Rinder
Analysen zu Beef on Dairy (BoD) in hessischen Milchviehbetrieben
In den letzten Jahren hat das Thema Beef on Dairy (BoD), d.h. Besamungen von Milchkühen mit Fleischrinderbullen, zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Auch in den hessischen Milchviehbetrieben ist der deutliche Trend zu erkennen, dass Fleischrinderbullen in Milchviehbetrieben zum Einsatz kommen. Ein Grund liegt darin, dass reinrassige HF-Kälber nicht den gewünschten Kälberpreis erzielen und BoD Kreuzungskälber zu einem höheren Preis vermarktet werden können. BoD wird insbesondere bei den Kühen eingesetzt, bei denen die Leistung und das Exterieur nicht mit den Vorstellungen und Erwartungen der Betriebsleitung übereinstimmen. Die Nutzung von gesextem Sperma und die genomische Selektion haben die Verbreitung von BoD begünstigt. Diese Technologien ermöglichen es, noch effizienter und gezielter zu selektieren.
Gleichzeitig wird BoD in der Praxis und in der Wissenschaft sehr stark diskutiert:
- Die Abkalbungen sind häufig erschwert und dies kann zu negativen Auswirkungen auf Kuh und Kalb führen (Foraker et al., 2022) (Fouz et al.,2013).
- Außerdem wurden längere Trächtigkeitsdauern aufgrund von BoD beobachtet.
- In Bezug auf die Milchleistung zeigte sich, dass Kühe, die mit einem Fleischrinderbullen trächtig waren, tendenziell eine geringere Milchleistung aufwiesen im Vergleich zu reinen Milchrindanpaarungen.
Lassen sich diese Beobachtungen in hessischen Betrieben bestätigen? Das untersuchte Krister Schelle auf der Basis von Daten aus hessischen Milchviehbetrieben im Rahmen seiner Masterarbeit am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Justus-Liebig-Universität und beim LLH sowie mit Unterstützung der Qnetics.
Ziel der Masterarbeit war es, die verschiedenen Fleischrinderrassen und auch einzelnen Fleischrindbullen hinsichtlich ihres Einsatzes in der Milchviehhaltung anhand von umfangreichen Betriebsdaten zu betrachten. In diesem Zusammenhang wurden die Selektionsentscheidungen für oder gegen BoD, die Auswirkungen von BoD auf Kalb und Muttertier und die Entwicklung von BoD untersucht. Zusätzlich wurde parallel ein Fragebogen entwickelt und an hessische Betriebsleitungen verschickt: Hierbei ging es insbesondere um eine Einschätzung zur weiteren Entwicklung von BoD in Hessen.
In die Datenerfassung wurden alle Betriebe aufgenommen, die in den letzten Jahren vermehrt Fleischrindersperma von Qnetics bezogen haben. Dies waren 86 hessische Milchviehbetriebe. Insgesamt ergaben sich auf dieser Datenbasis 33873 Abkalbungen von Kühen der Rassen HF-Schwarzbunt oder HF-Rotbunt. Von diesen 33873 Abkalbungen waren 4078 Abkalbungen sogenannte BoD-Abkalbungen mit den Vaterrassen Charolais, Limousin, Weißblau Belgier (WBB), Fleckvieh Fleisch und INRA 95. Zum Vergleich wurden 29795 reinrassige HF-Abkalbungen in diesen Betrieben in den Auswertungen berücksichtigt.
Im Rahmen der Praxisbefragung wurden alle hessischen Betriebe aus der MLP 2022 herausgefiltert, die mehr als 100 Kühe halten und nicht dem Fleckvieh Herdbuch angehören. Insgesamt wurden 356 Betriebe Mitte April dieses Jahres per Mail angeschrieben. 61 Betriebe haben den Fragebogen beantwortet.
Ergebnisse
Abbildung 1 zeigt den Anstieg von BoD in Hessen im zeitlichen Verlauf ab 2011. Im Jahr 2011 waren nur 0,63 % der Abkalbungen auf die Vaterrasse Fleischrind zurückzuführen und in den Folgejahren ist eine deutliche Zunahme des Einsatzes von Fleischrindbullen in den hessischen Betrieben zu verzeichnen. Im Jahr 2016 war bei 5,58 % aller Abkalbungen die Vaterrasse ein Fleischrind, im Jahr 2021 lag der Anteil bei 20,32 % und 2022 gar bei 26,49 %.
Im Fragebogen gaben 91,4 % der Betriebsleitungen an, dass sie auf ihrem Betrieb Fleischrinderbullen einsetzen. Von diesen 91,4 % wollen 58,6 % den Anteil in den nächsten Jahren sogar noch erhöhen.
