Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Der Esel – gestern und heute

Ochs und Esel rahmen die Heilige Familie in der Krippe – ein altbekanntes, klassisches Bild. Doch obwohl der Esel 90-mal in der lutherischen Übersetzung der Bibel Erwähnung findet, in der biblischen Weihnachtsgeschichte suchen wir ihn vergeblich.

Weihnachtsgeschichte hin oder her, zu biblischen Zeiten war im Orient der Esel ein wertvolles und geschätztes Tier, das Last-, Zug- und Reittier schlechthin – analog dem Pferd in Europa.

Deutsche Esel: Lui und Fritz

Traktor statt Esel – Esel-Populationen stark rückläufig

In unseren Gefilden spielten die Grautiere im Mittelalter bei der Belieferung von schwer zugänglichen Orten, beispielsweise Burgen, eine wichtige Rolle. Eseltreiber waren hoch angesehen. Auch als landwirtschaftliches Zugtier oder als Tragtier des Müllers machte der Esel Karriere – seine Auftritte in Märchen zeugen heute noch von der einstigen Bedeutung. Dennoch erlangte der Esel in unseren Breiten nie den Status wie im Orient. „Das hängt maßgeblich mit seinen Eigenschaften und Bedürfnissen zusammen“, erklärt Annemarie Bank-Lauer, Vorsitzende des Deutschen Zuchtverbands für Esel e.V. „Esel sind geduldig, zäh und genügsam, aber mit der feuchtkalten Witterung Mitteleuropas kommen sie nicht so gut zurecht, schließlich stammen sie ursprünglich aus trocken-heißen Gegenden. Sie sind trittsicher und leichtfuttrig und kommen mit weniger Wasser aus, doch was die Trag- und Zugkraft angeht, können sie nicht mit Pferden mithalten.“

Mit Beginn der Motorisierung in Landwirtschaft und Transportwesen wurde der Niedergang der Eselpopulationen eingeleitet. Seit 1950 schrumpfte der europäische Bestand um rund 80 %. Wie viele Esel aktuell in Deutschland gehalten werden, ist nicht bekannt. Grobe Schätzungen gehen von 12.000 Tieren aus. „Auf jeden Fall zeigt sich – zumindest für Deutschland – in den letzten Jahren ein Aufwärtstrend“, freut sich Bank-Lauer, fügt aber hinzu, dass in anderen Ländern die Zahlen weiter sinken würden.

Der Esel als Liebhabertier

Das gestiegene Interesse an dem geduldigen Tier führte im Jahr 2012 schließlich zur Gründung des Eselzuchtverbandes, der nun endlich eine geregelte Zucht ermöglicht. „Rund 80 Esel sind bundesweit in den Zuchtbüchern eingetragen. Mit dem Deutschen Esel und dem Thüringer Waldesel haben wir zwei staatlich anerkannte Nutztierrassen, die sich phänotypisch (also äußerlich) unterscheiden. Inwiefern sie genetische Unterschiede aufweisen, wird gerade untersucht“, erläutert die Esel-Expertin.

Laut Bank-Lauer zeichnet sich in Deutschland ein regelrechter Esel-Hype ab. Die meisten Tiere werden von Liebhabern zu Hobbyzwecken gehalten. Sie werden aber auch vermehrt für heilpädagogische Zwecke eingesetzt. Denn im Vergleich zum ‚stolzen‘ Bruder Pferd sind Esel nahbarer, menschbezogener und vertrauenserweckender. „Esel sind echte Macher, sie brauchen eine Aufgabe, sonst gehen sie ein. Rumstehen ist nichts für sie“, weiß die Expertin. Da kommt es gelegen, dass immer mehr Menschen Ruhe und Erholung in der Natur suchen und wandern gehen – mit einem Esel als Begleiter, Packtier oder für den Kleinkindtransport. Eselwanderungen liegen derzeit voll im Trend.

Esel kommen aber auch in der Landschaftspflege (insbesondere in schwer zugänglichem Gelände, auf Sandflächen oder Trockenwiesen) zum Einsatz. Bei Griesheim etwa pflegen sie eine eiszeitliche Sanddüne.
Ebenfalls in den Fokus rücken Pflegeprodukte aus Eselmilch.

Esel für die Verteidigung?

Mit der Rückkehr des Wolfes werden Esel verstärkt als Beschützer von Schafherden hofiert (Herdenschutzesel). Doch auch wenn einiges für den Esel spricht, wie z.B. die angeborene Abneigung gegen Hundeartige, das lautstarke Geschrei oder die gute Trittsicherheit, so sprechen noch mehr Gründe gegen ihren Einsatz als Hüteesel. Als ursprüngliches Wüstentier benötigt er z.B. einen Wetterschutz und Raufutter. Die Haltung auf feuchten Wiesen oder Weiden kann zu Hufkrankheiten führen, zudem benötigt er ausreichend Beschäftigung. Und letztlich sind Esel bei einem Angriff durch mehrere Wölfe schlichtweg hilflos.
Als „Verteidigungsesel“ geht das geduldige Tier dennoch durch. Denn wussten Sie, dass die Bundeswehr Esel hält? Na gut, nicht direkt Esel, aber Maultiere, eine Kreuzung aus Eselhengst und Pferdestute. 36 Maultiere sind in der Tragtierkompanie „beschäftigt“. Ihr Vorteil gegenüber Pferden: Sie sind trittsicherer.

Festzuhalten gilt …

Der Esel wird selten überschätzt, aber umso öfter unterschätzt. Mittlerweile tritt er aus seinem Schattendasein wieder heraus, denn ohne den Esel würde uns etwas Wertvolles fehlen, egal ob beim Wandern, bei der Landschaftspflege oder eben in der Krippe unter dem Weihnachtsbaum.

Übrigens: Der Esel ist der Haustier des Jahres 2022!

Fotos: Deutscher Zuchtverband für Esel e.V.


Weiterführende Links & Quellen, alle aufgerufen am 14.12.2021:

 


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