Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Rinder

Wenn es juckt und sticht

Im Winter wie im Sommer werden die Rinder von verschiedensten Insekten geplagt. Schlagen die Kühe das Melkzeug ab, betrifft es auch den Landwirt. Doch wie kann man den Ektoparasiten (Außenschmarotzer) Einhalt gebieten? Dieser Frage ging der hessische Arbeitskreis „Weide“ nach und befragte den Spezialisten Prof. Dr. Christian Bauer (Institut für Parasitologie Justus-Liebig-Universität Gießen).

Nach einer Befragung der Mitglieder des Arbeitskreises „Weide“ kennen alle Milchviehbetriebe die lästige Räude und ein Drittel findet diese bei den Kühen im Winter vor. Läuse und Haarlinge sind allen befragten Mutterkuhhaltern bekannt und bei deren Kühen auch schon aufgetreten. Es stellen sich schnell die Fragen, wie sich diese Parasiten unterscheiden, ob sie nur bei Einzeltieren vorkommen und welcher (wirtschaftliche) Schaden für Kuh und Landwirtschaftsbetrieb entsteht.

So unterscheiden Sie Ektoparasiten

Grundsätzlich kann man Ektoparasiten nach bestimmten Kriterien einteilen und unterscheiden. Diese Unterscheidungsmerkmale haben für die Bekämpfung eine praktische Relevanz:

Haltungsort des Wirtstieres (Stall oder Weide)
Welche Parasiten kommen wo vor?
Auswirkung auf Wirtstiere
Ist der Parasit direkt schädigend oder ist er Überträger von schädigenden Viren?
Wirtspezifität
Ist eine wechselseitige Übertragung möglich (z.B. Mensch-Rind)?
Zoologische Systematik (Zecken/Milben = Acari)
Welche Medikamente sollten eingesetzt werden? Akarizide oder insektizide Medikamente?
Kontaktdauer mit dem Wirtstier (ständig oder kurzzeitig parasitisch lebend?)
Anwendungsdauer/Wirksamkeitsdauer des Medikaments beachten (kurzzeitige oder langanhaltende Wirkung)
Art der Nahrungsaufnahme der Parasiten (blutsaugend oder nicht blutsaugend)
Eine ausreichende Aufnahme des Medikaments durch den Parasit ist abhängig davon, ob es im Blut zirkuliert (Blutsauger) oder auf/in der Haut verfügbar ist (Hautschabende Insekten)
Vorkommen/Verbreitung
Parasiten kommen überall vor (Weidefliegen, Bremsen, Gnitzen, Stallfliegen)
Parasiten kommen nur in Endemiegebieten vor (Kriebelmücke, Schildzecke)
Häufigkeit des Auftretens
  • Nagemilben-Räude und Haarlinge kommen häufig in Rinderherden vor
  • Läuse, Saug- und Grabmilbenräude treten selten in Deutschland bei Rindern auf

Räudemilben: Hat eine Kuh sichtbare Symptome, sind alle Kühe befallen!

Steißräude Foto: Christian Bauer, Uni Gießen

Vielen Landwirten ist das Bild bekannt: Am Schwanzansatz einzelner Kühe fehlt im Winter der Haarbewuchs. Die Tiere sind unruhig und schlagen mit dem Schwanz. Oft wird es bei dem Registrieren dieser Kühe belassen in der Hoffnung, dass nur Einzeltiere betroffen sind. Die sogenannte Steiß-, Schwanzräude wird durch die Nagemilbe (Chorioptes-Milbe) hervorgerufen. Dieser Parasit lebt ständig auf seinem Wirt und ernährt sich von Hautschuppen. Der Name (Nagemilbe) ist bezeichnend für die Ernährung durch Hautzellen des Wirtes. Die Nagemilbe kann außerhalb des Wirtes zwei bis drei Wochen überleben und somit auch durch Kuhbürsten von Kuh zu Kuh übertragen werden.

Eine Untersuchung in 123 rheinland-pfälzischen Milchviehbetrieben ergab, dass 59% der Betriebe mit diesem Parasit befallen waren. Ein Versuch zeigte, dass eine befallene Herde, die mit Eprinex pour on behandelt wurde 12 Wochen im Anschluss an die Behandlung 0,5 kg Milch pro Kuh und Tag mehr Milch gab gegenüber der befallenen Kontrollgruppe. Das betraf alle Kühe der Versuchsgruppe. Wie ist das zu erklären? Räudemilben werden von Kuh zu Kuh übertragen. Hat eine Kuh sichtbare Symptome, sind alle Kühe befallen! Das führt zu einem starken Juckreiz, der zur Unruhe der Tiere führt. Die für die Milchproduktion notwendigen Ruhephasen werden gestört und verkürzt. Der erhöhte Energieverbrauch führt zu Einbußen in der Milchproduktion.

