Biorohstoffnutzung
4. HeRo-Faktencheck: „Holz in der Stadt – nachhaltig und modern“
Mit den aktuellen Auswirkungen des Klimawandels steht eine Mammutaufgabe zur Einsparung von CO2 vor der Menschheit, vor allem in den Industrieländern. Das Bauwesen muss und wird seinen Teil dazu beitragen.
In den größeren Städten macht sich die Klimaerwärmung besonders stark bemerkbar, die sommerliche Hitze wird für viele dort lebende und arbeitende Menschen schwer erträglich. Deshalb heißt es umdenken und sinnvoll planen mit Luftkorridoren, Grünanlagen, Gebäudebegrünung und nicht zuletzt mit Holzbau. Der Holzbau ist wegen seiner Vorfertigung, dem zeitoptimierten Bauen vor Ort und des geringeren Gewichts besonders geeignet für Lückenbau und Aufstockung. Flächenverbrauch in Städten ist nicht nur eine Frage der Bodenpreise sondern dient der erforderlichen Freihaltung von Räumen für unversiegelte Flächen zugunsten von Grün, natürlicher Luftströmungen und Aufnahme von Niederschlägen. Gleichzeitig ist Holz als nachwachsender Rohstoff und Sauerstoffproduzent wichtig für den Schutz unseres Klimas und die Vermeidung von schwierigem Müll.
Holzbautagung – Gemeinschaftsveranstaltung von LLH-HeRo und dem HeRo e.V.
Der 4. HeRo-Faktencheck fand am 27.2.2020 im Ökohaus Frankfurt/M. statt. Das aktuelle Thema „Holz in der Stadt – nachhaltig und modern“ bezog sich auf die Möglichkeiten des Holzbaus vor allem in der Stadt auf begrenztem Raum.
Waldbewirtschaftung und Holzbau dienen dem Klimaschutz!
Bevor mit Holz gebaut werden kann, braucht es zuerst den Rohstoff Holz. Prof. Erik Findeisen von der Fachhochschule Erfurt startete die Reihe der Fachvorträge mit einem Impuls zur Waldbewirtschaftung. Dabei spannte er den Bogen von der unabdingbar erforderlichen nachhaltigen Waldbewirtschaftung mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum heutigen Klimaschutz durch Forstwirtschaft und Holzbau. Bis ins 19. Jahrhundert hinein führten Raubbau an Wäldern zu einem ernsthaften Holzmangel und Geländezerstörung (Devastierung durch Erosion). Dieser bitteren Erfahrung verdanken wir zwar noch heute erhaltene Gebäude aus Stampflehm oder Strohballen, aber vor allem eben die Waldgesetze zur Wiederaufforstung. Aus heutiger Sicht erfüllen die drei Hauptfunktionen des Waldes die Erfordernisse der Nachhaltigkeit: ökonomische, ökologische und soziale Funktion.
BauBuche als Bauholz
Wenn Holz als Baustoff zum Einsatz kommen soll, muss das Holz zum Baustoff konfektioniert werden. Neben dem Konstruktionsvollholz ist das Brettschichtholz (BSH) bekannt, das aus mindestens drei Brettlagen und in gleicher Faserrichtung verleimt wird (Brettschichtbinder, Leimbinder). Dagegen werden die Bretter für Brettsperrholz (BSP) kreuzweise miteinander verleimt und als Binder, Decken oder Wände genutzt. Dieses Holz gibt es auch mit einer Verbindung durch Holzdübel oder Nagelung (leimfrei). Alle diese Holzbauteile werden in der Regel aus Nadelholz hergestellt.
Durch die aktuellen Klimaveränderungen hat es das Nadelholz schwer, den trockenen Sommern und Stürmen zu widerstehen. Daher wurde viel in die Forschung investiert, um auch Laubholz als Bauholz verarbeiten zu können. Jan Hassan von der Firma Pollmeier Massivholz GmbH & Co.KG stellte die Produktion und die Eigenschaften von BauBuche vor, einem Bauholzprodukt, das aus (geschältem) Buchenfurnier in 3 mm-Schichten faserparallel bzw. kreuzweise verklebt und zu Trägern, Platten, Paneel und Fußboden verarbeitet wird. BauBuche kann aber mit seiner höheren Festigkeit und Steifigkeit, z.B. als Träger über große Spannweiten, sehr gut punkten und damit Kosten optimieren. Sie ist feuchtebeständig, aber nicht für die Außenbewitterung vorgesehen.
