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Laktierende Milchkühe – Kationen-Anionen-Bilanz im Fokus

Im Rahmen der gentechnikfreien Fütterung von Milchkühen wird bei der Proteinergänzung überwiegend auf den Einsatz von Rapsprodukten zurückgegriffen. In diesem Zusammenhang wird die Fragestellung zur Beurteilung der Kationen-Anionen-Bilanz – Dietary Cation-Anion Balance (DCAB) – im Bereich der Fütterung laktierender Kühe aufgeworfen.

Rapsprodukte weisen aufgrund ihres natürlichen Schwefelgehaltes eine negative DCAB auf. Es wird geschlussfolgert, dass je nach Rationskonstellation und bei ausschließlichem Einsatz von Rapsprodukten zur Proteinergänzung laktierender Milchkühe als Folge eine Pansen-pH-Wert-Absenkung und damit unter Umständen eine metabolische, acidotische Stoffwechsellage induziert wird. Dem wurde vom Beratungs- sowie Fachinformationsteam „Tierhaltung“ des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) durch eine Praxiserhebung nachgegangen.

Ausgangssituation

Für laktierende Milchkühe wird in der Literatur eine DCAB von 150 bis 350 meq/kg Trockenmasse (TM) empfohlen. Errechnet wird die DCAB mit folgender Formel:

DCAB = (% Natrium x 435 + % Kalium x 256) – (% Chlorid x 282 + % Schwefel x 624)

Für eine erste Einschätzung der Situation in hessischen Milchkuhbetrieben wurden die Ergebnisse der beim Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Kassel in den Jahren 2011 bis 2017 zur Nährstoff- und Futterwert-Analyse in Auftrag gegebenen Teil- und Total-Mischration ausgewertet. Auf Basis dieser Daten lässt sich nicht die „Befürchtung“ ableiten, durch den Verzicht auf Sojaextraktionsschrot und dem damit verbundenen vermehrten Einsatz von Rapsextraktionsschrot laktierende Milchkühe „sauer“ zu füttern. Die DCAB-Gehalte der Mischrationen lagen im Durchschnitt zwischen 200 bis 250 meq/kg TM.

DCAB-Gehalte im Grob- und Leistungsfutter

Eine Auswertung hessischer Grobfuttermittel zeigt wie wichtig eine betriebsspezifische Analyse der Mineralstoffe und damit der DCAB-Gehalte ist. Die Grassilage weist DCAB-Gehalte von durchschnittlich 430 meq/kg TM auf mit einer Spanne von -77 bis 819 meq/kg TM. Die Maissilagen weisen mit ∅ 175 meq/kg TM deutlich niedrigere DCAB-Gehalte auf, auch aufgrund geringerer Kaliumgehalte. Doch auch hier ist die Spanne von -19 bis 505 meq/kg TM zu beachten. Ein erster Hinweis auf den DCAB-Gehalt liefert ein Blick auf das Kalium. Je höher der Kalium-Gehalt, desto höher die DCAB-Gehalte. Die Korrelation beträgt bei Grassilage 0,85, bei Maissilage 0,89.

Eine große Unbekannte stellt neben den Leistungsfutter-Einzelkomponenten in der Regel das Milchleistungs- und Mineralfutter dar, da der DCAB-Gehalt nicht deklarationspflichtig ist. Im Rahmen des Praxisprojektes wurden die entsprechenden Angaben zur DCAB bei den Futtermittelherstellern angefragt. Je nach Ausrichtung und Komponenten schwanken die Gehalte zwischen -100 bis 136 meq bei proteinreichen Ergänzungsfuttern, bei Standard-Milchleistungsfuttern zwischen -70 bis 106 meq je kg. Die DCAB-Gehalte der angefragten Mineralfutter lagen bis auf wenige Ausnahmen aufgrund der Chlorid- und Schwefelanteile alle in einem negativen Bereich zwischen -9 bis -8900 meq je kg. Futtermittel speziell für die Trockensteher- bzw. Transitphase konzipiert zeigen ähnliche Gehalt. Sowohl für Mineral- als auch Milchleistungsfutter sollten in jedem Fall die DCAB-Gehalte beim Hersteller angefragt werden, um eine optimierte Rationsgestaltung vornehmen zu können.

Ergebnisse aus der Praxis

Das LLH-Projekt wurde vom Beratungsteam Tierhaltung begleitet und fand in Mitgliedsbetrieben der hessischen Milchkuharbeitskreise statt. Teilnahmevoraussetzung für die Betriebe war, dass mindestens 80 Prozent der Rohproteinergänzung über Leistungsfutter aus Rapsprodukten stammen. Über einen Zeitraum von vier Tagen wurde in jedem Betrieb ein Mischprotokoll geführt, um die in die Ration eingemischten Einzelkomponenten zu erfassen. Bei insgesamt 18 Mischrationen wurde an zwei Terminen (Tag 1 und 3) der TM-Gehalt überprüft und zusätzlich eine Analyse der Teil- bzw. Total-Misch-Rationen (Tag 4) hinsichtlich Nährstoffgehalte und Futterwert durch den LHL durchgeführt.

Insgesamt wurde die Praxiserhebung in 14 Betrieben durchgeführt mit einer Bestandsgröße zwischen 60 und 255 Kühen (Ø 120 Kühe). Die Milchleistung lag zwischen 8.331 und 10.921 kg pro Kuh und Jahr (Ø 9.748 kg). In vier Betrieben wurde die laktierende Herde in Leistungsgruppen unterteilt. Die tägliche Milchleistung lag, je nach Leistungsgruppe, bei 19,7 bis 35,4 kg energiekorrigierter Milch (ECM) je Kuh und Tag.

DCAB in den Mischrationen

Die Ergebnise der LLH-Erhebung sind in Abb. 1 dargestellt. Unterstellt man den Grenzbereich von 200 bis 350 meq/kg TM (nach Staufenbiel, 2018), dann liegt die Mehrzahl der betrachteten Rationen im „optimalen Bereich“. Lediglich vier Rationen liegen im Bereich < 200 meq/kg TM, ohne dass negative Auswirkungen auf Futteraufnahme, Milchleistung oder Milchinhaltsstoffe abzuleiten waren. Insgesamt ließen die Daten keine Rückschlüsse auf eine Abhängigkeit von der Höhe der DCAB-Gehalte auf Futteraufnahme oder Milchleistung zu.

Die ausgewiesenen DCAB-Gehalte der betriebsspezifisch analysierten Grassilage spiegeln sich zum Teil in den Gehalten der untersuchten Teil- oder Total-Mischrationen wider (Betrieb 2, 3, 6 oder 8, s. Abb.). DCAB-Gehalte über 350 meq/kg TM sind ebenfalls zu vermeiden, da sie die Futteraufnahme negativ beeinflussen.

Hier: Bildunterschrift; Quelle: LLH, Fachinformation Tierhaltung, Thomas Bonsels

Auch in Fütterungsversuchen an der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau (LLG) in Iden, Sachsen-Anhalt, wurde das Thema „DCAB in Rationen für laktierende Kühe“ bearbeitet. Die dort erzielten Ergebnisse lassen darauf schließen, dass der Zielbereich von 150 bis 350 meq/kg TM für laktierende Kühe passend ist. DCAB-Gehalte im Bereich von 100 bis 200 meq/kg TM müssen keine besorgniserregenden Auswirkungen haben. Entscheidend ist bei Rationen mit niedrigen DCAB-Gehalten ein engmaschiges Controlling hinsichtlich Acidose-Erscheinungen durchzuführen. Hierzu bietet sich neben den bekannten visuellen Parametern, wie Kotkonsistenz, Pansenfüllung oder den Daten aus der Milchkontrolle bzw. der Molkerei, die Untersuchung des Harns mittels der Netto-Säuren-Basenausscheidung (NSBA) an. Diese Werte sind in engem Zusammenhang mit der DCAB zu sehen. Die NSBA sollte bei laktierenden Milchkühen zwischen 100 bis 200 mmol/Liter liegen.

Fazit

Die in hessischen Praxisbetrieben durchgeführte Untersuchung zur DCAB-Gehalten in Rationen für laktierende Milchkühe zeigte keine Auffälligkeit durch den vermehrten Einsatz von Rapsprodukten zur Proteinergänzung und gegebenenfalls dadurch bedingte „saure“ Rationen. Basis einer ausgewogenen Rationskalkulation sind Analysen zum Nährstoffgehalt und Futterwert der eingesetzten Futtermittel, vor allem der Grobfutter. Da die DCAB-Gehalte der Einzelfutter-, vor allem aber der Misch- und Mineralfutter auf den beigefügten Deklarationen nicht aufgeführt sind, muss diese Information beim Hersteller zusätzlich angefordert werden. Die Berechnung der DCAB-Gehalte sollte sowohl für Trockensteher- bzw. Transitkühe als auch für laktierende Kühe zum Standard gehören. Bei Rationen im „DCAB-Grenzbereich“ ist unbedingt ein gezieltes Controlling notwendig, bis hin zur Überprüfung der Netto-Säuren-Basenausscheidung im Harn, um der Gefahr einer metabolischen Acidose entgegen zu wirken.