Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Marktinformation & Preise

Entwicklungen am Leguminosenmarkt

Mit der Ackerbaustrategie 2030 ist eine Diversifizierung der Fruchtfolgen intendiert. Enge weizenlastige Fruchtfolgen sollen um weitere Kulturen ergänzt werden, die zu einer ökologischen Aufwertung der Flächen und zu mehr Klima-Resilienz beitragen. Hier kommen die Leguminosen ins Spiel, deren Anteil an der gesamten Ackerfläche auf 10 % steigen soll.

Ausgehend vom Status Quo würde dies eine Verdopplung der Anbaufläche auf über 500.000 ha bedeuten. Bereits jetzt sind Erbse, Bohne & Co. immer häufiger auf den Feldern zu sehen. Doch für eine Erreichung der ambitionierten Ziele muss der Anbau auch wirtschaftlich sein. Punkten kann die Leguminose im Anbau mit ihren agronomischen Vorteilen, die den Wert der Folgefrucht durch weniger Krankheitsdruck, weniger Problemgräser und eine bessere N-Effizienz steigern.

Allerdings kann sie hinsichtlich des Deckungsbeitrags nicht mit den klassischen Hauptkulturen Weizen, Gerste und Raps mithalten. Die Anbauwürdigkeit wird daher oft in Frage gestellt, zumal sich die Förderkulisse mit den neuen Öko-Regelungen in der GAP 2023 deutlich verschlechtert hat. Konnten die Erzeuger im Rahmen von HALM C.1 bis 2022 noch 110 EUR/ha erhalten, sieht die Ökoregelung 2) „Vielfältige Kulturen“ derzeit lediglich Fördergelder in Höhe von 45 EUR/ha vor. Einige Bundesländer haben inzwischen jedoch ein TopUp auf den Weg gebracht, das als zusätzlicher Maßnahmenbaustein die Gesamtförderung erhöhen kann.

Die Höhe der Förderung ist jedoch nur ein Produktionsanreiz unter vielen. Denn das Problem besteht häufig darin, dass der Leguminosenmarkt ein fragmentierter Nischenmarkt ist, an dem die Erzeugerpreise nicht den wahren Wert der Feldfrüchte widerspiegeln. Die geringe Bedeutung in der Mischfutterindustrie, kleine Handelsmengen und die mangelnde Verfügbarkeit von Preisnotierungen führen zu einem intransparenten Käufermarkt. Infolgedessen ist der reine Futterwert bei Veredelung zumeist deutlich höher als der Erfassungspreis beim Landhandel.

Doch dies könnte sich in Zukunft ändern, wenn weitere stabile Wertschöpfungsketten konsequent ausgebaut werden, mit denen neue Absatzmärkte für Futtermittel, Lebensmittel und industrielle Anwendungen entstehen. Derzeit sind die lokalen Leguminosenmärkte oft nur begrenzt aufnahmefähig. Ein kohärenter Gesamtmarkt wie beim Weizen, der Gerste oder dem Raps existiert bislang noch nicht. Umso wichtiger ist es vor diesem Hintergrund, keine Verwertungs- und Vermarktungsmöglichkeit im Vorfeld auszuschließen.

Waren es anfänglich noch Startups wie Beyond Meat, die den Veggie-Markt eroberten, orientiert sich gerade die gesamte Fleischindustrie neu. Denn pflanzliche Proteine stehen bei den jüngeren Konsumentengruppen hoch im Kurs. Dies hat auch das Unternehmen „Rügenwalder Mühle“ schnell erkannt und mit seinen Fleischersatzprodukten in 2021 bereits einen höheren Umsatz erwirtschaftet als mit den fleischbasierten Produkten. Dabei setzt das Unternehmen auf Rohstoffe aus regionalen Herkünften und damit auf Wertschöpfungsketten aus Erzeugern, Veredelungsbetrieben und Lohnfertigern. Auch Deutschlands größtes Schlachtunternehmen Tönnies hat die Potenziale von Leguminosen in der Humanernährung erkannt und produziert am Standort Böklund in Schleswig-Holstein unter dem Label Gudfried jedes Jahr 1.200 t vegane Fleischwürste.

Neu ist indessen, dass Erbse, Bohne & Co. nicht nur im Trog oder auf dem Teller, sondern auch verstärkt in der Industrie Verwendung finden. Dabei ist die Idee, pflanzliche Proteine in Farben, Klebstoffen oder Bindemitteln einzusetzen, nicht neu. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts war dies sogar der Standard, da noch keine synthetischen Zusatzstoffe zur Verfügung standen. Im Forschungsprojekt TeFuProt („Innovationsallianz Technofunktionelle Proteine“), das beim renommierten Frauenhofer Institut in 2021 erfolgreich abgeschlossen wurde, beschäftigte man sich mit den Potenzialen von proteinhaltigen Produktionsresten.

Sollte der Einsatz pflanzlicher Proteine in den Chemiewerken im großen Stil starten, könnte sich die Bioökonomie als regelrechter Wachstumstreiber erweisen. Einige Unternehmen arbeiten bereits daran, den Einsatz im großindustriellen Maßstab voranzutreiben. So betreibt der Chemieriese „Evonik“ in der Slowakei eine Pilotanlage zwecks Herstellung biobasierter gamma-Aminolaurinsäure (ALS) als Alternative für erdölbasiertes Laurinlactam. Die nachwachsenden Rohstoffe – bislang überwiegend Palmöl – finden in der Kunststoffproduktion Anwendung. Nach eigenen Angaben möchte das Unternehmen bis 2030 erdölbasierte Inhaltstoffe komplett aus seinen Wasch- und Reinigungsprodukten verbannen.

Ein weiteres Best-Practice-Beispiel ist das Unternehmen „Emsland-Stärke“. Dieses hat seine Prozessketten in vielen Bereichen bereits von Kartoffelstärke auf Erbsenproteine umgestellt. Neben Lebensmitteln für die Humanernährung werden auch proteinreiche Futtermittel und Produkte für technische Anwendungen hergestellt. Innovative Beispiele sind der Fliesenkleber Emset® KH 6, Keramikfilter mit Erbsenproteinen oder die Textilfaser Emsize® E 18. Den Anwendungsmöglichkeiten scheinen in Zukunft keine Grenzen gesetzt.

Der Leguminosenmarkt wird also zunehmend aufnahmefähiger. Dies dürfte sich positiv auf die Preisentwicklung und in der Folge auf die Anbauflächenentwicklung auswirken. Die hohen Sojapreise, hohe Kosten der Düngung und knappe Verfügbarkeit von GVO-freien Futtermitteln tun ihr Übriges dazu. Steigende Angebotsmengen werden in diesem Fall eher nicht zu rückläufigen Preisen führen. Aus der Forschung zu Nischenmärkten ist bekannt, dass mit größeren Angebotsmengen sogar die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich ein effizienter Preis bildet. Eine signifikante Anbauflächenexpansion wird aber nur dann zu erwarten sein, wenn die staatlichen Förderprogramme wieder attraktiver werden.

Preise für Ackerbohnen, Deutschland, in EUR/t frei Erfasser; Stand 14.03.2023

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