Rinder
Staatsehrenpreis für Zuchtbetrieb Schweinsberger und Dersch
In vielen hessischen Dörfern ist die Zahl der Milchviehhalter stark zurückgegangen und die Ortschaften, in die kein Tankwagen hereinfährt, ist in den letzten Jahren deutlich größer geworden. Wenn noch ein Milchviehhalter im Dorf ist, war es oft ein Hof, der auch vor 50 Jahren schon zu denen mit größeren Kuhzahlen zählte.
Das ist in Niederwald bei Kirchhain anders. Der Hof der Familie Schweinsberger gehörte mit zu den vielen Höfen mit kleineren Viehbeständen und wurde im Nebenerwerb geführt, die Herde wurde bis auf 16 Kühe mit sehr guter züchterischer Qualität zielgerichtet aufgestockt. Nach dem Verlust seiner außerlandwirtschaftlichen Arbeitsstätte erweiterte Heinrich Schweinsberger den Betrieb in den Vollerwerb mit 40 erstklassigen HF-Kühen. Die nächsten Entwicklungsschritte folgten, als Melanie und Jörg Dersch in die Betriebsleitung mit einstiegen und damit die Weichenstellung für die nächste Generation gestellt wurde. Sowohl die Fahrsiloanlage als auch die Güllelagerung wurden in den Außenbereich verlagert und abschließend folgte der Bau eines Boxenlaufstalles mit separatem Melkhaus. Parallel zur betrieblichen Entwicklung fand konsequent auch der züchterische Fortschritt in der Herde statt. Durch zielstrebige Selektion in der Herde und unter Nutzung der Möglichkeiten, die das Zuchtprogramm der ZBH schon damals bot, standen über Jahre hinweg züchterisch hochinteressante Kühe mit Bullenmutterstatus in der Herde. Aus der sehr leistungs- und vererbungssicheren B-Linie standen Spitzenkühe im Stall und der Qnetics-Vererber Pretty Boy gehörte ebenfalls zu diesem Kuhstamm. Weitere Vererber mit Zweiteinsatzqualitäten waren Xapper und Carbon. Die besten Kühe bei den unterschiedlichsten Schauen im Wettbewerb zu zeigen war und ist für die gesamte Familie ein wichtiger Teil ihrer züchterischen Arbeit. Über viele Jahre hinweg kamen starke Nachkommen aus der Saphir-Linie im Schauring zur Geltung und neben den Spitzenvertreterinnen aus dem B-Stamm war auch die Allen-Tochter Simone mit 100.000 Liter Lebensleistung in bester Manier in Alsfeld mit von der Partie. Weitere exzellente Zuchtkühe mit ähnlicher Lebensleistung waren die aus der P-Linie stammenden Polaris und Panama. Heute gehört die Oase-Linie zur Spitze in der Herde und die aus dem TopQ-Zuchtprogramm stammende Commander-Tochter Extase EX 91 erhielt bei der Schau Zukunft Rind im letzten Winter den Titel Reservesiegerkuh der alten Klassen.
Der zentrale Bestandteil der züchterischen Arbeit auf dem Hof ist die Vermarktung von Jungbullen und abgekalbten Färsen über den Standort Alsfeld. In der klaren Erkenntnis, dass diese Vermarktungsform für die Tiere bester Qualität von großer Bedeutung ist, ist der Betrieb konstant am Markt vertreten. Häufig wird dieser Arbeitsbereich von den beiden Senioren Heinrich Schweinsberger und August Dersch wahrgenommen, vielfach mit Unterstützung der im Betrieb vorhandenen Lehrlinge. Auch in diesem Bereich ist der Betrieb seit vielen Jahren sehr aktiv dabei und bereits über 30 Lehrlinge waren in den letzten Jahrzehnten zur Fremdlehre in Niederwald. Genauso zählt die Beteiligung beim Tag der Züchterjugend Ende November in Alsfeld zu den festen Programmpunkten im Jahresablauf. Die Beschickungen der Vorführwettbewerbe und die Präsentation bester Jungkühe für die Tierbeurteilung sind dabei selbstverständliche Dinge für Jörg Dersch und seine Familie. In gleicher Weise war es für den Betrieb selbstverständlich, dass vor fünf Jahren auf dem Hof die öffentliche Unterzeichnung der hessischen Erklärung zum Enthornungskonzept unter Anwesenheit von Staatsministerin Priska Hinz stattfinden konnte. Neben der konsequenten Nutzung bester Bullen mit natürlicher Hornlosigkeit, ist auch die Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben für den Tierschutz ein absolutes Muss.
Als Resultat der herausragenden züchterischen Arbeit, aber auch des ständig weiterentwickelten Herdenmanagements nach den heutigen Vorgaben, konnte zum Ehrentermin die 15. 100.000 Liter-Kuh auf dem Hof, die Ashlar-Tochter Santina VG 85, präsentiert werden. Der separate Bereich für frischabgekalbte Kühe oder solche mit Erkrankungen sind seit Jahren Standard und haben maßgeblich mit dazu beigetragen, dass das Gesamtniveau der Herde auch in punkto Lebensleistung auf einem herausragenden Level ist. Neben dem enormen Arbeitspensum, was in einem Betrieb mit umfangreicher Tierhaltung zwangsläufig ansteht, haben sich sowohl Heinrich Schweinsberger als auch Jörg Dersch in mehreren Bereichen ehrenamtlich engagiert, sowohl im Bereich der züchterischen Arbeit als auch auf kommunaler Ebene. Dass dieses möglich ist, liegt auch an der vollen Unterstützung der beiden Ehefrauen Else Schweinsberger und Melanie Dersch, die in gewisser Weise als Back-Office ihren Männern häufig den Rücken freigehalten haben. Die Vergabe des Staatsehrenpreises für besondere Erfolge in der Rinderzucht an die Zuchtstätte Schweinsberger/Dersch würdigt damit die herausragenden züchterischen und gesamtbetrieblichen Leistungen dieser Betriebsleiterfamilie. Gleichzeitig geht Jörg Dersch bei seinen Dankesworten auch darauf ein, dass die Landwirtschaft heute häufig in der Öffentlichkeit in ein sehr kritisches Licht gestellt wird und dieses vielfach an der fehlenden Kenntnis der Zusammenhänge liegt. Auch für die notwendigen Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit hat der Hof mehrfach seine Türen geöffnet und einen Teil dazu beigetragen, um die Abläufe in einem modernen Milchviehbetrieb der breiten Bevölkerung offen zu legen. Da die Zukunft des Betriebes durch die Berufsausbildung der älteren Söhne von Jörg und Melanie Dersch klar die Ausrichtung erkennbar ist, kann erwartet werden, dass dieser Hof auch weiterhin in den entsprechenden Listen mit herausragenden züchterischen Erfolgen zu finden sein wird.