Haarlinge und Läuse kleben ihre Eier ins Fellkleid

Einen Haarlingsbefall (Bovicola bovis) erkennt man an den am Körper befindlichen aufgerauten und verklebten Stellen im Fellkleid. Haarlinge und Läuse verkleben ihre gedeckelten Eier (Nissen) an die Haare des Wirtes. Auch Haarlinge können zwei bis vier Wochen in der Umgebung überleben. UV- Licht hat eine akarizide und insektizide Wirkung. Deshalb tritt ein Räude- und Haarlingsbefall im Sommer bei Weidegang nicht auf. Die Parasiten überleben aber an UV-sicheren Stellen (Zwischenschenkel, Ohrmuschel) den Sommer und es kommt im Winter erneut zu einer Vermehrung.

Ziel der Bekämpfung ist die komplette Eliminierung des Parasiten

Deshalb gilt bei allen ständig parasitisch lebenden Außenschmarotzern: Ziel der Bekämpfung ist die komplette Eliminierung (Eradikation) des Parasiten. Das trifft neben den Räudemilben auch für Läuse und Rinderhaarlinge zu.

So gehen Sie vor:

  • Behandlung aller Tiere mit einem Pour-On-Mittel (keine Injektion, Ausnahme: bei blutsaugenden Läuse wirkt eine Injektion)
  • Zweimalige Behandlung im Abstand von drei Wochen (der Entwicklungszyklus der Parasiten beträgt zwei bis drei Wochen, der Wirkstoff erreicht nur adulte Parasiten)
  • Für Räudemilben muss das Medikament eine akarizide Wirkung haben
  • Für Haarlinge muss das Medikament eine insektizide Wirkung haben
  • Entwesung der Stallräume (Desinfektion)
  • Bei Tag- und Nachtweidegang sollte die Behandlung zur Einstallung erfolgen
  • Auf eine Entwesung der Stallräume kann nur dort verzichtet werden, wo im Sommer alle Tiere Tag und Nacht auf der Weide sind

Fliegen und Bremsen den „Garaus“ machen

„Fliege ist nicht gleich Fliege,“ so die einführenden Worte des Professors zu diesem Thema. Fliegen unterscheiden sich strikt nach ihrem Vorkommen: entweder im Stall oder auf der Weide. Eine Vermischung der Lebensräume gibt es nicht.
Zu den Stallfliegen zählen die (harmlose) Große und Kleine Stubenfliege und der blutssaugende Wadenstecher. Diese Fliegen legen ihre Eier in organisches Material (Küchenabfälle, Mist, Gülle usw.) und erzeugen sechs bis neun Generationen pro Jahr.

Die Augenfliege ist eine Weidefliege und Erreger der ansteckenden Weidekeratitis
Zu den Weidefliegen gehören die Augen-, und Euterfliege. Diese verfügen über leckende und saugende Mundwerkzeuge, die proteinhaltige Sekrete der Wirtstiere (Tränen, Blut, Eiter) aufnehmen. Der Erreger der „Holsteinischen Euterseuche“ (Sommermastitis bei Jungrindern) nutzt die Euterfliege als Überträger. Die Große und Kleine Weidestechfliege saugt dagegen am Wirt Blut. Das passiert pro Fliege 20- bis 40-mal am Tag! Man erkennt die drei bis fünf mm große Kleine Weidestechfliege daran, dass sie mit dem Kopf nach unten auf dem Fell des Rindes sitzt.

Neben den Fliegen gibt es auf der Weide verschiedene Arten von Bremsen. Der besonders starke Schmerz entsteht durch deren Mundwerkzeug, welches nicht sticht, sondern die Haut „aufsägt“. Das hervortretende Blut wird aufgenommen und lockt weitere Insekten an. Bremsen durchlaufen im Gegensatz zu den Fliegen einen sehr langsamen Entwicklungszyklus. Dieser dauert ein bis drei Jahre. Das adulte Tier lebt danach im Gegensatz zu den Fliegen nur einen Monat.

Gegen Weidefliegen und Bremsen kann ein Pyrethroid, welches insektizid und repellierend (abwehrend) wirkt, helfen. Das gibt es in Form von Ohrmarken oder in einer Aufgussbehandlung, die alle drei bis vier Wochen zu wiederholt werden muss. Nicht jeder Wirkstoff verhindert allerdings Bremsenstiche.

