Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Biodiversität

Feldrandhygiene und Biotopverbund – so kann beides gelingen

Sobald man sich mit dem Erscheinungsbild und der Pflege von Säumen und Feldrainen befasst, können eine Vielzahl von Konflikten, teils sehr emotional, zum Vorschein kommen.

Landwirten ist eine Feldrandhygiene meist wichtig: Sie möchten pflanzenbaulich kritische Unkräuter und Ungräser sowie tierische Schädlinge aus ihren Ackerflächen heraushalten. Artenschützer dagegen sehen die Feld- und Wegränder als wichtige Rückzugsräume und Biotopverbundsysteme für Insekten, blühende Pflanzen, Vögel und kleine Säugetiere. Erholungssuchende Menschen möchten sich an bunt blühenden Randstrukturen erfreuen. Anderen gefällt eher der gewohnt ordentliche Eindruck gemähter Grünstreifen.

Wie kann angesichts der sehr unterschiedlichen Interessen ein Kompromiss aussehen? Zunächst müssen die Beteiligten einander zuhören, um die jeweilige Sichtweise nachzuvollziehen. Hiernach sollte es möglich sein, auf wechselnden Streckenabschnitten im Gelände den Bedürfnissen sowohl von Landbewirtschaftern als auch wildlebenden Pflanzen- und Tierarten gerecht zu werden und dabei ein attraktives Landschaftsbild zu fördern.

Gute Saumpflegebeispiele:

Aus landwirtschaftlicher Sicht müssen Feldränder kostengünstig gepflegt werden

Es gibt gute Gründe für die Feldrandpflege. Vom Ackerrand aus können leicht verschiedene Pflanzen ins bewirtschaftete Feld einwandern und durch Maschinen weiter verteilt werden. Trespen und Ackerfuchsschwanz sind beispielsweise bedeutende Schadgräser beim Anbau von Winterkulturen. Nehmen diese Überhand, steigt der Bedarf an Herbiziden zur Ertragssicherung. Vor dem Hintergrund zunehmender Herbizidresistenzen können zudem weniger lukrative Fruchtfolgen und eine intensivere Bodenbearbeitung notwendig werden, um das Ertragspotential der Ackerflächen zu sichern. Es besteht das Risiko, dass die Beikrautflora nicht allein Nützlinge, sondern auch die Verbreitung von Schädlingen wie Feldmäuse und Schnecken fördert. Auch Pflanzenkrankheiten, wie z.B. Virosen, welche über Blattläuse oder Zikaden verbreitet werden, können bei starkem Feldrandbewuchs zunehmen.

Ursprünglich wurden Feldränder als Futterquelle genutzt. Mit dem Verschwinden der Kleinstbetriebe war diese traditionelle Futternutzung nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Randflächen wurden dadurch unwirtschaftlich. Um bei der Pflege dieser Flächen Kosten und Zeitaufwand zu minimieren, wird heutzutage meist ein Schlegelmulcher eingesetzt. Gepflegte Feldränder sind häufig Zeichen eines professionellen Pflanzenbaus. Unkraut versamende Flächen schaffen dagegen bei manch benachbartem Bewirtschafter oft Bedenken. Zahlreiche Betriebe pflegen Randstrukturen vorrangig, um die Ausbreitung von Gehölzen zu regulieren und unterstützen dabei auch die Instandhaltung von Gemeindeflächen.

Grundsätzlich sind viele Landwirte aufgeschlossen für eine naturschutzfachliche Optimierung der Feldrandpflege, sofern die oben genannten Erfordernisse berücksichtigt werden. Wichtig ist auch, dass von ihnen gepflegte Feldränder als Biotope nicht durch ein unangepasstes Verhalten von Erholungssuchenden und ihren Haustieren in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.

Aus Sicht des Artenschutzes wird die ökologische Bedeutung von Randstrukturen unterschätzt

Feldsäume und Raine sind für Insekten, Vögel und kleine Säugetiere wichtige Nahrungsquellen. Sie dienen als schützender Rückzugsraum und Brutstätte. Insbesondere während der Erntezeit, wenn innerhalb weniger Tage oder Stunden die schützende Deckung durch die Ackerkulturen verschwindet, sind bestehende Randstrukturen an Feldern und Wegen für viele Kleinlebewesen eine überlebensnotwendige Versteckmöglichkeit. Einige seltene Ackerwildkräuter sowie eine Vielzahl heimischer Blütenpflanzen können sich hier befinden. Sie bieten vor allem den gefährdetsten, weil spezialisierten Insekten- und Vogelarten Lebensgrundlage, welche keine künstlich angelegte Blühfläche ersetzen kann.

Feldsäume vernetzen Lebensräume und sind auch in strukturreichen Gebieten wichtig, um gesunde Wildtierpopulationen zu erhalten. Eine besondere Bedeutung kommt ihnen jedoch in ertragsstarken und folglich intensiv bewirtschafteten Gebieten zu, in denen sich anteilig meist weniger Landschaftsstrukturen finden. Aus den genannten Gründen erscheint es für den Artenschutz nicht nachvollziehbar, wenn die standorttypische Vielfalt durch das großflächige Mulchen von Wegeverläufen und Böschungen beschädigt wird.

Die Erholung suchende Bevölkerung wünscht sich ein vielfältiges Landschaftsbild

Unsere Kulturlandschaft ist längst nicht mehr nur reine Produktionsstätte für Futter, Lebensmittel und Energiepflanzen, sondern auch ein Ort, in welchem Freizeit verbracht und Erholung gesucht wird. Gerade die naturbezogene Erholung steht für eine Regenerierung der physischen und psychischen Kräfte. Der Erholungsfaktor wird in abwechslungsreichen Landschaften als deutlich höher empfunden. Die Menschen identifizieren sich im ländlichen Raum in hohem Maße mit ‚ihren‘ Landschaften und stehen vielen Veränderungen skeptisch gegenüber. Große Teile der Bevölkerung sind inzwischen sehr interessiert an den Zusammenhängen und Vorgängen in Natur, Landschaft und Landwirtschaft. Vieles wird kritisch hinterfragt, so auch die Praxis des Mulchens von Feldrändern.

„So viel wie nötig, so wenig wie möglich“

Handlungsempfehlungen als guter Mittelweg für alle Interessen:

  • Ein mehrmaliges jährliches Mulchen von Saumbiotopen aus reinem Ordnungssinn läuft dem Naturschutz zuwider und ist betriebswirtschaftlich in der Regel nicht sinnvoll.
  • Wenn man anstelle aller Saumflächen nur solche Bereiche pflegt, wo Gefahr der Einwanderung von Trespen oder Ackerfuchsschwanz besteht, bleiben viele wertvolle Lebensräume und vor allem Brutflächen erhalten.
  • Es hat sich bewährt, vor der Samenreife von Trespe und Ackerfuchsschwanz (etwa Ende Mai) in einer Höhe von 10-15 cm zu mähen oder zu mulchen. Durch diese Schnitthöhe bleibt der Boden weiterhin beschattet und mögliche, schon ausgesamte Trespen können nicht keimen. Die Samenreife vorhandener Pflanzen wird verhindert, Insekten können in der verbleibenden Schicht überleben. Wer neben ausreichender Schnitt- und Mulchhöhe zusätzlich beim Mulcher auf die Stützwalze verzichtet, schont Bodenbrüter und deren Gelege, für die der Eingriffszeitpunkt leider denkbar ungünstig ist.
  • Gezielte Pflegemaßnahmen gegen Ungräser oder z.B. Klettenlabkraut sind nur unmittelbar am Feldrand erforderlich – es ist nicht notwendig hier breite Saumstreifen oder ganze Böschungen zu mulchen.
  • Eine Pflugfurche um den Ackerschlag im Abstand von drei bis vier Jahren ist eine effektive Maßnahme gegen Trespen und Quecken.
  • Eine zeitlich und räumlich versetzte Pflege von Feldrändern schafft genügend Ausweichmöglichkeiten für die wildlebenden Arten und erhält ausreichend Rückzugshabitate für die Zeit nach der Ernte. Hierbei wird beispielsweise immer nur eine Wegseite bearbeitet.
  • Möchte man in trockenen Stengeln überwinternde Insektenstadien fördern, so bleiben diese Flächen über Winter stehen und werden erst nach den ersten warmen Tagen in März/April gemäht. Nicht jeder Randbereich muss jährlich gemäht werden, häufig genügt eine Mahd alle zwei bis drei Jahre.
  • Wenn wechselseitig oder abschnittsweise vorgegangen wird, fallen mindestens zweimal Rüst- und Wegezeiten an. Dies lässt sich vermeiden, wenn benachbarte Betriebe und Gemeinden die Saum- und Feldrandpflege gemeinsam absprechen.
  • Wer blühende Ränder erst nach der Samenreife (nach Ende Juli) mäht, ermöglicht die Vermehrung ökologisch wertvoller Kräuter. Wer jedoch häufig mulcht, fördert lediglich die Vermehrung konkurrenzstarker Gräser.
  • Einige Beobachtungen weisen darauf hin, dass auf nährstoffreichen Standorten eine Mahd im Frühsommer die Entwicklung von Kräutern gegenüber Gräsern begünstigt. Positiver Nebeneffekt ist, dass dabei Ktäuterheu gewonnen werden kann. Leider kann diese Pflegevariante erheblich den Lebensraum von Feldvögeln und Niederwild beeinträchtigen. Ein möglicher Kompromiss: abschnittsweise anstatt flächendeckend vorgehen.
  • Während des Anbaus von Roggensorten, die anfällig für Mutterkorn sind, empfiehlt es sich ausnahmsweise, Randgräser nicht zur Blüte kommen zu lassen.
  • Die Anbringung von Ansitzstangen für Greifvögel kann eine Vermehrung von Feldmäusen begrenzen.
  • Grundsätzlich ist die Gefahr eines Schädlingsdrucks aus naturbelassenen Saumbiotopen eher gering. Folglich ist es nicht notwendig zur Prävention von Virosen im Getreide alle Feldränder kurz zu halten. Der Einsatz von geeigneten Sorten, hierunter fallen Getreidekulturen mit späterem Saatzeitpunkt und bedarfsgerechter Düngung ist weit effektiver. Auch ist davon auszugehen, dass Ausfallgetreide bei der Übertragung von Virosen eine deutlich größere Rolle spielt, als Pflanzen am Feldrand.
  • Wer entsprechend der gegebenen technischen Möglichkeiten sorgfältig darauf achtet, dass Pflanzenschutzmittel und Dünger lediglich auf den landwirtschaftlichen Anbauflächen zum Einsatz kommen, sichert das Überleben der Arten in den Randstreifen und verstößt nicht gegen bestehende Verordnungen und Gesetze.
  • Weniger ist mehr – werden Feldränder jedoch gar nicht mehr gepflegt, stellen sich bald schwer zugänglicher Filz und Verbuschung ein. Das Artenspektrum verringert sich ebenfalls.
  • Befinden sich Gehölze auf den Säumen, gilt das Bundesnaturschutzgesetz § 39 Abs. 5: „Gebüsche und andere Gehölze dürfen in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September nicht abgeschnitten oder auf den Stock gesetzt werden“.

Weiterführende Tipps für „Feldrandprofis“

  • Eine angrenzende Blühfläche oder ein extensiv bewirtschafteter Ackerrandstreifen am Feldrand sind eine ökologisch sinnvolle Ergänzung und über das Hessische Agrarumweltprogramm (HALM) förderfähig. Je breiter die hierau entstehende Gesamtstruktur, desto sicherer sind beispielsweise Bodenbrüter vor Prädatoren wie Fuchs oder Waschbär.
  • Mit Lesestein- und Totholzhaufen können leicht zusätzliche Lebensräume, z.B. für Amphibien, geschaffen werden.
  • Wer über relativ nährstoffarme Standortbedingungen und personelle Ressourcen verfügt, kann durch Mahd und Abfuhr des Schnittguts und dem damit einhergehenden Nährstoffentzug die Pflanzenvielfalt der Säume noch weiter steigern.
  • Je weniger Luft-Sog beim Mähen entsteht, umso mehr Insekten überleben die Mahd. Manche Betriebe teilen sich zu diesem Zweck einen modernen Balkenmäher.
  • Infotafeln können den Grund der sichtbaren „Unordnung“ erklären und haben sich schon vielerorts als guter Aufhänger zum Interessenaustausch und zur anschließenden Kompromissfindung erwiesen.

Praxisnahe Beratung

Es gibt keine standardisierte Vorgehensweise zur Feldrandpflege. Jeder kann schlagindividuell prüfen, ob ackerbauliche Probleme angegangen werden müssen oder ob auf eine Pflegemaßnahme vielleicht auch zugunsten der Artenvielfalt und des Landschaftsbildes verzichtet werden kann. Für Fragen stehen Ihnen Ihre regionalen LLH-Pflanzenbau-Beratungskräfte und die landwirtschaftliche Biodiversitätsberatung des LLH gerne zur Verfügung.

 


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