Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Horntragende Kühe im Laufstall – so geht’s

Das Angebot an genetisch hornlosen Zuchtbullen nimmt sowohl quantitativ als auch qualitativ zu. Für viele Landwirte ist deren Einsatz, sowie die Umstellung der Milchkuhherde auf genetisch hornlose Tiere die Möglichkeit, das unbeliebte als auch in der Kritik stehende Enthornen der Kälber zu vermeiden.

Ein anderer Weg ist die Haltung horntragender Kühe. Wie diese im Laufstall für Mensch und Tier funktionieren kann, erfuhren etwa 23 interessierte Landwirte und Studierende kürzlich bei der Vorstellung des Forschungsprojekts „Hörner im Laufstall“ der Projektpartner Universität Kassel, Demeter und Bioland auf einer Tagung in Twistetal, die in Kooperation mit LLH und VÖL veranstaltet wurde.

Am Forschungsprojekt waren 39 Öko-Milchviehbetriebe beteiligt. Sie wurden über drei Jahre hinweg intensiv untersucht. Ihre Herdengröße lag zwischen 13 und 135 Milchkühen. Herdenmanagement und stallbauliche Faktoren wurden erhoben, hornbedingte Schäden an den Tieren erfasst und Herdenbeobachtung durchgeführt. In vier regionalen Gruppen kamen die Milchvieh-PraktikerInnen zusammen und tauschten Erfahrungen aus. Die Treffen wurden von BeraterInnen begleitet und mit diesen wurden Verbesserungsvorschläge und deren Umsetzung diskutiert.

Ökolandbau und horntragende Kühe

Demeter-Betrieb Schanzenhof von Tobias Hofius mit 70 horntragenden HF Milchkühen und eigenem Stier, saisonale Abkalbung Nov-März; Foto: Ulrich Mück

Die Haltung horntragender Kühe ist aus Gründen des Tierwohls und der Erhaltung alter Rassen und genetischer Ressourcen vor allem im Ökolandbau erwünscht und im Demeter-Verband sogar vorgeschrieben. Allerdings ist das Risiko von Verletzungen durch soziale Auseinandersetzungen in horntragenden Herden größer. Deshalb sind gute Haltungs- und Managementbedingungen sowie ein tierfreundlicher und fachkundiger Umgang mit den Kühen besonders wichtig.

Im Rahmen der EU-Bioverordnung ist die Enthornung nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Sie muss fachgerecht ausgeführt werden, und „jegliches Leid der Tiere ist auf ein Minimum zu begrenzen“. Prof. Dr. Ute Knierim von der Universität Kassel stellte in ihrem Beitrag dar, dass dafür neben dem Einsatz von Beruhigungs- und Schmerzmitteln auch eine lokale Betäubung durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt notwendig ist, so wie es für Öko-Betriebe in Hessen verpflichtend ist.

Gleichzeitig warb sie dafür, die Haltung horntragender Milchkühe stärker zu fördern. Probleme mit Hörnern als „Alarmlampe“ weisen auf Problembereiche hin, die für hornlose Kühe auch gelten, die aber dort weniger auffallen. Sie verwies darauf, dass HalterInnen, die horntragende Kühe erfolgreich mit wenigen Schäden im Laufstall halten, damit Ihre hervorragenden tierhalterischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Um diese weiterzuentwickeln, wurde in dem gemeinsamen Forschungsprojekt von Praxis, Beratung und Wissenschaft ein „Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe“ entwickelt. Er ermöglicht es Milchviehhaltern, den Status quo ihres Betriebs selbst zu ermitteln und bietet, falls nötig, Vorschläge zur Optimierung. Ausgangspunkt ist, ob und in welchem Umfang Schäden durch Hornstöße an den Kühen festzustellen sind. Er ist auch zur Orientierung für Betriebe geeignet, die wieder auf die Haltung horntragender Milchkühe umstellen wollen.

