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Artgemäße Verhaltensweisen in der Aufzucht und Legehennenhaltung unterstützen

Die Ausführung des artgemäßen Futtersuche- und Futteraufnahmeverhaltens ist genauso wichtig wie die Nährstoffaufnahme. Nur beides zusammen wirkt vorbeugend gegen Federpicken und Kannibalismus.

Glänzende Oberflächen sind für Hühner lebenslang attraktiv. Außerdem bevorzugen sie rote, orangefarbene und gelbe Objekte. Früchte und Beeren werden draußen gerne gefressen und im Stall angebotener Mais oder Weizen wird ebenfalls gerne aufgenommen. Als Allesfresser stehen aber auch Blätter, Wurzeln, Gräser, kleine Eidechsen oder auch Mäuse auf dem Speiseplan. Auch Aas wird nicht verschmäht. Insgesamt verbringen die Tiere etwa 2/3 der Tageszeit mit der Futtersuche und -aufnahme, wobei sie sich dabei ständig fortbewegen und mit unterschiedlichen Techniken unter Einsatz von Schnabel und Krallen für ihr Futter „arbeiten“. Hierbei führen sie zwischen 10.000 und 15.000 Pickschläge/Tag aus. Tiere, die den Auslauf nutzen, sind dabei an einem Tag etwa 1 bis 2 km unterwegs.

Küken lernen vom ersten Lebenstag an

In der natürlichen Umgebung lernen die Küken schnell, wie und wo sie Futter und Wasser finden
Schon am Schlupftag geht es los. Zuerst müssen die Küken Futter und Wasser finden. Hierfür hat die Natur sie mit einem angeborenen Verhalten ausgerüstet: Sie picken alles an, was glänzt. Natürlicherweise würden sie mit der Glucke zusammen die Umgebung erkunden und picken dann den ersten Tautropfen oder die erste Wasseroberfläche an, die ihnen begegnet. Im Stall picken sie nach dem ersten Wassertropfen am glänzenden Metallnippel und so lernen sie sofort, wo sie Wasser finden können. Durch ihr angeborenes Erkundungsverhalten picken sie auch sonst alles Glänzende in ihrer Umgebung an und sind schon in der Lage, Blätter und Halme wegzuscharren, um den Untergrund nach Fressbarem zu durchsuchen. Hierdurch finden sie auch schnell ihr natürlicherweise bevorzugtes Futter, was in den ersten zwei Lebenswochen zu 80 % aus Würmern und Insekten besteht. Bietet man Küken im Stall feuchtes Futter an, wird dies gegenüber trockenem Futter bevorzugt. Finden die Tiere Sand oder Magensteine, fressen sie diese ebenfalls.

Entwicklung von Federpicken und Kannibalismus in der ersten Aufzuchtphase vermeiden

Der Schnabel dieses drei Wochen alten Kükens ist durch den Einsatz von Picksteinen und Sand vom ersten Lebenstag an sehr gut abgenutzt und abgerundet. Dies zeigt, dass die Küken sich mit dem angebotenen Material beschäftigen. Außerdem kann der Schnabel so nicht mehr so schnell Verletzungen verursachen.
In bestimmten Phasen der Aufzucht können sich Federfressen, Federpicken und Kannibalismus schnell entwickeln. Schon spätestens ab dem 5. Lebenstag nehmen alle Tiere ausreichend Futter und Wasser auf und erkunden sehr aktiv ihre Umgebung. Nach wie vor werden glänzende Objekte bevorzugt bepickt. In dieser Phase schieben die Tiere schon kräftig Federn. Viele glänzende Federhülsen und auswachsende Federfollikel werden am Schwanzansatz, am Flügel und an der Bürzelunterseite sichtbar und bieten einen großen Anreiz zum Picken. Erst mit dem Abschluss der vierten Lebenswoche sind die glänzenden Federhülsen von den Deckfedern überdeckt. Dies bedeutet, dass vor allem in der zweiten und dritten Lebenswoche ein sehr hohes Risiko für Federpicken und Kannibalismus besteht. In der Jugendmauser – von der achten bis zur zwölften Lebenswoche – kann schnell Federfressen und damit auch Federpicken entstehen, da viele Federn in der Einstreu liegen.

Jetzt wird es eng – gute Beobachtung, gutes Klima und Beschäftigung sind wichtig

Ab der 15. Lebenswoche steigt die Besatzdichte (in kg/m²) aufgrund des Wachstums der Tiere rasant an. Der Scharrraum als Beschäftigungsfläche nimmt daher immer mehr ab und damit steigt das Risiko, dass die Tiere sich mit dem beschäftigen, was am meisten im Stall zu finden ist: andere Tiere.
Zu Legebeginn und bei verlegten Eiern ist das Risiko für Kloakenpicken besonders hoch. Bei der Eiablage wird die ausgestülpte glänzende Kloake für andere Tiere sichtbar. Auch dies ist ein Reiz, dem ein Huhn angeborenerweise kaum wiederstehen kann.

Förderung des Futteraufnahmeverhaltens ist die beste Beschäftigung

Befriedigung des natürlichen Futtersuche- und Aufnahmeverhaltens ist die beste Vorbeugung gegen Federpicken und Kannibalismus. Da Hühner stark auf glänzende Oberflächen reagieren, versuchen viele Betriebe Plastikflaschen, CDs oder anderer Gegenstände zum Bepicken anzubieten. Zunächst beschäftigen sich die Hühner auch damit, aber die Begeisterung nimmt schnell ab, da keine positive Rückmeldung in Form einer Futter- bzw. Nährstoffaufnahme erfolgt. Möglicherweise wird hierdurch sogar Frustration erzeugt, da das Bepicken des Gegenstands nicht zum gewünschten Erfolg führt.

Eine Befriedigung des Futteraufnahme- und Sucheverhaltens wird nur dann erreicht, wenn auch adäquate Nahrung aufgenommen werden kann und die hierfür von der Evolution vorgesehenen Verhaltensweise ausgeführt werden können. Da in der Eierproduktion Hochleistungshybriden eingesetzt werden, die einen sehr hohen Nährstoffbedarf haben, muss allerdings auch gewährleitet sein, dass möglichst jedes Tier genug Futter aus dem Futtertrog aufnimmt. Eine Verdrängung des Futters im Trog durch zusätzliches Futter, dass das Futtersuche- und Aufnahmeverhalten befriedigt, kann aufgrund von Nähstoffdefiziten ebenfalls Federpicken und Kannibalismus fördern.

Einstreu optimieren ist die halbe Miete

Dieser Stall entspricht dem Verhalten der Tiere
Der Scharraum ist die größte „Beschäftigungsfläche“. Um möglichst vielen Hühnern gleichzeitig ein artgemäßes Futtersucheverhalten mit Scharren und Picken am Boden zu ermöglichen ist der Zustand der Einstreu im Scharraum und im Außenklimabereich von größter Bedeutung. Sie muss locker und trocken sein und den Tieren ermöglichen bis zum Boden zu Scharren. Die Futtersuche in der Einstreu soll für die Tiere attraktiv bleiben und der feuchte Kot von Artgenossen soll nicht die einzige Attraktion sein. Daher sollte die Einstreu manipulierbar sein und aus fressbarem Raufutter wie Häckselstroh oder Dinkelspelzen bestehen.

Individuelle Versorgung mit Mineralien und Raufutter ermöglichen

Optimal ist es, wenn Hühner in der Einstreu Magensteinchen, Muschelkalk und z. B. Hafer finden. Zusätzlich können Luzerne oder Strohballen sowie Netze mit entsprechendem Material angeboten werden. Hier können die Tiere nicht nur scharren, sondern auch zupfen. Picksteine ermöglichen den Tieren, durch Picken und Hacken Bestandteile herauszupicken. Dies ist besonders attraktiv, wenn sie aus Kalk, Siliziumdioxid, Magnesium oder Salz bestehen, die auch der indi­viduellen Nahrungsergänzung der Tiere dienen können.

Von Anfang an für Beschäftigung sorgen

Korb mit Dinkelspelzbriketts mit eingepressten Körnern
Da schon ab der zweiten Lebenswoche ein erhöhtes Risiko besteht, dass die sich die Tiere gegenseitig bepicken sollten den Tieren in der Aufzucht schon spätestens ab dem fünften Lebenstag entsprechende manipulierbare und fressbare Materialen zu Verfügung stehen. Da die meisten Tiere zu diesem Zeitpunkt noch in der Volierenanlage eingesperrt sind und Einstreu auf dem Kükenpapier oft schnell auf das Kotband gescharrt wird, können Schalen oder Kartons mit Sand und Magensteinchen sowie Picksteine und Luzerne­briketts als Raufutter angeboten werden. Sie lernen von alleine, wieviel sie davon aufnehmen können.

Hat man die Möglichkeit, die Tiere vom Boden aus aufzuziehen, ist das viel einfacher zu handhaben. Futter und Wasser­einrichtungen sollten aber immer auf einem hochziehbaren Gitter angeboten werden, damit alle Tiere lernen, wo später Futter und Wasser zu finden sind.

Hühner lieben Saft- und Feuchtfutter

Korb mit Saftfutter
Saftfuttermittel wie Möhren, Kürbisse oder Kartoffeln oder Silage sind besonders attraktiv für die Hühner, da sie mit dem Schnabel bearbeitet werden können und gleichzeitig feucht sind. Auch Silage (vor allem Maissilage) wird von den Tieren als Feuchtfutter sehr gut angenommen. Durch die hier vorhandene Milchsäure wird zudem die Verdauung der Tiere unterstützt. Und trotzdem: Würden wir den Tieren Würmer anbieten, sie würden es bevorzugen!

10 Regeln, um dem Futteraufnahme- und Futtersucheverhalten möglichst nahe zu kommen und die Nährstoffaufnahme zu gewährleisten:

Technik zur Unterstützung

Bei Ställen ab einer gewissen Größe ist dies alles nicht mehr per Hand machbar. Hierfür stehen schon verschiedene halbautomatische und automatische Techniken zur Verfügung:  akkubetrie­bene Stallschlepper, Mistschieber, Fördersysteme für Körner- und Raufutter. Eine gute Lüftung und Fußboden­heizung wirken feuchter Einstreu und Plattenbildung entgegen. Wechselt mach die Orte, an denen Material aus­gebracht wird, arbeiten die Hühner die Einstreu gut durch und tragen zur Lockerung der Einstreu bei. Lassen Sie die Tiere für sich arbeiten.

Dies nutzt aber alles nichts, wenn die Nährstoffe nicht ausreichen, um die Tiere trotz Wachstum und Eiablage adäquat zu ernähren. Fehlen essenzielle Nährstoffe oder auch nur ein einziger wichtiger Nährstoff, suchen die Tiere danach und die Pickaktivität erhöht sich. Um die Futteraufnahme zu steigern, können Futterkomponen­ten und Wasser oder flüssige Nahrungsergänzer auf die Futterkette aufdosiert werden. Eine zusätzliche Feuchtfütterung für Hühner wäre artgemäß und würde die Nährstoffaufnahme verbessern. Dies bleibt aber eine Zukunftsvision.