Boden & Düngung
Öko-Tag in Baunatal 2017: Der bedrohte Boden
In 2015 hatten die Vereinten Nationen das Internationale Jahr des Bodens ausgerufen. Landverlust durch Bebauung oder das sogenannte „land grabbing“ (der Kauf von Land als Spekulationsobjekt) wurden in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Das Ökoberatungsteam im LLH stellte den Boden – mit seiner Bedeutung für die Landwirtschaft selbst als auch für die Gesellschaft – ins Zentrum des diesjährigen Ökotages der Landwirtschaftlichen Woche in Nordhessen.
Das Thema fiel buchstäblich auf „fruchtbaren“ Boden. Hans-Jürgen Müller, Vorsitzender des Fachausschusses Ökologischer Landbau im Kuratorium für das landwirtschaftliche und gartenbauliche Beratungswesen, stellte im vollbesetzten, kleineren Saal I der Stadthalle Baunatal fest: „Das nächste Mal können wir gleich im Großen Saal bleiben“.
Von der Bodenfruchtbarkeit zu Lebensräumen
Referent Dr. Andreas Gattinger, praktischer Biolandwirt im Nebenerwerb und Agrarwissenschaftler an der Justus-Liebig-Universität Gießen, verwies in seiner Einleitung auf einen Text der deutschen Bischofskonferenz mit dem Titel „Der bedrohte Boden“. Zentrale Aussage dieser im Jahr 2016 erschienenen Schrift: „Die Böden geraten sowohl global als auch in Deutschland zunehmend unter Druck. Das betrifft nicht nur den Rückgang der Humusgehalte, sondern auch den Boden- bzw. Landverlust von täglich 73 ha in Deutschland, die für Siedlungs- und Verkehrszwecke genutzt werden“.
Der Agrarwissenschaftler stellte eine Humusstudie vor, in der weltweit 148 Vergleichspaare von konventionell und biologisch bewirtschafteten Böden untersucht wurden. Die Öko-Variante hatte hier insgesamt deutliche Vorteile. Der Boden, so der Agrarwissenschaftler, ist eine Schlüsselressource, die vielfältige Ökosystemleistungen erbringt. Zum Beispiel könne, so Gattinger, eine höhere Kohlenstoffspeicherung durch Umstellung auf Ökolandbau erzielt werden. Beim Klimaschutz sei es wichtig, Tierhaltung, weite Fruchtfolgen und Mischkultursysteme zu kombinieren. Der Referent machte aber auch deutlich, dass Klimaschutz, was den Boden betrifft, zu Lasten des Ertrags gehe. Hier gelte es eine Balance zu finden.
Der Boden als Spekulationsobjekt
Im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr liegt nach Meinung des Diplomverwaltungswirtes Joachim Netz einiges im Argen: In der Bundesrepublik seien deutliche Preissteigerungen auf dem Bodenmarkt zu verzeichnen. Hessen liegt mit einem durchschnittlichen Kaufwert von 14.326 € je Hektar veräußerter landwirtschaftlicher Flächen im Jahre 2015 im unteren Drittel. Bayern hält hier die Spitze mit 47.358 €/ ha. Der Referent führte aus, dass die Umschichtung von Vermögen durch Investoren aus anderen Sektoren in die Landwirtschaft, besonders durch die Übertragung von sämtlichen Anteilen z. B. einer Kapitalgesellschaft (share-deals) keiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) bedürfe. So könnten auch Nicht-Landwirte wie z. B. der Brillenhersteller Fielmann erhebliche Flächen in Nord- und Ostdeutschland erwerben. Sinn und Zweck des GrstVG sei aber eigentlich die „Abwehr von Gefahren“ für die Agrarstruktur, für den einzelnen Betrieb und für die Gesellschaft insgesamt wie z. B. die Erhaltung einer „gesunden“ Struktur leistungsfähiger Betriebe.
Das GrdstVG soll auch überhöhte Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen abwehren. Das Vorkaufsrecht sollte daher eigentlich den Landwirten den Erwerb von Flächen ermöglichen. Tatsache sei jedoch, dass die Vorkaufsausübung genau zum Gegenteil führe, indem Agrarflächen 22 % über dem Kaufpreis gehandelt würden.
Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz im landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr, dem landwirtschaftlichen Pachtwesen und dem Siedlungswesen liegt laut Art. 70 GG bei den einzelnen Bundesländern. Hessen hat die Grenze von kleiner 0,25 ha für die genehmigungsfreie Veräußerung eines Grundstücks, das nicht bebaut ist, beibehalten. Die Kreisausschüsse sind jeweils die zuständigen Behörden nach § 3 Abs. 1 GrdstV. Die Land- und forstwirtschaftliche Berufsvertretung soll sich um die Hauptnutzung des Grundstücks kümmern. Joachim Netz beklagte den Personalmangel bei den Behörden und eine unzureichende Anwendung des GrdstV durch die Genehmigungsbehörden.
Beispiele für „Bauernland in Bürgerhand“
Agrarwissenschaftler Dr. Titus Bahner ist im Vorstand von „Kulturland“, einer Genossenschaft mit derzeit 210 Genossen und Genossinnen und einem Gesamtvolumen von 1,4 Mio € tätig. Mit 7 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, darunter auch einem in Hessen, bestehen Kooperationen. Mittlerweile sind mithilfe von Genossenschaftsanteilen, Darlehen und stillen Beteiligungen insgesamt 51 ha „freigekauft“ worden. Erklärtes Ziel der Genossenschaft sei es, außerlandwirtschaftliches Geld zu nutzen, so Bahner. Der erworbene Boden würde an die weiterhin selbständigen Landwirte zu ortsüblichen Bedingungen verpachtet, sei jedoch vom Kaufpreis abgekoppelt.
Um als Hof bei „Kulturland“ mitmachen zu können, gelten u.a. folgende Voraussetzungen: Die landwirtschaftliche Betriebe sollten Ökolandbau betreiben und ihre Höfe für interessierte Menschen öffnen.
Vom „AllmendeLand Projekt Kassel“ berichtete Heinz-Ulrich Eisner. Bisher seien erste Überlegungen über die Rechtsform angestellt worden: Angedacht sei eine KG auf Aktien. Als Vorteile gegenüber einer Genossenschaft sieht Eisner, dass so der Gesellschaft das Kapital nicht entzogen werden könne.