Laufstallbau als historischer Ausgangspunkt für Enthornung

Weidebetrieb mit Liegeboxen-Laufstall (Umbaulösung, 2x5 FG-Melkstand, Palisadenfressgitter ohne Einzeltierfixierung, 6400 l/Kuh, Vermarktung von „Hornmilch“ an Molkerei Schrozberg); Foto: Ulrich Mück

Dass die Enthornung der Rinder ihren Ausgangspunkt im Bau von Laufställen hatte, machte Ulrich Mück, Koordinator des Bereichs Beratung im Forschungsprojekt und Berater von Demeter-Milchviehbetrieben in Bayern deutlich. Die in den 60iger bis 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts gebauten Laufställe boten mit ihren Stallbaumaßen – nach heutiger Kenntnis – weder horntragenden noch hornlosen Milchkühen artgerechte Haltungsbedingungen. In horntragenden Herden zeigte sich dies sehr schnell am Verhalten und an Verletzungen der aus der Anbindehaltung kommenden Tiere. Unfälle ergaben zudem Bedenken der Arbeitssicherheit gegenüber horntragenden Rindern generell. Es entstand das Dogma der Notwendigkeit der Enthornung sofern Rinder im Laufstall gehalten werden sollen. Für die am Projekt beteiligten Milchviehbetriebe und auch den am Nachmittag besuchten Betrieb von Tobias Hofius, Bad Arolsen, war das Thema der Sicherheit jedoch kein Hinderungsgrund. Der Betriebsleiter des Schanzenhofes arbeitet seit Jahrzehnten zusammen mit MitarbeiterInnen, Auszubildenden und PraktikantInnen mit etwa 70 horntragenden Milchkühen im Laufstall.

Sein Tenor war, wer horntragende Kühe halten will, muss besonders die für alle Rinderhalter geltenden Grundsätze der Arbeitssicherheit im Umgang mit Tieren berücksichtigen. Aufmerksamkeit, Wissen über das Sozialverhalten, Wertschätzung, ruhiger Umgang und optimales Herdenmanagement sind Bedingungen für geringe Unfall- und Verletzungsgefahren. Sofern jemand bereit ist, in dieser Art mit seinen Tieren umzugehen, hat er ein kaum höheres Risiko als Rinderhalter hornloser Herden. Mitarbeiter sind daraufhin zu schulen. Darauf verwies auch Berater Mück.

Durch Hornloszucht und den stark zunehmenden Einsatz genetisch hornloser Stiere in der Besamung droht, einer wissenschaftlichen Studie des Demeter-Verbandes gemäß, in wenigen Jahren das Aussterben horntragender Milchkühe in den Hauptrinderrassen in Deutschland.

Dass die Bedeutung der horntragenden Rinder für die gemeinsame Kulturgeschichte der Menschen und der Rinder sehr groß ist, zeigte Berater Mück an vielen historischen und durchaus gegenwärtigen Beispielen. Biologisch zählen die Rinder zu den Hornträgern und Hörner sind eigene artspezifische Organe der Rinder. Hornlos gezüchtete Rassen entstanden erst vor etwa 200 Jahren, gibt er zu bedenken, auch wenn es einzelne Nachweise hornloser Rinder schon bei den Ägyptern gab.

Eine ruhige Herde als oberstes Ziel

Eine ruhige und rangordnungsstabile Herde sollte das oberste Ziel für den Betriebsleiter in horntragenden Herden sein, betonte Berater Mück. Insbesondere der Fressbereich und die Futterkonkurrenz müsse ins Auge gefasst werden. Hochrangige Kühe beanspruchen ihr Recht und verdrängen niederrangige Kühe vom Futter.

