Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Biorohstoffnutzung

Lehm: Ein nachhaltiger Baustoff

Nachlese zum Seminar: „Umgang mit Lehm in Theorie und Praxis“

Lehm ist überall verfügbar

Nachbau einer Hauswand aus der Bronzezeit (Modell: Hess. Energiesparaktion)
Lehm wird in der heutigen Baubranche immer noch als „Randerscheinung“ angesehen. Aber der Lehmbau findet zu Recht wieder zurück in das Bauwesen, als nachhaltiger Baustoff und als Verbindung zu den Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Holzfaser, Stroh und Strohballen oder Schilfrohr und Typha.

Früher war ungebrannter Lehm an den Gebäuden allgegenwärtig, nicht nur im Orient. Lehmige Erde ist überall auf der Welt zu finden und auch in Europa weit verbreitet. Bei der Ausgrabung einer abgebrannten bronzezeitlichen Siedlung in der Nähe von Langenselbold in Hessen fand man Wandaufbauten, deren Rekonstruktion zwei Flechtwände mit Lehmverstrich mit innenliegender Grasdämmung zeigte. Das entsprach energietechnisch einem Wärmedurchgangswiderstand der Wand wie es in Deutschland 1995 üblich war!

Auch die Entwicklung des Fachwerkbaus in Deutschland wäre ohne Lehmbau undenkbar. Das Fachwerk selbst konnte in seinen Einzelteilen per Wagen an den jeweils neuen Ort der Siedlung gebracht werden. Vor Ort wurde dann mit dem verfügbaren Material aus Weiden- oder Haselnussruten, Lehm und Stroh das Gebäude ausgefacht und das Dach gedeckt.

Auch in den Sprachen Europas haben sich Worte, Namen und Ortsbezeichnungen zum Lehm erhalten: Lehm – Leim – Laim – Loam(engl.) – Clay(engl. – Klei(niederl.) – Glina (slaw.), Slier (mittelhochdt.). Straßennamen zeigen an, dass es früher fast in jedem Ort eine Lehmgrube gab: „An der Lehmkute“, „Lehmkaute“, „Lehmkuhle“. Und viele Familiennamen zeugen vom Umgang mit Lehm, wie Lette, Lettenbauer, Glinka, Leimbruck, Lehmkuhl. Auch Ortsnamen zeigen lehmige Gegenden an wie Glindow, Paaren im Glien, Glienicke, Lehmen, Schlierbach oder Schlirf.

Wiederverwendung von altem Lehm-Stroh-Putz
Wiederverwendung von altem Lehm-Stroh-Putz
Im aktuellen Bau- und Restaurierungsgeschehen spielt der Lehm eine immer größere Rolle. Und das hat seine Ursachen: Lehmziegel und Lehmputz im Inneren bieten eine Behaglichkeit, die mit konventionellen-industriellen Baustoffen nicht herstellbar ist – im Sommer kühl, im Winter wärmespeichernd und mit ausgeglichener Raumluftfeuchte. Man lebt frei von Schadstoffen, ohne Elektrosmog und Strahlung sowie brandsicher und schallgeschützt. Der Rohstoffe Lehm ist in jeder Hinsicht nachhaltig: umweltfreundlich, preiswert, sehr lange haltbar und wohngesund.

Besonders schön ist, dass sich Lehm für Selbstbauer sehr gut eignet. Falls etwas misslingt, kann man/frau den Lehm wieder einweichen und neu verwenden. Auch Altputz aus Lehm ist wiederverwendbar.

Fortbildungen – Bauen mit Lehm

Einrühren von vorgefertigtem Lehmunterputz
geputzte Lehmfläche
Jedes Jahr im Sommer findet im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen – Kompetenzzentrum HessenRohstoffe (LLH-HeRo) in Witzenhausen ein Lehmbauseminar statt.

Das Seminar ist sehr nachgefragt, denn viele Fachwerkbesitzer wollen an ihren Gebäuden selbst sanieren. Handwerker verschiedenster Gewerke, aber auch Planer und Energieberater wollen sich fortbilden, um zukunftsfähig planen, bauen und sanieren zu können.

Neben dem Theorieteil organisiert der Seminarleiter, Dieter Brauch vom NetzwerkLehm, dass praktische Übungen auf einer Fachwerkbaustelle stattfinden. Die Teilnehmer mischen dabei alten Strohlehm wieder auf und rühren marktüblichen Lehmputz an. Jeder kann anfassen, ausprobieren, putzen oder Fachwerkfugen ausstopfen, je nach Interesse. Die praktische Durchführung, das Selbst-aktiv-werden sowie die Rückfragen und Diskussionen, machen das Seminar so wertvoll.

Sanierungsbedürftiges Flechtwerk im Gefach
Putzübungen
Das diesjährige Seminar „Umgang mit Lehm in Theorie und Praxis“ am 11.8.2018 bot eine theoretische Einführung in den Lehmbau und ein praktisches Ausprobieren in einem sanierungsbedürftigen Fachwerkhaus in Witzenhausen. Fünfzehn interessierte Fachwerkhausbesitzer aber auch Planer/innen, Denkmalpfleger/innen und Studierende mit internationalen Wurzeln nahmen am Seminar teil. Vor allem im praktischen Teil gab es die kleinen „Aha-Effekte“ und viele Fragen. Der Lehm auf der Haut tat gut, was besonders denen auffiel, die schon mit Zementmörtel oder Beton gearbeitet haben.

Der Einsatz von Lehm beschränkt sich nicht nur auf Fachwerksanierungen mit energetischer Ertüchtigung. Fast jedes Gebäude kann von innen mit Naturfaserdämmstoffen gedämmt und/oder mit Lehm geputzt werden.
Und: keineswegs muss der Lehmbau mit Handarbeit, unendlich viel Schmutz und langen Trocknungszeiten verbunden sein. Eine maschinelle Verarbeitung und der Einsatz von fertigen Lehmbauplatten ist in Fachbetrieben Standard.

Geputztes Gefach und Putzübungen
Geputztes Gefach
Heute zeugen aber auch eindrucksvolle öffentliche Gebäude oder Raumteiler aus gestampftem Lehm sowie Strohballenhäuser oder Holzgebäude mit Lehmputz vom sinnvollen Umgang mit einem alten und doch so neuen Rohstoff.

Seminarangebote im LLH-HeRo

Wegen der hohen Nachfrage gibt es am 24.8.2018 von 13:00 bis 19:00 Uhr ein weiteres Seminar zum Umgang mit Lehm.
Am 25.10.2018 findet von 14:00 bis 19:00 Uhr ein Praxisseminar „Kalkputze und Kalkfarben“ im Freilichtmuseum Hessenpark in Neu-Anspach statt. Anmeldungen sind jeweils über die LLH-Website möglich.
Am 20. und 21.11.2018 wird die Firma Claytec (Lehmprodukte) für Handwerker und Händler ein Firmenseminar am LLH-HeRo-Standort in Witzenhausen mit Theorie und Praxisteil durchführen. Anmeldungen bei Claytec.

Als Ergänzung werden jedes Frühjahr (Febr./März) ein Seminar „Gestalten mit Lehm“ (Lehmfarben, Lehmstucco, Lehmedelputz) sowie ein Fachseminar zur Dämmung mit Holzfaserdämmstoffen (Titel: „Dämmstoffe aus der Natur – Alles nur Ökokram?“) angeboten. Im Juni eines jeden Jahres wird ein spezielles Seminar „Lehmbau für Architekten“ veranstaltet.


Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag