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Was heißt Nachhaltigkeit im Bauwesen?

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde und nicht immer trifft zu, was die Werbung da so verspricht. Ganz besonders beim Bauen und Dämmen muss der gesamte Stoffkreislauf der eingesetzten Materialien betrachtet werden, denn nachweislich erzeugt die Bauindustrie mehr als 50% des gesamten Müllaufkommens in Deutschland.

Abfallbilanz verschiedene Jahrgänge; Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

 

Abriss Parkhaus Witzenhausen nach 35 Jahren Standzeit

Auch wenn der größte Teil der Bau- und Abbruchabfälle (einschl. Straßenbau) getrennt, aufbereitet und verwertet wird, so kommt doch dieser Abfallgruppe eine Schlüsselrolle für eine geschlossene Kreislaufwirtschaft zu. Die häufig relativ kurze Standzeit von Gebäuden und Straßen sorgt für einen immerwährenden Verbrauch an Baustoffen, Logistik, Energie und Baukapazitäten. Die zu verwertenden Abbruchmaterialien sind ja in der Regel keine neu zu verbauenden Baustoffe. Ebenso muss beachtet werden, dass viele Abbruchmaterialien aus Gebäuden und Straßen mit Schadstoffen kontaminiert, damit nicht mehr nutzbar und nur unter Auflagen zu entsorgen sind.

https://www.umweltbundesamt.de/daten/ressourcen-abfall/abfallaufkommen#deutschlands-abfall

Zum Verbrauch von unwiederbringlichen Rohstoffen für Baumaterialien kommt der bisher wenig gebremste Flächenverbrauch. In Deutschland werden immer noch täglich rund 60 Hektar Fläche für Gewerbe, Wohnungsbau, Verkehr und Erholungsflächen verbraucht. Hierbei handelt es sich oftmals um wertvolle Ackerböden. Der Verbrauch entspricht etwa einem Einfamilienhaus pro Minute. Dagegen dauert es 2.000 Jahre, bis zehn Zentimeter fruchtbarer Boden entstehen. Boden und Fläche sind aber wertvolle und endliche Güter.

https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/bauen/hintergrund/27400.html

 

Entwicklung des Flächenverbrauchs; Stand 2018, Quelle: Statistisches Bundesamt

 

Was also ist nachhaltig?

Nachhaltigkeitsdreieck

Nachhaltigkeit lässt sich am besten im Nachhaltigkeitsdreieck veranschaulichen. In Bezug auf das Bauen und Dämmen heißt das konkret:

1. Ökonomische Dimension: energieeffizientes Bauen und Sanieren mit langfristiger Standzeit; Nutzung, Umnutzung und Verdichtung bestehender Baugebiete; geringer Wartungsaufwand

2. Soziale Dimension: bezahlbares Wohnen, sinnvolle Wohnungszuschnitte, Erhaltung eines sozialen und generationsübergreifenden Wohnumfelds, Lärmminderung, hohe Behaglichkeit, wohngesundes Raumklima, Barrierefreiheit

3. Ökologische Dimension: ressourcenschonende und klimaschonende Herkunft und Konfektionierung sowie eine Kreislaufwirtschaft der Bau- und Dämmmaterialien, Flächenverbrauchsoptimierung, intensive Stadtbegrünung, Stickoxid- und Staubminderung

 

Reale Chancen für unsere Zukunft

Im Gebäudebau ist es nicht so schwer, wie vielleicht gedacht, nachhaltig zu bauen. Entscheidend ist die Wahl der Baustoffe und die Überlegung, wo und wie gebaut wird. Hier einige Anregungen:

Energieeffizient bauen und dämmen. Das heißt auch: kompakt bauen, ausreichend große Dachüberstände zum Schutz vor Niederschlägen und zum sommerlichen Hitzeschutz. Ebenso wichtig ist die Nutzung erneuerbarer Energieerzeuger, am besten in gemeinschaftlichen Anlagen mehrerer Nutzer.

Einsatz von wohngesunden und nachwachsenden Bau- und Dämmstoffen. Es liegt an unserer Generation, unserem Wissen und Willen, die Schadstoffbelastung beim Bauen und Sanieren zu senken und die Fehler der vergangenen Generationen nicht zu wiederholen. Holz als Baustoff, Lehm- und Kalkputze sowie Dämmstoffe aus Holz-, Zellulose-, Hanf- oder Jutefasern, Stroh, Schilf oder Schafwolle sichern ein hohe Behaglichkeit, Wohngesundheit, Lärmschutz und sommerlichen Hitzeschutz sowie einen klimaneutralen Stoffkreislauf.

Nutzung von Bestandgebäuden und Anlagen, durch Ausbau, Umbau, Aufstockung, Lückenbau, Veränderung von Wohngrundrissen, Herstellung von Barrierefreiheit. Das impliziert auch die Entwicklung neuer Wohnformen für jedes Alter, die Entwicklung des städtischen und ländlichen Raumes sowie die gemeinschaftliche Nutzung bestehender Freianlagen.

Integration und Wiederbelebung von Kleingewerbe, kleineren Geschäften, Wochenmärkten mit regionalem Angebot, ortsnaher Kinderbetreuung, mobilem Arbeiten & Home Office in Wohngebieten und im ländlichen Raum. Das könnte für die Zukunft sehr viel Verkehr und Zeit einsparen, die dem Klimaschutz und dem sozialen Zusammenleben dienen.

Neu denken in Bezug auf kreative Arbeitsfelder in der Informationstechnologie und dem Dienstleistungsgewerbe. Dazu gibt es bereits viele neue Projektideen für die kreative Nutzung von Bestandsgebäude als Gemeinschaftswerkstätten und –büros oder als Ideenwerkstätten. Ebenso gibt es „Zukunftsdörfer“ mit neuen Wohn- und Arbeitskonzepten sowie weitgehend regionaler Versorgung. Und die aktuelle Krise zeigt, dass über Telefon- und Video-Konferenzen oder über die Zusammenarbeit per Computer tausende Reisekilometer eingespart werden können.

Packen wir es an!

Mit einem ungebremsten Wirtschaftswachstum können die aktuellen Probleme nicht gelöst werden. Nachhaltiges Handeln haben viele Länder bereits viel besser verstanden als Deutschland.

Wir müssen umdenken und weiter denken! Jeder kann dazu einen Beitrag leisten. Der LLH-HeRo bietet vielfältige Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen zum Bauen, Dämmen und Nachhaltigkeitsthemen an, sowohl für die Fachbranche als auch für Gebäudeeigentümer.