Im Stall: Wadenstecher sind schwierig zu bekämpfen

Viele Landwirte kennen folgende Situation: Die Kühe kommen von der Weide in den Melkstand und eine Fliegeninvasion (Wadenstecher) befällt die Kühe. Die ersten Minuten ist es nicht möglich, ein Melkzeug in Ruhe anzuhängen. In diesem Fall bringen die Kühe die Fliegen nicht von der Weide mit in den Stall, sondern Stallfliegen (Wadenstecher) stürzen sich auf die Rinder.

Gegen diese Stallfliegen helfen keine insektiziden Ohrmarken. Die insektiziden Ohrmarken sollten im Herbst nach Weideeintrieb von den Kühen/Rindern entfernt werden. Andernfalls bilden die Stallfliegen aufgrund ihres kurzen Vermehrungsintervalls Resistenzen! Auch auf insektizide Pour-on-Präparate sollte verzichtet werden.

Der Wadenstecher (Stomoxys calcitrans) ist ein großes Problem und schwierig bekämpfbar. Die biologische Bekämpfung per Schlupfwespe erwies sich als unwirksam. Lediglich das gründliche Beseitigen von Kot- und Futterresten, sowie der Einsatz von entsprechenden Bioziden als Anstreich-, Spritz-, Streu- oder Gießmittel in Stallräumen zeigt eine Minderung. Dabei muss der Wirkungsbereich des Biozids (adultes Tier oder Larvenstadium) beachtet werden.

Klein und gefährlich: Gnitzen übertragen Viren

Gnitzen (Culicoides) sind sehr kleine Mücken (ein bis drei 3 mm groß), die mit mehreren Arten in Deutschland vorkommen. Als Überträger des Blauzungenvirus (Blue Tongue, BT) und Schmallenbergvirus haben sie eine große Bedeutung für Wiederkäuer. Sie halten sich überwiegend im Freiland auf, fliegen aber auch in Stallgebäude. Sie verfügen über ein geringes Flugvermögen (< 500 m), können aber durch den Wind weit verdriftet werden (bis 500 km).

Blauzungenkrankheit in den Niederlanden neu aufgetreten

Seit dem 01. Juni 2023 ist ganz Deutschland wieder als amtlich seuchenfrei anerkannt (Durchführungsverordnung 2021/620 der Kommission, zuletzt geändert am 01.06.2023

In den Niederlanden tritt seit Anfang September 2023 eine neue Variante der Blauzungenkrankheit bei Schafen und Rindern auf. Die Blauzungenkrankheit des Serotypen-3 (BTV-3) breitet sich in den Niederlanden sehr schnell aus. Inzwischen sind bereits 578 Tierhaltungen, Schafe und Rinder, betroffen (Stand: 3. Oktober 2023). Die Erkrankung breitet sich etwa mit 2 km/Tag aus. Der Abstand zur Deutschen Grenze beträgt aktuell nur noch 15 km, daher ist demnächst mit den ersten Infektionen auch in Deutschland zur rechnen.

Die infizierten Tiere in den Niederlanden zeigen bisher ähnliche Symptome wie beim Auftreten von BTV-8 2006/2007. Dazu gehören: Fieber, Entzündungen der Maulschleimhäute mit vermehrtem Speichelfluss sowie Schwellungen im Kopfbereich, Lahmheiten und Aborte. Schafe zeigen die deutlichsten Symptome und erkranken stärker als Rinder und Ziegen.

Das Virus der Blauzungenkrankheit wird durch Gnitzen übertragen. Der sicherste Schutz vor einer Erkrankung bietet die Impfung. Allerdings gibt es derzeit noch keine Impfung gegen BTV-3. Ohne Impfung können die Tierhalter nur versuchen mittels Repellentien die Gnitzen von den Tieren fernzuhalten, aber eine Ansteckung oder Erkrankung lässt sich durch die Behandlung nicht 100 %ig verhindern.

Bei einer alten Impfung gegen BTV-8 oder -4 – ist aufgrund der geringen Verwandtschaft dieser Virusvarianten nicht mit einer sogenannten Kreuzimmunität gegen BTV-3 zu rechnen.

Das Friedrich-Löffler-Institut informiert über das aktuelle Geschehen:
https://www.fli.de/de/aktuelles/tierseuchengeschehen/blauzungenkrankheit/


Dieser Artikel erschien in 2016, letzte Aktualisierung: Oktober 2023.


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