Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Schweine

Deckzentrum im Wandel

Die Sauenhaltung in Deutschland befindet sich derzeit im Umbruch. Neben der künftigen Haltung im Abferkelstall steht spätestens seit dem sogenannten Magdeburger Urteil auch das Deckzentrum im Fokus der Veränderungen. Die MuD Tierschutz Betriebe zeigen Möglichkeiten auf, wie die Haltung im Deckzentrum zukunftsfähig gestaltet werden kann. 

Im Rahmen der derzeit stattfindenden Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung liegt nach dem Magdeburger Urteil ein besonderes Augenmerk auf den Haltungsbedingungen im Deckzentrum. Sowohl die Maße der Besamungsstände als auch die Zeitspanne, während derer die Sauen dort einzeln gehalten werden dürfen, stehen dabei zur Diskussion.

Angesichts dessen werden im überwiegenden Teil der Sauenbetriebe bauliche Veränderungen in unterschiedlichem Maße erforderlich sein. Wie diese Veränderungen aussehen können, zeigen Betriebe, die am Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz teilnehmen, einem vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Projekt, mit Hilfe dessen u.a. wissenschaftliche Erkenntnisse in die landwirtschaftliche Praxis übertragen werden sollen.

MuD Tierschutz Betriebe zeigen Wege auf

Insgesamt 10 Betriebe aus verschiedenen Bundesländern bilden das MuD Tierschutz Netzwerk „Verbesserung und Anreicherung der Haltungsumgebung tragender Sauen“. Neben verschiedensten Maßnahmen im Wartebereich, wurde auch die Haltung in den Deckzentren der Betriebe optimiert. In allen Betrieben werden die Sauen heute nur noch für wenige Tage fixiert. Ein sogenanntes „kurzes Deckzentrum“ kann dabei auf zwei Wegen erreicht werden: entweder werden die Sauen bereits im Deckzentrum in der Gruppe gehalten oder sie werden unmittelbar nach der Belegung in den Wartebereich umgestallt. Beide Lösungswege wurden von den MuD Tierschutz Betrieben umgesetzt. Im Folgenden werden einige Beispiele dargestellt.

Abb. 1: Neubau eines Deckzentrums mit Gruppenhaltung (Betrieb 1); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)

Betrieb 1: Ein teilnehmender Betrieb hat sich zum Neubau eines Deckzentrums entschlossen. Bereits vor der Teilnahme am Netzwerk wurden die Sauen für lediglich 7 Tage fixiert und anschließend in den Wartestall verbracht. Der Betriebsleiter strebte allerdings eine weitere Reduzierung der Fixierungszeit an. Das bisherige Deckzentrum verfügte über 60 Plätze in drei Reihen. Es waren unterschiedliche Standbreiten von 60-80 cm lichtem Maß verbaut. Eine Gruppenhaltung war dort aufgrund der zur Verfügung stehenden Fläche nicht möglich.

Das neue Deckzentrum verfügt über 64 Selbstfangbesamungsstände in zwei Reihen (siehe Abb. 1). Für kleinere Sauen sind insgesamt fünf Besamungsstände mit 65 cm lichtem Maß vorhanden, alle weiteren Stände weisen eine Breite von 70 cm lichtem Maß auf. Zwischen den beiden Besamungsreihen befinden sich insgesamt 10 planbefestigte und 2,07 m tiefe Liegekessel. Der Abstand von Besamungsständen zu Liegekessel beträgt auf beiden Seiten 2,05 m. Die Tiere haben dadurch auch bei geschlossenen Ständen und voller Belegung noch 45% mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben (2,97m²/Sau). Durch den Einbau einer Schieberentmistung kann mit Einstreu und Raufutter gearbeitet werden, ohne Probleme mit der Fließfähigkeit der Gülle zu riskieren.

Abb. 2: Anbau eines Auslaufes am Wartestall (Betrieb 3); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)

Das Deckzentrum wird gleichzeitig als Arena genutzt. Hierzu werden die Sauen nach dem Absetzen bei geschlossenen Besamungsständen eingestallt, um den Tieren die Möglichkeit zu geben, eine feste Rangordnung zu bilden. Nach ca. acht Stunden werden die Stände zur Fütterung geöffnet. Die Fixierung in den Ständen konnte auf zwei Tage während der Belegung reduziert werden. Einbußen in den biologischen Leistungen sind seit Inbetriebnahme des Deckzentrums im September 2019 nicht zu beobachten.

Andere Betriebe des Netzwerkes lösten die verkürzte Aufenthaltsdauer im Deckzentrum über die zeitigere Unterbringung der belegten Sauengruppe im Wartestall. Dieses Vorgehen setzt voraus, dass dort genug Fläche für die zusätzliche Gruppe vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, muss die Fläche geschaffen werden. Betrieb 2 hat dazu bspw. ein weiteres Abteil an das bestehende Stallgebäude angebaut und konnte dadurch genug zusätzliche Fläche im Wartestall schaffen, um einer weitere Gruppe unterzubringen.

Betrieb 3 hat eine Vergrößerung der Wartehaltung über den Anbau eines überdachten Auslaufes erreicht. Dadurch stehen in der dynamischen Gruppenhaltung jeder Sau trotz der zusätzlichen Gruppe ca. 5 m² zur Verfügung. Die Zeit, die die Sauen im Deckzentrum verbringen konnte dadurch auf 7 Tage reduziert werden.

Es muss kein Neubau sein

Die bisher beschriebenen Maßnahmen setzten teils hohe Investitionskosten und entsprechende Genehmigungen voraus. Doch auch in bestehenden Gebäuden gibt es Möglichkeiten die Fixierungszeiten zu reduzieren.

Betrieb 4 baute ein nicht mehr benötigtes Deckzentrum zu einem zusätzlichen Warteabteil um (siehe Abb. 3 und 4). Das Deckzentrum wurde bisher vorrangig als Reserveabteil genutzt. Dieses konnte verlagert werden. Die Sauen werden in einem weiteren Deckzentrum belegt und nach vier Tagen in das umgebaute Abteil umgestallt. Nach dem 28. Trächtigkeitstag erfolgt eine zweite Umstallung in den Wartestall. Die vorhandenen Besamungsstände wurden dafür gekürzt und dienen nun als Fressplatzteiler. Angeschlossen an das Abteil befand sich ein Auslauf, der allerdings aufgrund baulicher Mängel nicht genutzt wurde. Durch eine Optimierung des Auslaufs (Überdachung, Einbau einer für Sauen geeigneten Tür, Ausbesserung des Bodens) konnte dieser in Betrieb genommen und als zusätzliche Fläche genutzt werden (siehe Abb. 5). Insgesamt bekommt jede Sau damit ca. 2,85 m² Platz. „Die Nutzung des Auslaufs bedeutet für uns einen erhöhten Arbeitsaufwand, da die Festfläche täglich per Hand abgeschoben werden muss. Bei einem Neubau hätten wir den Auslauf mit einer Schieberentmistung ausgestattet. Aber für das Tierwohl der Sauen war der Umbau die richtige Entscheidung. Die frühere und vermehrte Bewegung der Sauen wirkt sich positiv auf die Fundamente aus. Das beobachteten wir bereits nach kurzer Zeit.“, fasst der Betriebsleiter die ersten Erfahrungen zusammen.

Abb. 5: An das neue Warteabteil angeschlossener Auslauf (Betrieb 4); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)
Abb. 4: Nach dem Umbau: Warteabteil mit Gruppenhaltung (Betrieb 4); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)
Abb. 3: Vor dem Umbau: Deckzentrum ohne Gruppenhaltung (Betrieb 4); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)

Betrieb 5 konnte in einem Deckzentrum mit 40 Plätzen in zwei mit dem Trog zueinander gerichteten Reihen durch Versetzen der Besamungsstände das Platzangebot hinter den Ständen erhöhen und dadurch eine Gruppenhaltung ermöglichen. Schon vor dem Umbau wiesen die Besamungsstände einen Abstand zur hinteren Wand von 2,0 m auf (siehe Abb. 6). Bei der einreihigen Aufstallung wäre damit der gesetzliche Mindestabstand von 1,6 m bereits eingehalten gewesen. Aus bereits gesammelten Erfahrungen des Netzwerkes ist jedoch bekannt, dass dieser gesetzliche vorgegebene Abstand nicht ausreicht, um den Tieren ein stressfreies „Aneinander-Vorbei-Kommen“ zu ermöglichen. Der Platz wurde daher nochmals vergrößert. Durch ein Zusammenschieben der Stände bzw. eine Verschmälerung des Eberlaufganges auf 0,8 m, konnte hinter beiden Besamungsreihen eine Laufgangbreite von 2,2 m erreicht werden (siehe Abb. 7). Eine darüber hinaus gehende Verbreiterung war aufgrund der vorgegebenen Gebäudehülle nicht möglich. „Wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, würde ich den Laufbereich auf jeder Seite um weitere 2 m verbreitern, um den Sauen eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.“, so der Betriebsleiter.