Nach Mück ist ausreichendes, gleichmäßig vorgelegtes, qualitativ hochwertiges und für alle Tiere verfügbares Futter eine wesentliche Voraussetzung für eine ruhige horntragende Herde, außerdem ist eine Empfehlung aus dem Werkzeugkasten eine ausreichende Fressplatzbreite pro Kuh. Für das Fressen nannte Berater Mück zwei stallbauliche Strategien: Ein eingebautes Selbstfang-Fressgitter, was in Süddeutschland sehr verbreitet ist, sowie „Ad-libitum-Fütterung“ also ständig verfügbares Futterangebot. Die Vorteile der ad-libitum Grundfuttergabe konnten auch im Projekt bestätigt werden. Sofern Nackenriegel oder Palisaden eingebaut sind und die Tiere nicht fixiert werden, muss der Betriebsleiter ein großzügiges Futterangebot und häufiges Futteranschieben gewährleisten, empfiehlt Mück.

Die Beobachtung der Herden im Stall ergab im Projekt überraschend, dass im Wartebereich anteilig die meisten Auseinandersetzungen stattfinden, gefolgt vom Austrieb der Tiere aus dem Melkstand und dem Fressgang an dritter Stelle. Da nach dem Melken meist frisches Futter vorgelegt wird, wurde jedoch verständlich, dass der Wartebereich für die meisten Kühe bereits mit Futter in Zusammenhang gebracht wird. Nach Aussage von Berater Mück ist hierbei wichtig, dass sich die Herde vor dem Melken selbst sortieren kann, ausreichend Platz zur Verfügung steht und im Wartebereich nicht verdichtet wird. Interessant ist, dass Betriebe mit Heufütterung (Heumilch) im Projekt weniger Schäden an den Tieren aufwiesen. Eine erhöhte Zuteilung von Kraftfutter erhöhte dagegen die hornbedingten Schäden an den Tieren. Im Werkzeugkasten wird auf Kraftfutterstationen und deren Ausführung hingewiesen. Stationen mit hinterer Tür und vorderem seitlichen Ausgang sind für horntragende Herden sehr zu empfehlen.

Fläche ist nicht alles

Gegenüber früheren Angaben bestätigte sich im Projekt nicht, dass nur in Ställen mit möglichst viel Flächenangebot und nur ohne Sackgassen ruhige horntragende Herden gehalten werden könnten. Wesentlicher ist nach Mück, dass ein Rundlauf im Stall ermöglicht wird. Eine weitere Empfehlung im Werkzeugkasten ist ein Tier-Fressplatzverhältnis von mindestens 1:1,1. Auf eine gute Verteilung von Tränken im Stall und auch auf eine ausreichende Anzahl an Tränken ist zu achten. Rindernde Kühe sollten in eine separate Bucht oder dem Stier zugeführt werden, um Unruhe zu vermeiden. Ein weiteres interessantes Projektergebnis ist, dass ein besonderes Augenmerk auch auf die Integration der Kalbinnen zu richten ist.

Insgesamt zeigte sich, dass die Betriebsleiter und ihre Herdenführung sehr großen Einfluss haben. Sie können dadurch auch ungünstige stallbauliche Faktoren kompensieren.

Die Vermarktung der Milch horntragender Kühe und entsprechendes Hörner-Marketing wird mittlerweile von einer Reihe von Molkereien und Käsereien aufgegriffen. Hornmilch ist gefragt. Auch im Fleisch-Bereich wird neuerdings darauf Bezug genommen (Allgäuer Hornochs).

Der „Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe“ ist im Internet abrufbar unter www.uni-kassel.de/go/werkzeugkasten

Der Demeter Verband wirbt für ein Züchter-Netzwerk zur Erhaltung horntragender Milchkühe und die Möglichkeit der Eintragung in eine Züchterkarte unter https://www.hornkuh.de/zuechter-halter-netzwerk

 

 

 

Schanzenhof, Tobias Hofius, Demeter-Betrieb

70 horntragende HF Milchkühe, eigener Stier, saisonale Abkalbung Nov-März, Weidebetrieb, Liegeboxen-Laufstall, Umbaulösung, 2×5 FG–Melkstand, Palisadenfressgitter ohne Einzeltierfixierung, 6400 l/Kuh, Vermarktung von „Hornmilch“ an Molkerei Schrozberg.

 


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