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Extensive Wintergetreidearten – Eine Chance für den Gewässerschutz?

Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie hat zum Ziel, Landwirten bei der Reduktion von Nitrat- und Pflanzenschutzmitteleinträgen in Grund- bzw. Oberflächengewässer zu unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es vielfältige Möglichkeiten. Eine davon ist der Anbau von extensiven Kulturen.

Emmer-Ähre zur Vollreife
Sie benötigen geringere Stickstoffmengen um ihr Ertragspotenzial ausnutzen zu können und sind dadurch in der Regel auch weniger krankheitsanfällig.
In diesem Newsletter werden ausschließlich die extensiven Wintergetreidekulturen beleuchtet. In einem späteren Newsletter werden wir auch auf andere Alternativen zu Wintergetreide (z.B. Winterleguminosen) eingehen.

Wenn die Vermarktung gesichert ist, ist der Anbau von Winterbraugerste, Brauweizen, Winterhafer, Dinkel, Emmer oder Einkorn sowohl für die Umwelt, aber auch für den Deckungsbeitrag sehr interessant. Um Erfahrungen aus der Praxis einzuholen, haben wir ein Interview mit Herrn Lars Homburg aus Naumburg-Altenstädt durchgeführt. Er bewirtschaftet einen konventionellen Betrieb pfluglos mit 150 ha Ackerland und hält zusätzlich Mastschweine. Gleichzeitig ist er Leitbetrieb in Nordhessen für die Wasserrahmenrichtlinie. In Zusammenarbeit mit dem LLH wurden schon einige Feldversuche bearbeitet wie z.B. N-Düngungsversuche bei Winterweizen und der Probeanbau von Leindotter und Emmer. Homburg beschäftigt sich fortlaufend mit neuen und innovativen Kulturen, sodass eine große Bandbreite an Kulturarten auf seinen Äckern zu finden ist. Dazu zählen neben den üblichen Ackerfrüchten Backmohn, Dinkel, Emmer, Hanf, Leindotter, Zwischenfrüchte und Buchweizen. Weiterhin ist er in ein EIP-Projekt zum Thema „Populationssorten beim Weizen“, denen eine bessere Anpassungsfähigkeit nachgesagt wird, eingebunden. Auf den folgenden Seiten finden Sie Anbauinformationen zu ausgewählten Kulturen in den Bereichen Standortwahl, Vorfrucht, Sortenwahl, Aussaat, Düngung, Pflanzenschutz, Erträge, Preise und Qualitätsparameter.

Hier steht Ihnen der ERROR: no data available auch als Download (PDF) zur Verfügung.

Was bieten extensive Getreidearten?

Neben der Auflockerung der Fruchtfolge (zumindest bei Hafer, teilweise auch bei Dinkel, Emmer und Einkorn) und einer Steigerung der Biodiversität (durch den Einbau neuer Kulturen in die Fruchtfolge) ist der Stickstoffbedarf bei den extensiven Kulturen geringer, als bei den bekannten Getreidearten. Das entlastet die Umwelt und die Natur.
Grundsätzlich werden extensive Wintergetreidekulturen auch durch die kulturspezifischen Krankheiten der herkömmlichen Getreidearten befallen. Der geringere Düngebedarf dieser Arten führt aber meist zu einer geringeren Krankheitsanfälligkeit, wodurch Pflanzenschutzmaßnahmen in der Regel eingespart werden können. Die Marktwarenpreise liegen, abgesehen vom Winterhafer, höher, als bei herkömmlichen Getreidearten. In Verbindung mit der Kostenreduktion bei Pflanzenschutz und Düngung führt dies in der Regel zu einem höheren Deckungsbeitrag. Die Vor- und Nachteile dieser Kulturen sind in Tabelle 1 gegenübergestellt.
Alle hier aufgeführten Getreidearten haben eine eigene NC-Nummer und gelten daher beim HALM-C1 „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“ als eigenständige Kulturen innerhalb der Fruchtfolge. Allerdings darf der Getreideanteil von 66 % nicht überschritten werden.