Abb. 6: Deckzentrum vor dem Umbau (Betrieb 5); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)
Abb. 7: Deckzentrum nach dem Umbau (Betrieb 5); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)

Es besteht die Möglichkeit, die 20 Sauen pro Seite in kleinere Gruppen zu unterteilen. Dazu wurden in Abständen von jeweils vier Besamungsständen Trenngitter angebracht. Insgesamt umfasst der Laufbereich einer Seite eine Fläche von 30,8 m² (1,5 m²/Sau), wobei die Längsseite ca. 14 m lang ist.

Der Betrieb testete im Laufe der Netzwerkarbeit unterschiedliche Gruppengrößen und Fixierungszeiten. Dabei zeigte sich, dass bzgl. der Gruppengröße vor allem die absolute Fläche entscheidend ist. Die Sauen brauchen ausreichende Fluchtdistanzen, um ranghöheren Tieren ausweichen zu können. Ist dies nicht gegeben, wird der Laufbereich hinter den Ständen von den rangniederen Tieren kaum genutzt, da sie ständig die Sicherheit der Selbstfangbuchten suchen. Bei einer Unterteilung in 5 Gruppen á 4 Sauen hatte der Laufbereich je Gruppe nur noch Maße von 2,2*2,8 m, was sich als zu klein darstellte. Der Betrieb ist nach mehreren Versuchen dazu übergegangen die Gruppe nicht weiter zu unterteilen, um den Tieren die gesamte Fläche zur Verfügung zu stellen. Dadurch konnte die Nutzung des Laufbereiches erheblich gesteigert werden.

Auch unterschiedliche Fixierungszeiten wurden in diesem System getestet. Einzelne Sauengruppen wurden für 4, 10, 12 Tage oder wie bisher bis zum 28. Trächtigkeitstag fixiert. „Bei keiner Variante haben wir negative Auswirkungen auf die Umrauscherquoten gesehen. Außerdem wirken die Sauen durch die verkürzte Fixierungszeit und die dadurch frühere Wiederaufnahme des Laufverhaltens vitaler. Wir fixieren die Tiere nun 3-5 Tage. Das machen wir individuell vom Tierverhalten abhängig.“

Die Arena wird zur Notwendigkeit

Abb. 8: mobile Arena (Betrieb 6); Foto: BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung)

Bei der Etablierung eines kurzen Deckzentrums ist die Nutzung einer Arena unumgänglich. Dadurch kann ein Großteil der Rangkämpfe auf einen Zeitpunkt gelenkt werden, zu dem noch keine Trächtigkeit besteht. Werden die Sauen dann nach der Belegung erneut gruppiert, fallen dann auftretende Rangkämpfe weniger intensiv aus. Viele Betriebe nutzen das Deckzentrum als Arena. Dies setzt allerdings eine angemessene Größe voraus. Die Erfahrung zeigt, dass das Platzangebot pro Sau 3-4 m² nicht unterschreiten sollte. Auch hier sind lange Distanzen vorteilhaft. Es sollte außerdem darauf geachtet werden, dass sich keine Gegenstände (Tränken, Raufen, Scheuerbürsten o.ä.) in der Arena befinden, an denen sich die Tiere verletzen können. Zu bedenken ist auch, dass bei auftretenden Rangkämpfen im Deckzentrum erhebliche Kräfte auf die Stalleinrichtung einwirken, die dadurch Schaden nehmen kann.

Steht innerhalb des Stallgebäudes kein geeigneter Raum als Arena zur Verfügung, kann bspw. eine mobile Lösung eingesetzt werden. So nutzt Betrieb 6 im Netzwerk herkömmliche Buchtentrennwände, die mit Rollen versehen wurden (siehe Abb. 8). Diese werden bei Bedarf aufgebaut und eingestreut. Die Arena ist nach zwei Seiten durch das Stallgebäude begrenzt und teilweise überdacht. Die Sauen können dort nach dem Absetzen für einige Stunden ihre Rangkämpfe austragen und werden dann ins Deckzentrum eingestallt.

Fazit

Die anstehende Verkürzung der erlaubten Fixierungszeit im Deckzentrum wird viele sauenhaltende Betriebe veranlassen, die Haltung im Deckzentrum anzupassen. Ein „kurzes Deckzentrum“ ist dabei auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen. Unabhängig davon, welcher dieser Wege gewählt wird, muss mit einem gestiegenen Flächenbedarf gerechnet werden. Dabei kommt es auf betriebsindividuelle Lösungen an. Die MuD Betriebe haben gezeigt, dass es dazu keinen Neubau braucht.

Nach bisherigen Erkenntnissen der Netzwerkbetriebe kann ein kurzes Deckzentrum bei gleichbleibenden biologischen Leistungen umgesetzt werden.


Dieser Artikel ist im Rahmen der Arbeit im Projekt MuD Tierschutz entstanden.


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