Bei der Betrachtung der Vaterrasse über die Jahre (Abbildung 2) zeigt sich, dass die Rasse Charolais immer mehr an Bedeutung verloren hat. Während im Jahr 2014 noch 36,4 % aller BoD-Abkalbungen auf die Vaterrasse Charolais entfielen, waren es im Jahr 2022 nur noch 0,4 % aller BoD-Abkalbungen. Eine Zunahme in den letzten 4 Jahren konnte bei den Vaterrassen Angus und INRA 95 festgestellt werden.
Betrachtet man den Einsatz der Fleischrinderrassen von 2011-2022, so zeigt sich, dass die Rasse Weißblaue Belgier mit 62,57 % aller BoD-Abkalbungen den höchsten Anteil an allen BoD-Abkalbungen hat. Es folgen die Rassen Limousin mit 14,55 % und INRA 95 mit 14,39 %.
BoD bei Färsen birgt Risiken
Bei der Betrachtung der Laktationsnummer wird deutlich, dass der Anteil der Belegungen mit einem Fleischrinderbullen mit der Anzahl der Laktationen zunimmt. Während in der ersten Laktation 3,53 % aller Abkalbungen von Fleischrindern stammten, stieg dieser Wert mit zunehmender Laktationsnummer an. Der höchste Wert wurde in der fünften Laktation mit 21,66 % erreicht. Dies zeigt sich auch bei der Befragung der hessischen Milchviehbetriebe. Auf die Frage, bei welchen Kühen sie Fleischrinderbullen einsetzen, gaben 14,81 % an, dass sie BoD ab einer bestimmten Laktation praktizieren. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass in der ersten Laktation vor allem die Vaterrasse Angus mit 13,5 % aller Fleischrinderbelegungen eingesetzt wird.
Weiter ging aus den Befragungen hervor, dass der Einsatz von Fleischrinderbullen bei Färsen kritisch zu hinterfragen ist:33 % der Abkalbungen wurden als schwer eingestuft. Wurde die Färse mit einem Weißblauen Belgier belegt wurden 49,19 % der Abkalbungen als schwer eingestuft.
Betrachtet man das Geschlecht der BoD Kälber, so zeigt sich, dass BoD-Kälber vermehrt männlich sind. In der Datenauswertung konnte keine Aussage darüber getroffen werden, ob die Kälber männlich gesext waren. Aus der Praxisbefragung ging jedoch hervor, dass 13,33 % der teilnehmenden Betriebe gesextes Fleischrindersperma verwenden und es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass bei BoD vermehrt männlich gesextes Sperma eingesetzt wird.
Der Anteil der Fleischrinderbesamungen stieg mit der Zahl der Besamungsversuche innerhalb der Laktation. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Betriebsbefragung. Hier gaben 74 % der Befragten an, insbesondere Kühe mit schlechter Fruchtbarkeit mit Fleischrinderbullen zu besamen. Dies ist verständlich, da BoD vor allem dann eingesetzt wird, wenn die Kuh nicht tragend wird. Bei den Besamungsversuchen ist zu ergänzen, dass bezüglich der Güstzeit vor der Besamung mit einem Fleisch- oder Milchbullen in der vorliegenden Untersuchung deutliche Unterschiede festgestellt wurden. Längere Güstzeiten wurden festgestellt, wenn die anschließende Besamung mit einem Fleischrinderbullen erfolgte.
BoD-Kälber erzielen höhere Verkaufspreise
Die Analyse zur Vermarktung der BoD-Kälber ergab, dass 70,68 % der Kälber zur Mast verkauft und 12,71 % auf den Betrieben selbst gemästet wurden. Dies deckt sich in etwas mit den Ergebnissen der Praxisbefragung. Gespräche mit einigen Betriebsleitenden in Hessen haben gezeigt, dass die Eigenvermarktung von Kreuzungskälbern (Fleisch x Milch) eine weitere Einkommensquelle für die Betriebe darstellen kann, da die Fleischqualität von BoD-Tieren besser ist, verglichen mit der von reinrassigen HF-Tieren. Dies wird durch Studien bestätigt und könnte in Zukunft eine interessante Möglichkeit für Betriebe darstellen, BoD-Kälber zu einem höheren Preis zu vermarkten.
Im Fragebogen wurden die Betriebsleitungen gebeten, eine subjektive Einstufung der Kälberpreise vorzunehmen. Sowohl bei dem Kälberpreis bis zum 31.12.2022 (Abbildung 2) als auch beim Kälberpreis nach dem 1.1.2023 (Abbildung 3) nimmt die Preisklasse 250-300 €/Kalb den größten Anteil ein. Auf die Frage, welche Vaterrasse der Kälber die höchsten Preise erzielt, wurde mit 77,8 % von 54 Antworten die Rasse Weißblaue Belgier genannt.
