelrecht
2) Empfohlener Energiegehalt lt. Hersteller
 ParameterEinheit Deklaration VFT
Trockenmasse%90,089,5
Rohasche%7,26,8
Rohprotein%24,424,2
Rohfett%11,111,3
Rohfaser%10,011,6
ADF %12,816,1
Stärke%16,716,9
HFTml/200 mg46,4
Cag1,2
Pg0,8
NEL (Dumolin) 1)MJ8,33
NEL (Dumolin) 2)MJ9,10
NELMJ8,28

Ökonomie

Hinsichtlich der ökonomischen Betrachtung bleibt festzuhalten, dass bei einem Einkaufspreis von knapp 46 bis 48€/dt für lose Ware der Einsatz von Nutex Sweet unter Berücksichtigung des Milchminderertrags auf ECM-Basis gegenüber der Standard-Variante Mehrkosten von 1,21 ct/kg ECM im Versuchszeitraum angefallen sind. Theoretisch könnte den Mehrkosten für das Futter der ansonsten höhere zeitliche Aufwand für das Nachtreiben von melküber-fälligen Tieren gegenüber gestellt werden. Selbst dann liegen die Mehrkosten noch bei knapp einem halben Cent je kg ECM-Milch.

Fazit

Eine Wirtschaftlichkeit ist alleine durch den geringeren Milchertrag auf Basis „Energie-korrigierter Milch“, selbst unter Einbeziehen möglicher Zeitspareffekte beim Nachtreiben melküberfälliger Kühe, nicht gegeben. Inwieweit sich die positiven Eigenschaften wie die sehr gute Akzeptanz des Futters auf das Besuchsverhalten von Kühen im AMS bei schwierigen Stallkonzeptionen auswirken und mit welcher „Mindestmenge“ je Tier/Tag dann gearbeitet werden muss, soll in weiteren Praxistests herausgearbeitet werden.


Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag