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Grundsätze des integrierten Pflanzenbaus

Die Anforderungen und Vorgaben bezüglich Umwelt-, Boden- und Gewässerschutz werden stets umfangreicher und müssen mit der Wirtschaftlichkeit des Betriebes Hand in Hand gehen.

Abb. 1: Ein Marienkäfer im Larven-Entwicklungsstadium vertilgt hunderte Blattläuse
Der integrierte Pflanzenbau ist dabei ein besonders wichtiger Bestandteil. Die Grundsätze beinhalten die Nutzung von natürlichen Ressourcen und Regelmechanismen, um den Einsatz von Düngung, Pflanzenschutz und Energie so gering, wie möglich zu halten. Dabei müssen die einzelnen Maßnahmen in ihrer Wirkung als Ganzes betrachtet werden. Es ist daher wichtig, sich schon vor der Aussaat im Herbst Gedanken zum integrierten Pflanzenbau zu machen. Aus diesem Grund haben wir für Sie die wichtigsten Grundregeln des integrierten Pflanzenbaus nochmals zusammengefasst.

Standortwahl und Bodenbearbeitung

Standortwahl

Die richtige Standortwahl hilft den Pflanzen, Stress zu vermeiden und ihr natürliches Ertragsniveau besser auszuschöpfen. Zudem kann so die Widerstandskraft gegen potenzielle Schadursachen wie zum Beispiel pilzliche Erkrankungen gestärkt werden.
Nicht alle Arten und Sorten passen auf jeden Standort. Es ergibt keinen Sinn, eine Extensivfrucht wie Braugerste oder Brauweizen, auf einen Standort mit hoher Nährstoffnachlieferung anzubauen. Genauso passen Pflanzen mit einem hohen Wasserbedarf (z.B. Hafer oder Zuckerrüben) nicht auf Trockenstandorte, oder tiefwurzelnde Pflanzen wie z.B. Ackerbohnen oder Raps auf flachgründige Böden.
Unsere Hauptgetreideart Weizen hat z.B. relativ hohe Ansprüche an die Bodenqualität und sollte daher nicht auf leichten Böden angebaut werden. Gerste, Triticale und besonders Roggen sind wesentlich anspruchsloser. Dennoch sollte Gerste nicht auf auswinterungsgefährdete Standorte ausgesät werden. Triticale liegt mit seinen Ansprüchen zwischen Weizen und Roggen. Beim Roggenanbau besteht das Risiko der Mutterkorninfektion durch zum einen vermehrte Niederschläge während der Blüte und zum anderen die Wahl von windarmen Standorten und die daraus resultierende verminderte Bestäubung.

Bodenbearbeitung

Jeder Eingriff in den Boden stört das natürliche Bodenleben und Bodengefüge. Wenn es aus phytosanitärer Sicht verantwortbar ist, sollte die Bodenbearbeitung möglichst schonend und flach durchgeführt werden. Dies spart nicht nur Dieselkosten, sondern führt auch zu geringeren CO2-Emissionen. Weiterhin kostet jede Bearbeitung wertvolles Bodenwasser, das in trockenen Jahren eine knappe Ressource ist. Allerdings nimmt mit zunehmender Bearbeitungstiefe und -häufigkeit die Nitrifikation und damit die Auswaschungsgefährdung von Nitrat zu.

Fruchtfolge, Zwischenfrucht, Sorten und Aussaat

Fruchtfolge

Abb. 2: Tabelle zur Fruchtfolgengestaltung (Quelle: ISIP)
Je breiter die Fruchtfolge und je länger die Anbaupausen von Hauptfrüchten sind, desto geringer ist die Gefahr der Krankheitsübertragung und der Ertragsdepressionen bei der Folgefrucht. Das gilt nicht nur für empfindliche Kulturen, wie Raps oder Zuckerrüben, sondern auch für vermeintlich selbstverträgliche Kulturen, wie Roggen oder (Stoppel-) Weizen. Blattfrüchte, Zwischenfrüchte oder auch Hafer gelten als Gesundungsfrüchte, die neben den Anbaupausen zusätzlich zur Fruchtfolgeauflockerung beitragen. Welche Vorfrucht mit welcher nachfolgenden Hauptfrucht gut verträglich ist, ist in Abbildung 2 dargestellt.
Neben den phytosanitären Auswirkungen kann auch die Vermarktung einen Einfluss auf die Fruchtfolge nehmen. So ist z.B. die Sonnenblume als Blattfrucht keine geeignete Vorfrucht für Braugetreide.

Zwischenfruchtanbau

Wenn die Fruchtfolge, die Witterung und der Wasserhaushalt es zulassen, sollten Zwischenfrüchte vor jeder Sommerung angebaut werden. Auch vor manchen Winterungen kann ein Zwischenfruchtanbau sinnvoll sein. Zwischenfrüchte gelten als Multitalente. Sie können den Krankheitsdruck im Hauptfruchtanbau vermindern und können das Ertragsniveau der Folgekultur durch die Verbesserung der Bodengare und Bodenlockerung erhöhen (Tabelle 1). Weiterhin sorgen sie durch ihr vielfältiges und ausgeprägtes Blattwerk für eine Schattengare und verhindern mithilfe ihres Aufwuchses Bodenerosion. Durch die intensive Durchwurzelung können Nährstoffe, wie Nitrat, gebunden und somit die Verlagerung in tiefere Bodenschichten gemindert werden. Diese Nährstoffe stehen der Folgekultur in organisch gebundener Form wieder zur Verfügung. Einige Zwischenfrüchte können sogar Nährstoffe wie z.B. Phosphor aufschließen und wieder pflanzenverfügbar machen.

Tab. 1: Eignung von Zwischenfrüchten nach Fruchtfolge

  Zwischenfrucht
Fruchtfolge
mit…
(besonders) geeignet
neutral weniger/nicht geeignet
Rüben Senf
Ölrettich (nematodenresistente)
Lein
Phacelia
Lupine
Raps
Rübsen
Buchweizen
Gräser
Raps Phacelia
Buchweizen
Rauhafer
Alexandriner Klee
Lein
Gräser
Grünroggen (nicht greeningkonform!)
Ramtillkraut
Senf
Ölrettich
Raps
Rübsen
Sonnenblumen
Leguminosen
Kartoffeln Ölrettich
Lupine
Weidelgräser
Leguminosen
Rauhafer
Senf
Raps
Rübsen
Phacelia
Mais Grünroggen (nicht greeningkonform!)
Weidelgräser
Phacelia
Leguminosen
Leguminosen Weidelgräser alle Leguminosen

Sortenwahl

Meistens sind die Sorten mit der höchsten Ertragseinstufung nicht die mit der besten Ertragssicherheit und damit nicht zwangsläufig die beste Wahl für den integrierten Pflanzenbau. Besser sind standortangepasste Sorten, die resistent oder tolerant gegen ortsübliche Krankheiten sind, die an vorherrschende Witterungsverhältnisse angepasst sind, die sich in die Fruchtfolge integrieren lassen (frühe oder späte Sorten) und die in die Vermarktungsschiene passen (Sortenvorgabe vom Abnehmer).
Blattreiche Sorten führen z.B. zu einer höheren Unkrautunterdrückung, als blattarme Sorten, kurz-strohige Sorten sind meist anfälliger für Ährenkrankheiten, als langstrohige Sorten. Dafür ist die Standfestigkeit kurzer Sorten in der Regel besser.
In der Bundessortenliste sind alle zugelassenen Sorten mit ihren agronomischen Eigenschaften und Qualitätseinstufungen aufgelistet und können danach ausgewählt werden. Auch der LLH prüft in den Landessortenversuchen die Eignung von Sorten für unterschiedliche Regionen (Krankheitsanfälligkeit, Trockentoleranz etc.) und veröffentlicht danach regionale Empfehlungen.

Aussaatzeit

Jede Kultur hat ihr Aussaatoptimum in einem gewissen Zeitrahmen. Ob innerhalb dieses Zeitraum eher der frühe oder der spätere Termin ausgewählt wird, hängt von pflanzenbaulichen Aspekten ab. Frühere Aussaaten haben den Vorteil, dass die Pflanzen die meist noch milden Temperaturen für eine zügige Jugendentwicklung nutzen können. Allerdings kann dies auch zu überwachsenen Beständen (z.B. bei Wintergerste) im Frühjahr führen. Eine spätere Aussaat hat den Vorteil, dass mehr Unkräuter vor der Saat auflaufen können, die dann wirkungsvoll mechanisch oder chemisch bekämpft werden können. Auch wird dadurch die Gefahr von Herbstinfektionen (z.B. Virosen durch Blattläuse, später Mehltaubefall) gesenkt. Tendenziell sollte nicht zu früh ausgesät werden.

Eine frühe Aussaat ist, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Herbizid-Resistenzen bei Ungräsern, zu vermeiden!

Bestandesdichte

Zu dichte Bestände erhöhen die Lagergefahr und das Krankheitsrisiko. Auch mithilfe von jeglichen Pflanzenbaumaßnahmen ist die Pflanzendichte nur schwer zu reduzieren. Dünne Bestände können hingegen durch gezielte Stickstoffgaben oder mechanische Maßnahmen, wie Striegeln oder Walzen, zur Bestockung angeregt und somit aktiv geführt werden. Daher sind zu dichte Aussaaten zu vermeiden.
Die optimale Bestandesdichte richtet sich neben der Kultur auch nach dem Ertragsbildungstypen (Bestandesdichte-, Kompensations- oder Einzelährentyp) (Tabelle 2), nach dem Standort (Nährstoffversorgung, Wasserhaushalt) und nach der Aussaatzeit (Zugabe bei späteren Aussaatzeiten).

Tab. 2: Bestandesdichte beim Winterweizen (Ähren/m²) in Abhängigkeit von Standort und Sortentyp (modifiziert nach DSV-Saaten 2005)

Standorte
Sortentyp Leichte Böden, unsichere Wasserversorgung Mittlere Böden, meistens ausreichende Wasserversorgung Gute Böden,gute Wasserversorgung
Bestandesdichtetypen 450-550 550-600 600-700
Kompensationstypen 400-450 500-550 550-600
Einzelährentypen 380-430 400-450 450-500

Es gibt verschiedene Methoden, um die Bestandesdichte bei Getreide zu bestimmen.
Es kann ein klassischer quadratischer Zählrahmen verwendet werden, der eine Fläche von 1 m² abdeckt. In diesem abgegrenzten Bereich werden die vorhandenen Halme gezählt.
Für die zweite Methode benötigt man einen 1 m langen Stab oder Zollstock, der in die Drillreihe gelegt wird. Alle Triebe die auf diesem Meter wachsen werden gezählt (z.B. 70 Triebe). Zusätzlich benötigt man den Reihenanstand (z.B. 12 cm) um die Reihen, die auf einem Meter liegen zu berechnen. Dieser Wert wird anschließend mit der Anzahl der Triebe multipliziert (z.B. 70 x 8,333 = 583 Triebe).
Die dritte Variante ist wohl die unbekannteste, daher werden wir sie in diesem Rahmen ausführlich vorstellen. Zunächst benötigen Sie Ihren Drillreihenabstand in cm, davon ist die Zählstrecke abhängig (Tabelle 3). Für alle Bestimmungsmethoden muss eine mindestens dreifache Wiederholung im Bestand durchgeführt werden.

Tab. 3: Länge der Zählstrecke bezogen auf den Drillreihenabstand (Quelle: KWS 2018)

Drillreihen-abstand (cm) Länge der Zählstrecke (cm)
17 58,8
16 62,5
15 66,7
14 71,4
13 76,9
12 83,3
11 91
10 100

Danach wird die Anzahl an gezählten Pflanzen der jeweiligen Strecke in die untenstehende Formel eingesetzt und man erhält die Anzahl an Trieben.

Gezählte Triebe x 10 = Anzahl Triebe/m²

Saattiefe

Jede Kultur hat ihr Ablageoptimum (von ca. 2 cm bei Raps bis ca. 8 cm bei Ackerbohnen). Eine zu flache Ablage verschlechtert die Standfestigkeit und die Wasserversorgung der Kulturpflanzen, eine zu tiefe Ablage kostet den Keimling viel Kraft und er kann dadurch krankheitsanfälliger werden. Weiterhin wird der Feldaufgang negativ beeinflusst. Außerdem ist eine gleichmäßige Ablagetiefe von großer Wichtigkeit. Neben der Kultur spielt aber auch die Wasserversorgung des Standortes eine entscheidende Rolle. In Trockengebieten sollte eher etwas tiefer abgelegt werden, damit der Samen die Bodenfeuchtigkeit nutzen und die Keimpflanze möglichst schnell an Bodenwasser gelangen kann.

Pflanzenschutz und Düngung

Pflanzenschutz

Integriert geführte Bestände sind gegenüber Schädlingen (Pilzen, Insekten) robuster. Falls nötig, können chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Grundsätzlich gilt aber: „So viel, wie nötig und so wenig, wie möglich.“
Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sollte nach dem Schadschwellenprinzip erfolgen, sofern Werte vorliegen. Dazu können neben den eigenen Erhebungen (z.B. über Gelbschalen) auch die Vorhersagemodelle oder Warnhinweise des LLH oder des hessischen Pflanzenschutzdienstes genutzt werden, um den Mitteleinsatz zu optimieren. Wenn möglich, sollte die Ackerbegleitflora bereits auf der Stoppel bekämpft werden. Neben der Ertragsabsicherung kann damit auch einem höheren Bekämpfungsaufwand im Frühjahr vorgebeugt werden. Ausfallpflanzen und leicht bekämpfbare Unkräuter und -gräser sind bei geeigneter Witterung mechanisch mit einem Schlegel, Grubber, Kreiselegge oder Pflug gut zu bekämpfen, wobei die Bodenschonung immer berücksichtigt werden muss. Für schwer bekämpfbare Pflanzen (z.B. Quecke, Winden) ist auch eine chemische Bekämpfung auf der Stoppel möglich.
Weiterhin wird im integrierten Pflanzenschutz auf biologische Verfahren gesetzt. Eine sehr effektive Methode ist der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen, die die Eier des Maiszünslers parasitieren und somit der Schlupf der Zünslerlarve stoppt. Diese Nützlinge können in Wurfkapseln oder in kleinen Papierschachteln im Bestand ausgebracht bzw. an die Pflanzen gehängt werden.

Trichogramma-Wurfkapseln zur Maiszünslerbekämpfung
Die Wurfkapseln werden mit einem Multikopter im Bestand verteilt

Saatgutbeizen sind zwar prophylaktisch, aber effektiv, da mit sehr geringem Aufwand eine gute und langanhaltende Wirkung erzielt werden kann.

Düngung

Die Düngung im intergierten Pflanzenbau erfolgt nach Bedarf der Kulturpflanze. Unter- bzw. Über-versorgungen führen zu Stresssituationen und müssen vermieden werden. Bei Nährstoffmangel sind Wachstums- und Ertragsdepressionen die Folge, eine Überversorgung führt in der Regel zu Lager im Pflanzenbestand und einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten und Schädlingen.
Regelmäßige Bodenuntersuchungen in Verbindung mit der Stickstoff-Bedarfs-Analyse (SBA) bieten eine ideale Möglichkeit, den Pflanzen die optimale Menge an Stickstoff und anderen Nährstoffen zur Verfügung zu stellen, die Erträge abzusichern und Auswaschungen ins Grundwasser oder Oberflächengewässer zu verhindern.

Strohmanagement

Wenn das Stroh auf dem Feld verbleibt, ist ein Strohmanagement unumgänglich. Dabei ist die richtige Zerkleinerung des Strohs (max. 3 cm) und die ganzflächige Verteilung der Strohmenge über das Feld besonders wichtig, um durch eine schnelle Strohrotte Krankheiten auszuschalten und die Vermehrung von Schaderregern (z.B. Mäuse) zu verhindern.

Fazit

Die Umsetzung und Einhaltung der Richtlinien des integrierten Pflanzenbaus können zu Einsparungen beim Pflanzenschutz und Dünger führen. Zusätzlich werden Ressourcen und die Umwelt geschont. Die Richtlinien sollten daher als Grundlage für alle Anbauplanungen dienen.