Tabelle 1: Vor- und Nachteile extensiver Getreidekulturen

Vorteile Nachteile
Höhere Biodiversität Höhere Auswinterungsgefahr
Fruchtfolgeauflockerung Höhere Saatgutkosten
Geringere Kosten (Pflanzenschutz, Düngung) Pflanzenschutz (Zulassung/Verträglichkeit)
Höhere Marktwarenerträge Geringere Erträge

 

Extensive Getreidekulturen haben einen geringeren N-Bedarf als herkömmliche Getreidearten
und sorgen dadurch für geringere N-Überschüsse!

Risikostreuung durch Kulturarten-Diversifizierung

Zukünftig müssen wir mit einer größeren Variabilität der Witterungsverhältnisse von Jahr zu Jahr rechnen. Extermwetterereignisse wie Hitzeperioden, Starkniederschläge, sowie Wasser- und Winderosion nehmen zu, fallen aber ganz unterschiedlich aus. Eine Erweiterung des Fruchtfolgeartenspektrums kann zu einer Risikostreuung beitragen, da häufig nicht alle Kulturen gleichermaßen stark betroffen sind. Sei es durch unterschiedliche Ansprüche an die Bodenbeschaffenheit, die Nährstoffversorgung, den Wasserbedarf oder die Toleranz gegenüber Spätfrösten. Zusätzlich kann ein geringerer Stickstoffbedarf das Risiko von Stickstoffüberhängen auf der Fläche und somit den N-Austrag in Form von Nitrat oder Lachgas minimieren.
Zudem ist der Erhalt und der Aufbau der Bodenfruchtbarkeit sowie die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens von besonderer Bedeutung. Auch hier trägt eine vielfältige Fruchtfolge mit einem Wechsel von Sommer- und Winterkulturen, Blatt- und Halmfrüchten sowie dem Anbau von Leguminosen und Zwischenfrüchten dazu bei.

 

Grafik: Vorzüge von extensiven Getreidearten

Grafik: Vorzüge von extensiven Getreidearten

Anbau von extensiven Wintergetreidearten

Der folgende Text beschreibt und informiert über die einzelnen extensiven Wintergetreidekulturen in separaten Abschnitten. Durch das Interview mit Lars Homburg konnten zu den Kulturen Dinkel und Emmer bereits gesammelte Erfahrungswerte mit einfließen.

Winterbraugerste

Winterbraugerste

Winterbrauweizen

Winterhafer

Winterhafer

Dinkel

Dinkelbestand
Landwirt Homburg baut seit mittlerweile 5 Jahren Dinkel an und vermarktet diesen an regionale Bäckereien. Er sät den Dinkel auf leichteren bzw. schwächeren Standorten aus, da Dinkel weniger Bodenansprüche als Weizen stellt. Das Düngeniveau liegt auf seinem Betrieb zwischen 150-180 kg N/ha. Damit kann er im Schnitt 75 dt/ha ernten, wobei im Trockenjahr 2018 ein deutlicher Ertragsrückgang auf 60 dt/ha zu verzeichnen war. Wichtig beim Dinkel ist, die schnellere Abreife im Vergleich zum Weizen. Das entzerrt auch die Arbeitsspitze der Weizenernte. Der Dinkel steht aktuell noch in einer Rapsfruchtfolge mit hohem Getreideanteil. Allerdings hat Herr Homburg den Raps aus seiner Fruchtfolge genommen. Alternativ möchte er zukünftig die weiße Süßlupine als Leguminose in die Fruchtfolge einbringen. Zu Anfang hat er den Dinkel bespelzt ausgesät, dies verstopfte oft die Särohre. Mittlerweile besitzt er eine Entspelzungsanlage und kann den Dinkel somit problemlos nachbauen und sät den Dinkel unbespelzt aber ungebeizt aus. Mit den Pflanzenschutzmitteln, wie Herbizide, Fungizide etc., die für den Dinkel zugelassen sind, kommt man gut zurecht. Allerdings sind nicht alle Mittel, die für den Weizen zulässig sind gleichzeitig für den Dinkel erlaubt. Herr Homburg verwendet im Normalfall nur Wachstumsregler.