Gebaute Wohnbeispiele in der Stadt
Zu Aufstockungen mit Holzbauteilen oder -modulen in der Stadt findet man in Frankfurt/M. zahlreiche Beispiele in verschiedensten Ausführungen und Preislagen. Ein besonderes Beispiel stellte Ulrich Tokarski, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsgenossenschaft des Volks-, Bau- und Sparvereins in Frankfurt/M. eG, vor. Die Aufstockung von bisherigen dreigeschossigen Wohnblöcken mit Staffelgeschossen (modulare Holzbauweise) und großen Balkonen bzw. Terrassen ergab 14 Wohneinheiten mit 3 oder 4 Zimmern für Familien. Die Baumaßnahme wurde auch dafür genutzt, um eine Solaranlage auf dem neuen Dach installieren zu lassen (Mieterstrommodell der Mainova AG), neue Balkone für die Bestandswohnungen zu errichten und die Außenanlagen neu zu gestalten. Entsprechend dem Genossenschaftsgedanken wurden die Modernisierungskosten nicht auf die Bestandsmieter umgelegt. Besonders eindrucksvoll waren die Hinweise von Herrn Tokarski, welchen hohen Stellenwert die Kommunikation mit den Bestandsmietern hatte. Je besser die Kommunikation, umso besser funktioniert eine Baumaßnahme.
Im Rahmen der Exkursion am Nachmittag der Tagung erhielten die Teilnehmer durch zwei Mitarbeiter der Firma Ochs GmbH (Holzbau) die Gelegenheit eine Aufstockung und Verdichtung in der Frankfurter Innenstadt kennen zu lernen. In diesem Falle wurden die bestehenden viergeschossigen Wohnblöcke durch Massivholzbauweise (BSP) um eine Etage aufgestockt. Die Aufgänge, erhielten zusätzlich Aufzüge (Halt auf halber Treppe). Das Gelände ermöglichte zusätzlich Lückenneubauten, die ebenfalls in Massivholzbauweise erstellt wurden, aber als Neubauten barrierefrei mit innenliegendem Aufzug erschlossen sind.
Schulbau aus Holzbauteilen in der Stadt
Nicht nur Wohnungen werden in den Städten gebraucht, sondern auch Schulen, Kitas, Seniorenheime, Studentenwohnheime, Büro- und kleine Gewerbegebäude…
Erhard Botta, Geschäftsführer von Werk.um Architekten stellte eine Schulerweiterung in Groß-Umstadt vor, die statt bisheriger Container auf dem Schulhof errichtet wurde. Dazu gab es Stadtentwicklungsauflagen (das Hauptgebäude steht unter Denkmalschutz) sowie Wünsche und Auflagen von Seiten der Schule und der Schulbehörde. Entstanden ist ein ästhetisch passender Holz-Beton-Hybridbau auf Stelzen mit 10 Klassenräumen (teilweise überdachtes Schulhofgelände). Die Montage erfolgte vor Ort, in den Obergeschossen mit einem mehrschichtigen gedämmten Wandaufbau in einer Unterkonstruktion aus Holzständern und einer Außenverkleidung aus Holz. Auch die Dachkonstruktion (Ziegel-Satteldach) wurde zimmermannsmäßig als Holzkonstruktion ausgeführt. Für die erwünschte Nachtauslüftung wurden bodentiefe, einbruchsichere, automatische Öffnungsflügel neben den Fenstern eingebaut.
In der Exkursion am Nachmittag wurde von Erhard Botta und Stephan Schütze (Holzbaufirma Müllerblaustein) ein weiteres Schulprojekt in Frankfurt-Niederrad vorgestellt. Auch hier war die Baufläche eine Splitterfläche. Die zweiteilige Schule mit Mensa wurde aus Brettsperrholz-Bauteilen errichtet, auch die Geschossdecken und Treppen. Die unverkleideten Holzbauteile im Inneren strahlen eine sehr angenehme Atmosphäre aus. Auf Wunsch der Schulleitung wurden Lernbereiche mit niedrigeren Schallschutzanforderungen realisiert. Das besondere pädagogische Konzept wurde von der Schulleiterin kurz vorgestellt.
Ebenso konnte eine Schule in Holzmodulbauweise in Frankfurt-Riedberg besichtigt werden. Diese Module wurden so konzipiert, dass ein Versetzen der Module einschließlich der eingebauten Technik möglich ist (Vorfertigung und späterer Rückbau / Umsetzen). Jeweils drei Module bilden einen Klassenraum in den Maßen 8 x 8 m mit bodentiefen Fenstern, erschlossen über einen Laubengang. Auch die Sanitärräume bestehen aus einem Holzmodul. Die Deckenträger, die jeweils die Module abschließen bestehen aus BauBuche. Alle Klassenräume verfügen über eine Lüftungsanlage und raumhohe Nachtauslüftungsklappen.
Gewerbebau in Holz mit der Gebäudeklasse 5
Die Firma Steico SE, ein Hersteller von Holzfaserdämmstoffen aus Feldkirchen bei München, benötigte einen Anbau an die Konzernzentrale für Büros und Pausenräumen. Entsprechend der Firmenphilosophie sollte der Bau aus Holz mit Holzfaserdämmung errichtet werden. Für die Größe (drei Holzbau-Vollgeschosse auf einem EG-Betongeschoss mit Garagen; Nutzfläche >400 m²) waren spezielle brandschutztechnische Lösungen für die GK 5 erforderlich. Florian Wick, Leiter der Steico-Akademie erläuterte verschiedene Maßnahmen, die brandschutztechnisch möglich sind, z.B. größer dimensionierte Massivholzelemente, Kapselung mit Gipsfaserplatten, Nachweis des unkritisch langsamen Glimmverhaltens an der Fassade mit einem Holzfaser-WDVS, Zulassung für die Furnierschichtholz-Geschossdecken mit ausreichender Restdicke im Brandfall. Das Gebäude war für die Firma selbst ein Objekt mit viel Neuerungs- und Erfahrungspotential. Ein weiteres ähnliches Gebäude ist in Planung.
Entwicklung einer städtischen Gewerbebrache durch Holz- und Strohbau
Ulrich Bunnemann, Geschäftsführer der Schelfbauhütte GmbH & Co. KG Schwerin hat sich mit seiner Planungs- und Ausführungsfirma dem Gelände der Alten Brauerei in Schwerin angenommen. Betrachtet man den Zustand vor der Sanierung, kann man sich kaum vorstellen, dass in diese Ruinen aus 70er-Jahre-Bauten und zum Teil historisch wertvollen Gebäuden, wieder Leben einziehen kann. Die Schelfbauhütte realisierte eine Wohnnutzung durch Sanierung und innovative Strohballendämmung der Wände und Dächer (Niedrigstenergiestandard). So wurden ein ehemaliges Bürogebäude, das Sudhaus und weitere Industriegebäude für Wohnzwecke saniert, Balkone angebaut oder integriert. Dank eines neu entwickelten Strohankers® konnte die Strohballendämmung erheblich rationalisiert werden. Auf geeigneten Flächen wurden Kleinhäusergruppen in Holzbauweise mit Strohballendämmung errichtet. Ein großes Gebäude ist in der Sanierungsphase zum seniorengerechten Wohnen. Insgesamt sind 16 große Gebäude fertiggestellt, weitere sind im Bau und in der Planung. Das direkt am See gelegene Brauereigelände erweist sich heute als echte Attraktion für ein sehr komfortables Wohnen.
Vom Handwerk zur digitalen Produktion
Ein wichtiger Aspekt für die Zukunft des Holzbaus ist die Vorfertigung. Frederick Ehling von der DGJ Architektur GmbH in Frankfurt/M. stellte die Zukunft des Holzbaus mit digital vorgefertigten Vollholz-Bausystemen vor. Idealerweise werden Prototypen im Massivholzbau-System entwickelt, die auf geometrischen Holz-Holz-Verbindungen im Stecksystem basieren. Dadurch kann auf sämtliche Schraub- oder Klebeverbindungen verzichten werden. Zusätzlich macht eine innovative Fräsung im Inneren des Massivholzes eine zusätzliche Dämmschicht überflüssig. Als Beispiel wurde ein studentisches Wohnobjekt vorgestellt. Die konstruktive Basis des viergeschossigen reinen Holzbaus ist ein tragendes Holz-Skelett mit aussteifendem Kern und massiven Decken aus Brettsperrholz sowie Trennwänden und Fassaden als Holztafel-Konstruktion. Die Knoten bestehen aus einer modernen Interpretation des japanischen Yatoi hozo sashi-Knoten, dessen Aufbau in eine moderne Produktionslogik übersetzt wurde. Der Anschluss der massiven Deckenelemente an die Träger wird über Schwalbenschwanzverbindungen hergestellt. Die Konstruktion ermöglicht es, dass die Innenwände mit einfachen Mitteln eingebaut und flexibel versetzt werden können. Zum einen lassen solche Konstruktionen eine kostengünstige und wettbewerbsfähige Bauweise zu, zum anderen entsprechen diese sortenreinen Holz-Holz-Verbindungen dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft (reparabel, vollständig wiederverwendbar, recycelbar oder energetisch nutzbar).
Informations- und Fördermöglichkeiten zum energieeffizienten Bauen und Sanieren
Zum Abschluss der Holzbautagung stellte Melanie Schlepütz, Leiterin der Hessischen Energiesparaktion, das Angebot die Landes Energie Agentur (LEA) und der Hessischen Energiesparaktion (HESA) für Bauherren und Kommunen vor. Es gibt vielfältige Beratungs-, Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten durch die Einrichtung der Landes Energie Agentur. Es lohnt also, sich auf deren Internetseite zu informieren und entsprechenden Kontakt zu den jeweiligen Berater*innen aufzunehmen.
Ein herzlicher Dank geht an alle Referent*innen und Exkursionsführer*innen für die interessanten Beiträge und nicht zuletzt an Prof. Achim Vogelsberg von der THM Gießen und Henry Thiele vom HeRo e.V. als Moderatoren.