Mehr schwere Kalbungen
Die Auswertungen zum Kalbeverlauf ergaben, dass Kühe, die mit Fleischrinderbullen belegt wurden, einen schwereren Kalbeverlauf hatten (Abbildung 5). Vor allem bei der Besamungsbullenrasse Weißblaue Belgier, Limousin und INRA 95 waren die Kalbeverläufe im Vergleich zu HF signifikant schlechter. Dass der Ablauf der Abkalbung für die Betriebe ein Problem darstellt, geht auch aus den Antworten des Fragebogens hervor. Über zu viele Schwergeburten berichteten 8 Teilnehmende des Fragebogens. Zudem ziehen sich die Auswirkungen der Schwergeburten nach Aussage vieler Betriebsleitungen mit unerwünschten Begleiterscheinungen bis in die Laktation hinein. Außerdem besteht die Gefahr, dass sowohl das Kalb als auch die Kuh abgehen. Nach Meinung der befragten Betriebsleitungen kann dieser wirtschaftliche Schaden nicht durch den höheren Verkaufspreis der Kreuzungskälber kompensiert werden.
Die Länge der Trächtigkeitsdauer (Abbildung 6) wurde als ein weiterer Nachteil bei BoD Besamungen in der Masterarbeit identifiziert, was die Ergebnisse von vorliegenden nationalen und internationalen Studien bestätigt. Es zeigte sich, dass Kälber der Vaterrasse Fleischrind eine längere Trächtigkeitsdauer aufweisen und vor allem die Vaterrassen Limousin und INRA 95 bewirken eine signifikant längere Trächtigkeitsdauer im Vergleich zu den HF-Bullen.
Milchleistung ist nicht geringer
Bei der Betrachtung der Milchleistung nach Geburt eines Kalbes mit der Vaterrasse Fleischrind konnten keine signifikanten Unterschiede anhand der hessischen Daten festgestellt werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass Kühe, die mit Milchrinderbullen belegt wurden, tendenziell eine höhere Milchleistung aufweisen. Dies gilt auch für die Auswertung mittels komplexer genetisch-statistischer Modelle, in denen u.a. auch Korrekturen auf das genetische Anpaarungsniveau der Mutter erfolgten.
Keine signifikanten Unterschiede konnten bei der Betrachtung der Abgänge nach der Geburt eines Kalbes von einem Milchvieh- oder einem Fleischrindbullen festgestellt werden. Es ging aber hervor, dass die Kühe, die mit einem Fleischrind belegt wurden, den Betrieb mit einer höheren Wahrscheinlichkeit aufgrund von Euter- und Klauenproblemen verlassen. Dies ist im Einklang mit den Ergebnissen der Praxisbefragung. Hier gaben die Teilnehmenden an, dass Kühe, die mit Fleischrinderbullen belegt wurden, Euter oder Klauenprobleme haben.
Zusammenfassung
Die Besamung von Fleischrindern in hessischen Milchviehbetrieben gewinnt zunehmend an Bedeutung. Durch den Einsatz von gesextem Sperma und der genomischen Selektion kann mit BoD eine Möglichkeit geschaffen werden, noch effizienter zu züchten und zu selektieren. Durch BoD kann die Anzahl der HF-Kälber reduziert werden. Zwei Herausforderungen für die Betriebsleitungen sind der schwierigere Kalbeverlauf und die längere Trächtigkeitsdauer bei BoD-Kälbern. Da nach den Ergebnissen der Umfrage mit einer weiteren deutlichen Zunahme von BoD zu rechnen ist, ist es wichtig, eine Zuchtwertschätzung für Kreuzungen von Fleischrindbullen mit HF-Genetik einzuführen. Die Themen Hornlosigkeit und Fellfarbe wurden in der Masterarbeit nicht betrachtet. Diese Aspekte werden in den nächsten Jahren mehr an Bedeutung gewinnen und sollten in weiteren Untersuchungen näher betrachtet werden.
In Kürze
Die Besamung von Fleischrindern auf Milchviehbetrieben oder Beef on Dairy (BoD) gewinnt auch in Hessen immer mehr an Bedeutung. Durch BoD wird eine Möglichkeit geschaffen, Kühe, die nicht den Anforderungen der Betriebsleiter entsprechen, weiter zu belegen und deren Kälber zu einem höheren Preis zu vermarkten. In der Masterarbeit auf der Basis von Daten hessischer Milchviehbetriebe konnte gezeigt werden, dass Kreuzungskälber (Fleisch x Milch) einen schlechteren Kalbeverlauf und eine längere Trächtigkeitsdauer haben, was die bisherigen Untersuchungen bestätigt. Es gibt keine signifikanten Auswirkungen auf die Milchleistung des Muttertieres in der Laktation der betreffenden Abkalbung. Erhöhte Kalb- und Mutterverluste durch die Belegung mit Fleischrinderbullen wie in früheren Untersuchungen konnten nicht festgestellt werden. Es zeigt sich, dass die Besamung mit Fleischrindern vor allem bei Kühen mit schlechter Fruchtbarkeit ein gutes Managementinstrument ist, was auch durch die Antworten im Fragebogen bestätigt wurde. In zukünftigen Untersuchungen sollte das Thema Fellfarbe und Hornlosigkeit weiter vertieft werden.