Emmer und Einkorn

Homburg hat seit drei Jahren Emmer im Anbau. Das Saatgut wurde im Zuge von gemeinsamen Versuchen vom LLH bereitgestellt. Den Emmer baut er auf Grenzstandorten an und erzielt mit einer Getreide-Vorfrucht Erträge von ca. 30 dt/ha. Diesen hat er zum Vergleich auch schon auf guten Böden angebaut und vergleichbare Erträge erzielt. Der Pflanzenschutz gestaltet sich beim Emmer schwieriger, da viele Mittel, die im Getreideanbau verwendet werden, keine Zulassung haben. Daher wählt Homberg hier eine integrierten Ansatz. Zur Unkrautbekämpfung nutzt er einen Striegel und führt zur Einkürzung des Emmers eine Wachstumsreglerbehandlung durch. Trotzdem geht Emmer oft ins Lager. Nach Aussage von Homburg lässt er sich aber gut ernten.

Vermarktung von extensiven Getreidearten

Neben der Vermarktung über die aufnehmende Hand bietet sich besonders bei Dinkel, Emmer und Einkorn auch die Möglichkeit, sich direkt an Mühlen oder Bäcker zu wenden. Diese sind oft bereit, über regionale Vermarktungskonzepte auch extensive Getreidearten zu verarbeiten. Weiterhin empfiehlt sich im Vorfeld eine Deckungsbeitragsrechnung mit den jeweiligen Vertragspreisen durchzuführen. Meist wird von den Vertragspartnern neben den Qualitätsparametern auch die Sorte vorgegeben, teilweise wird auch der Einsatz von bestimmten Pflanzenschutzmitteln verboten.

 

Vor dem Anbau extensiver Getreidekulturen sind deren Vermarktung und Preise
mit dem jeweiligen Handelspartner zu klären und die Deckungsbeiträge zu ermitteln!

 

Landwirt Homburg ist über Umwege zur regionalen Vermarktung des Dinkels gekommen, da eigentlich der Verkauf nach Baden-Württemberg geplant war. Durch bereits bestehende Kontakte zu Bäckereien in der Nähe, über den Verkauf des Backmohns und eine langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit, waren die Bäckereien bereit den Dinkel in ihr Sortiment aufzunehmen. Homburg vermarktet nebenbei noch Dinkelkörner und Dinkelmehl in 2,5 kg Packungen ab Hof und verkauft mehreren Direktvermarktern Dinkelgries für die Herstellung von Dinkelnudeln. Darüber hinaus verkauft er Mohn und Hanfsamen in 500 g bzw. 1 kg Packungen auf seinem Betrieb.
Sein Tipp: Wenn der Anbau von extensiven Getreidekulturen ein Thema ist, sollte im Vorfeld der Abnehmer feststehen, um gewisse Anforderungen, die der Abnehmer hat, auch erfüllen zu können (z.B. fixe Sorten). Dadurch wird eine gesicherte Abnahme gewährleistet. Man muss selbst aktiv werden und potenzielle Abnehmer suchen. Vorhandene Kontakte können dabei oft ausgebaut werden. Wichtig seien Verladungsmöglichkeiten im eigenen Betrieb, um flexibel agieren zu können.
„Es muss ja nicht sofort Emmer oder Einkorn sein, aber auf Grenzstandorten, wo der Weizenanbau nicht mehr funktioniert, können Kulturen wie Roggen oder Dinkel eine Alternative bieten.“

Schlussfolgerungen

Die Nachfrage der Verarbeiter nach Winterbraugetreide bzw. der Verbraucher nach ernährungsphysiologisch gesünderem Brotgetreide wächst stetig. Ein weiterer Grund ist die gesetzliche Vorgabe, die einen Maximalwert von 50 kg N/ha als Überschuss im Betrieb erlaubt. Extensive Kulturen können dazu beitragen, die N-Salden zu reduzieren. Der Anbau dieser extensiven Wintergetreidekulturen wird zwar immer eine Nischenproduktion bleiben, bietet aber regional doch die Möglichkeit, Kulturen anzubauen, die mit weniger Stickstoff und Pflanzenschutz auskommen und auf schwächeren Standorten ihr Potenzial nutzen können. Gerade im Sinne der Umsetzung der WRRL sollten wir von Seiten der Landwirtschaft diese Chancen auch nutzen.
Für weiterführende Fragen können Sie sich gerne an Ihre regionale Pflanzenbauberatungskraft oder das WRRL-Team wenden.

Literatur