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Zwei Wochen länger im Betrieb – Anpassung der Transportbestimmungen für Kälber

Die Anpassung der Tierschutztransportverordnung hat zur Folge, dass Kälber ab dem 01.01.2023 doppelt so alt sein müssen – nämlich 28 Tage –, bevor sie transportiert werden dürfen. Begründet wird die Entscheidung, dass Kälber zu diesem späteren Zeitpunkt einen besseren immunologischen Status aufweisen und so weniger krankheitsanfällig sind, wenn sie in eine neue Umgebung verbracht werden.

Für hessische Milchviehbetriebe ist mit dem Beschluss der Bundesratssitzung aus Juni 2021 klar, dass sie ihre Kälberhaltung werden verändern müssen. André Peter vom LLH erläutert, wie sich Milchviehbetriebe an die neue Situation anpassen können.

Strategie 1: Vorhandene Kapazitäten nutzen bzw. neue schaffen

Auf den steigenden Platzbedarf mit einer Reduzierung des Tierbestandes zu reagieren, diese Möglichkeit werden nur wenige Milchviehbetriebe in Betracht ziehen. Ergo müssen die Kälberplätze erweitert werden, wobei die Vorgaben der Tierschutznutztierhaltungsverordnung beachtet werden müssen.
Die Haltung kann in Einzelhaltung und Gruppenhaltung erfolgen. In der Einzelhaltung sind für die ersten beiden Lebenswochen 120 cm x 80 cm x 80 cm (LxBxH) Platz vorgeschrieben. Von der dritten bis zur achten Lebenswoche gelten die Maße 160 cm x 90 cm (LxB). Zu beachten ist, dass der Trog bei diesen Maßen außen angebracht sein muss. In der Gruppenhaltung müssen jedem Kalb bis 150 kg mindestens 1,5 m² zu Verfügung stehen, jedoch bei bis zu drei Kälbern mindestens 4,5 m².

Weiterhin müssen ab dem achten Tag Raufutter und ab der zweiten Woche Wasser angeboten werden.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird für viele Betriebe ein Neubau eines Kälberstalles nicht in Frage kommen. Vielmehr ist es sinnvoll, die vorhandene Fläche möglichst gut auszunutzen, sodass die „zusätzlichen“ – weil länger im Betrieb verbleibenden – Kälber nach den aktuellen Vorgaben untergebracht werden können.

Kälberiglus und Kälberboxen bzw. Kälberhütten könnten eine Lösung sein. Beide Systeme haben ihre Vorteile:

Bei beiden Systemen muss ein Untergrund nach Anlage 7 des AwSV geschaffen werden. Der Standort sollte nach Möglichkeit so gewählt werden, dass keine extremen Witterungseinflüsse im Winter und vor allem im Sommer auf die Kälber einwirken oder es sollte ein zusätzlicher Witterungsschutz auch im Interesse des Menschen geschaffen werden.

Da die Einzelhaltung von Kälbern von der Gesellschaft zunehmend kritisch betrachtet wird und mögliche Gesetzesänderungen diesbezüglich in Zukunft ins Haus stehen könnten, sollte außerdem darauf geachtet werden, dass bei beiden Systemen eine Gruppenhaltung möglich ist. Kälberhütten bräuchten ergo flexibel herausnehmbare Trennwände; bei den Iglus wäre es ratsam von den Maßen her für je zwei Kälber pro Iglu zu planen.

Egal welche Haltungsform zukünftig gewählt wird ist darauf zu achten ob durch die zusätzlichen Kälber die Anzahl von 600 Rindern nach der 4. BImSchV evtl. überschritten wird. Hierdurch könnte ein neues BImsch-Verfahren notwendig werden.

Strategie 2: Die Anzahl der geborenen Kälber reduzieren

Eine andere Möglichkeit auf die Gesetzesanpassung frühzeitig zu reagieren, ist, die Anzahl Kälber zu reduzieren. Dies ist u.a. über die freiwillige Wartezeit – sprich Ausdehnung der Zwischenkalbezeit – möglich. So einfach die Maßnahme klingt, sie sollte immer betriebsspezifisch und sogar kuhspezifisch entschieden werden. Einer Verfettung der Kühe zum Ende der Laktation hin, muss vorgebeugt werden. Kühe mit hoher Milchleistung (über 10.500 kg pro Jahr) und einer guten Persistenz schaffen am Ende immer noch, 25 Kg Milch pro Tag zu geben. Bei solchen Kühen sinkt die Wahrscheinlichkeit der Verfettung und somit könnte die Rastzeit verlängert werden. Darüber hinaus wirkt sich eine Belegung um den 100sten Laktationstag positiv auf die Gesundheit und somit auch auf die Nutzungsdauer aus.

