Marktinformation & Preise
Getreide: Preisrutsch vor der Ernte
Inzwischen rollen die Mähdrescher in der hessischen Marktregion. Über die Qualitäten lassen sich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch keine Aussagen treffen. Das Marktgeschehen bleibt volatil und die Preismeldungen teilweise ausgesetzt. Nach den Höchstpreisen von bis zu 400 EUR/t für einen B-Weizen der neuen Ernte haben die Preise zuletzt wieder kräftig nachgegeben.
Inzwischen lassen sich noch maximal 340 EUR/t festmachen. Die Mehrzahl der Preismeldungen bewegt sich jedoch unter diesem Niveau. Für Qualitätsweizen sind die Offerten mit 350 EUR/t etwas höher. Und dies trotz erheblicher Versorgungsengpässe am Weltmarkt und einer drohenden humanitären Katastrophe in Ländern wie Somalia, Benin, Sudan, Libanon und Ägypten.
Aufgrund der Defizite an Backgetreide sind die Abschläge bei Futtergetreide in dieser Saison besonders hoch. Für Futterweizen lassen sich aktuell noch 300 EUR/t erlösen, während Futtergerste zu den größten Verlierern zählt: in vielen Fällen müssen sich die Landwirte hier mit 260 EUR/t zufriedengeben. Die Ackerbauern sind enttäuscht und verunsichert zugleich. Wie lässt sich diese Entwicklung noch mit reiner Marktlogik erklären? Auf den ersten Blick nicht, doch tatsächlich kommen hier Marktmechanismen zum Tragen, die seit Jahren bekannt sind und in den Daten ein saisonales Muster erzeugen.
Vor der Ernte ziehen sich die Abnehmer erstmal zurück und spekulieren aufgrund einer besseren Versorgungssituation auf fallende Preise. Dieser Effekt ist auch in dieser Saison zu beobachten, obwohl die Faktorenkombination aus Ukrainekrieg, Wetterkapriolen und schrumpfender Lagerbestände eigentlich etwas anders vermuten lassen würde. Die Preisfindung dürfte daher weiterhin schwierig bleiben. Bei Betrachtung der mehrjährigen Mittelwerte zeigt sich, dass der schlechteste Vermarktungszeitpunkt ungefähr vier Wochen vor der Ernte beginnt und bis zu sechs Wochen nach der Ernte andauert. Wer über ausreichend Liquidität und Lagerkapazität verfügt, sollte mit der Vermarktung daher abwarten, bis die Preise hoffentlich am Jahresende wieder anziehen. Im statistischen Mittel sind die Erlöse am Jahresende und in den ersten Monaten des Folgejahres um ca. 15 bis 20 EUR/t höher als in der Ernte.
Es gibt allerdings keine Garantie, dass die neuerntigen Getreidepreise im Laufe dieser Saison auch tatsächlich wieder das Niveau der alten Preise erreichen werden. Denn sollte Russland eine Rekordernte einfahren und der Getreideexport aus der Ukraine schneller wieder in Gang kommen, könnte die Niveauverschiebung sogar bestehen bleiben.