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So schlagen Rinder dem Winter ein Schnippchen

Beim Spaziergang durch die schneebedeckte oder frostüberzogene Landschaft sieht man manchmal Mutterkühe mit ihren Kälbern auf der Weide stehen. In einigen Regionen trifft man sogar Milchkühe, die auf verschneiten Wiesen liegen und wiederkauen. Während die Spaziergänger in ihren Jacken frösteln, stellen sich Fragen nach dem Wohl der Rinder im Winter:

Frieren die Kühe bei null Grad nicht?

Wie wir Menschen sind Rinder Warmblüter, haben also eine gleichbleibende Körpertemperatur. Diese liegt bei einem erwachsenen Rind zwischen 38 und 39 Grad Celsius. Wie bei allen Warmblütern muss die Körpertemperatur in jedem Fall aufrechterhalten werden. Das geschieht durch die Wärmeproduktion aus der Stoffwechseltätigkeit; hier ist vor allem die Verdauung zu erwähnen.
Das Rind ist – im Gegensatz zu uns Menschen – ein Wiederkäuer und unterscheidet sich damit grundsätzlich in der Wärmeproduktion, die durch den Umbau von pflanzlichem Futter durch Bakterien im Pansen entsteht. Kühe mit einer hohen Milchleistung produzieren zum Beispiel in den ersten 100 Tagen nach der Abkalbung 2000 Watt pro Stunde an Wärme bei einer Umgebungstemperatur von 0 Grad. Diese Leistung erzeugen bspw. haushaltsübliche Heizlüfter (2000 Watt = 0,58 €/Stunde Strom). Der thermoneutrale Bereich bei Kühen liegt daher zwischen 4 und 16 Grad. Thermoneutral bedeutet, dass der Körper keine Kühlungsarbeit mittels Schwitzen oder erhöhter Atemfrequenz leisten muss, um die Körpertemperatur aufrecht zu erhalten. Während wir Menschen uns bei einer Umgebungstemperatur von 20 bis 23 Grad am wohlsten fühlen, mögen Rinder die tieferen Temperaturen.

Warum gehen Kühe eine Zusammenarbeit mit Bakterien und Pilzen im Pansen ein und produzieren damit viel Wärme?

Verdauungsapparat des Rindes, gezeichnet von Verena Schmelz

Das Verdauungssystem der Wiederkäuer ist ein Wunderwerk der Natur. Dazu gehören neben Dünn- und Dickdarm vier Mägen, wobei der größte Magen der Pansen ist. Den Pansen kann man sich als Gärkammer vorstellen. Diese fasst 120 bis 180 Liter (entspricht dem Fassungsvermögen einer Standard-Badewanne). Vor vielen tausenden Jahren ging das Urrind eine Symbiose mit Bakterien und anderen Einzellern ein, die bis heute funktioniert. Die Einzeller werden mit dem aufgenommenen Gras heruntergeschluckt und können im Pansen weiterleben. Diesen Lebewesen verdankt das Rind die Fähigkeit, Zellulose und weitere pflanzliche Kohlenhydrate in verwertbare, lebensnotwendige Nährstoffe umzubauen. Das ermöglicht dem Wiederkäuer, Gras und sogar Stroh zu verdauen. (Wir Menschen würden mit diesen Futtermitteln verhungern.) Bei der Verdauung dieser pflanzlichen Faserstoffe entsteht die beschriebene Wärme, denn der „Umweg“ über die Einzeller ist nicht so effizient, wie die menschliche Verdauung oder die des Schweins.

Warum taut der Schnee auf dem Rücken einer Kuh nicht?

Ähnlich wie unsere Haustiere bilden Rinder ein Winter- und Sommerfell aus. Das Winterfell besteht dabei aus dichten kurzen Wollhaaren. So wie beim Hund oder der Katze bildet der Luftmantel zwischen den Haaren einen wirksamen Schutz vor der Kälte. Dass die wertvolle Körperwärme nicht in die kalte Winterluft abgegeben wird, beweist der Schnee auf dem Fell, welcher nicht taut.

Warum werden Kälber auch im Winter geboren?

Kühe können zu jeder Jahreszeit abkalben. Besonders bei Fleischrinderrassen findet die Geburt oft im Winter statt. Kalb und Kuh sind dann gut vorbereitet auf die kommende Vegetationsperiode (Frühjahr). Denn mit einsetzendem Gräserwachstum gibt die Mutterkuh mehr Milch für das heranwachsende Kalb. Zur Geburt (Abkalbung) sondert sich die Kuh oft von der Herde ab und sucht einen trockenen Platz. Die Kuh leckt das frisch geborene Kalb sofort trocken und regt damit auch den Blutkreislauf des Kalbes an. Wenige Minuten nach der Geburt steht ein Kalb auf und sucht das Euter, um die ersten Nährstoffe aufzunehmen. Es kann also hin und wieder passieren, dass wir beim Spaziergang eine Kuh mit frischgeborenem Kalb auf der winterlichen Weide oder im Unterstand sehen.