Strategie 3: Kälberaufzucht verbessern

Für die älteren und schwereren Kälber müssen künftig höhere Verkaufserlöse gezahlt werden. Ob ein veränderter Markt dies widerspiegeln wird und in welcher Höhe – das können Milchviehbetriebe nur abwarten. Aktiv können die Betriebe jedoch die Aufzucht sowohl für Verkaufs- als auch die Nachzuchtkälber optimieren. Dies hat entscheidende Vorteile: die Verkaufskälber nehmen schneller zu und bringen es somit auf höhere Vermarktungsgewichte. Daneben belegen zahlreiche Studien, dass die Nachzuchtkälber später auch höhere Milchleistungen erzielen und vor allem erreichen sie eine weitaus längere Nutzungsdauer

Um hohe Vermarktungsgewichte zu erreichen, sind in den ersten vier Lebenswochen folgende Maßnahmen angezeigt:

Strategie 4: Optimierung der Vermarktung

14 Tage längere Aufzucht auf dem Milchviehbetrieb führt zu zusätzlichen Kosten, die letztlich über den höheren Verkaufspreis ausgeglichen werden müssen. Neben den Kosten für den Stallplatz und der Arbeitszeit fallen vor allem Kosten für die Tränke und das Futter an. Es kann von ca. 75 € zusätzlichen Kosten pro Kalb ausgegangen werden (Lührmann 2021).

Viehhändler halten sich mit zukünftigen Preisaussagen bedeckt, aber alle betonen, dass schwere und gesunde Kälber auch in Zukunft gut vermarktbar sein werden. Dies bedeutet zum einen sollten die Holstein Verkaufskälber ein Gewicht von ca. 65 kg nach 28 Tage erreicht haben. Kurzgesagt die Verkaufs- und die Nachzuchtkälber für die Remontierung sollten gleichermaßen gut aufgezogen werden.

Daneben ist vor allem die Einkreuzung von Fleischrassen bei milchbetonten Rassen als Optimierung der Vermarktung zu nennen. Diese Kälber müssen typische Merkmale der Fellfärbung in der Kreuzungszucht aufweisen. In der Zucht wird dabei immer mehr auf eine leichte Kalbung gezüchtet. Geeignete Rassen sind bspw.: Blau-Weiße-Belgier, INRA 95, Limousin, Angus, usw..

Mit Anpaarungsprogrammen der Zuchtorganisationen lassen sich nun gezielt die Spitzenkühe im Betrieb herausfiltern, von denen Idealerweise die Nachzucht für die notwendige Remontierung behalten werden soll. Wenn diese Kühe gesext weiblich besamt werden, können alle anderen Kühe mit Fleischrindern besamt werden und so einen deutlich höheren Preis bei der Vermarktung erzielen.

Um Kälber zukünftig ideal zu verkaufen und die Kälberaufzucht im eigenen Betrieb zu kontrollieren, wird die Anschaffung eine Kälberwaage empfohlen. Zum einen kann die Betriebsleitung so auf Augenhöhe mit dem Viehhändler kommunizieren (gerade dann, wenn „pro Kopf“ verkauft wird), und zum anderen können Kälber, die nicht die empfohlenen 800 g Tageszunahme erreichen, nicht für die eigene Aufzucht ausgewählt werden.

Wichtig ist für die Zukunft, ein gezieltes Gespräch mit den Viehhändlern und Mästern bzw. Aufzuchtbetrieben zu suchen. Welche Kälber sind gefragt? Ganz wichtig: das Gewicht; aber auch über eventuelle Impfungen sollte gesprochen werden.

Fazit

Viele Händler berichten von lebensschwachen Kälbern bei einem Transport von derzeit 14 Tagen alten Kälber. Wenn zukünftig erst mit 28 Tagen ein Transport stattfinden darf, wird sich dies bei einem guten Management positiv auf die Kälbergesundheit auswirken.

Dazu bedarf es jedoch einer Ausweitung der Haltungskapazitäten für Kälber.

Durch eine längere Rastzeit bei hochleistenden Kühen lässt sich Zahl der Kälber reduzieren.

Um die Vermarktungsmöglichkeiten zu verbessern, macht es bei milchbetonten Rassen Sinn, Kühe mit denen nicht weiter gezüchtet werden soll, mit Fleischrinderrassen zu besamen.

Die Anschaffung einer Kälberwaage kann für die Vermarktung von Vorteil sein.