Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Marktinformation & Preise

Hafer – eine Marktfrucht mit Zukunft

Die Nachfrage nach Lebensmitteln auf Haferbasis boomt. Doch die Anbaufläche ist weiter rückläufig in Deutschland. Die Initiative „Haferanbau“ soll nun neue Impulse setzen.

Schon vor 4.000 Jahren bauten Kelten und Germanen Hafer an und wussten über die Heilwirkung dieser Pflanze. Und tatsächlich ist die Kultur ernährungsphysiologisch betrachtet ein echter Allrounder, reich an Ballaststoffen, Beta-Glucan, Vitaminen und Mineralstoffen. In 2017 wurde der Hafer an der Universität Würzburg daher sogar zur Arzneipflanze des Jahres ausgezeichnet. Vor diesem Hintergrund wundert es kaum, dass der Markt für Haferprodukte boomt wie selten zuvor. Nicht nur in den skandinavischen Ländern, wo der Hafer bereits vor Jahren seinen Siegeszug antrat, sondern auch in Deutschland. Zum einen wird das Sortiment von Müslis auf Haferbasis sukzessive erweitert. Zum anderen sind aber auch neue Variationen entstanden wie z.B. Porridge-Mischungen, Hafer-Protein-Riegel und vegane Haferdrinks, die das Getreide zu einem echten Superfood machen. Alternative Milchprodukte auf Haferbasis gewinnen schon seit Jahren Marktanteile. Gesundheitliche, umweltbezogene und ethische Motive dürften hier bei den Verbrauchern eine Rolle spielen, denn viele Verbraucher stehen der Milch inzwischen kritisch gegenüber. Hinzu kommt, dass in Europa ca. 5-15% der Personen an einer Laktoseintoleranz leiden und daher keine Milchprodukte vertragen. Ein gutes Beispiel für die Marktdynamik ist das schwedische Unternehmen Oatly, das seinen Umsatz mit Hafermilch in den letzten sieben Jahren um das Zehnfache auf 97 Mio. Euro steigern konnte. Inzwischen plant das Unternehmen mehrere Produktionsstandorte in den USA, um den neuen Lieferkontrakt mit Starbucks erfüllen zu können. Dabei werden besonders jüngere Kundensegmente angesprochen, die sich bereits bewusst ernähren oder ihre Ernährung umstellen möchten. Die Botschaft des Unternehmens lautet: „Für Menschen, die ihr Leben bewusst leben und sich und ihre Umwelt upgraden wollen.“ Immer wieder verweist CEO Toni Petersson auf die Klimabilanz seiner Produkte, denn die Herstellung eines Liters Hafermilch verursacht 73% weniger CO2 als die Produktion eines Liters Milch. Das kommt nicht nur bei der Zielgruppe, sondern auch bei Investoren offenbar gut an. Wie man der Homepage entnehmen kann, sind bereits große Vermögensverwalter wie Black-Rock an dem Unternehmen beteiligt.

Mengendefizite in Deutschland

Der Bedarf der Mühlen an Qualitätshafer ist seit 2008 um etwa 70% gestiegen. Nach Angabe des Verbands der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) verarbeiten die Schälmühlen pro Jahr derzeit rund 500.000 t Hafer zu Lebensmitteln. Der Gesamtverbrauch inklusive Futterhafer belief sich in Deutschland zuletzt auf 915.000 t. Gleichzeitig hat sich die heimische Haferproduktion innerhalb der letzten 20 Jahre halbiert und erreichte in 2019 gerade einmal 545.000 t.  Im Anbauspektrum der Kulturen entfällt auf den Hafer lediglich ein Anteil von 1,2% der gesamten Ackerfläche (Statistisches Bundesamt). In Flächeneinheiten ausgedrückt waren das in 2019 gemäß Anbaustatistik des BMEL nur 126.500 ha. Auf Sachsen entfiel dabei mit 10.700 ha der größte Anteil, gefolgt von Niedersachsen, wo immerhin auf 10.400 ha der Fläche Hafer angebaut wurde. Bei einem Selbstversorgungsgrad von lediglich 71% stammen nur 30% des Industriehafers aus deutschen Herkünften. Um die Versorgungsbilanz auszugleichen, müssen Fehlmengen momentan v.a. aus Finnland, Polen und Schweden importiert werden. Polen rangierte innerhalb der Europäischen Union in 2019 mit 1,27 Mio. t derzeit auf Platz 1 der größten Haferproduzenten. Auf Platz 2 folgte Spanien mit 1 Mio. t, während in Finnland noch 945.000 t Hafer produziert wurden. Bei dieser Betrachtung wird deutlich, dass die Hafermühlen in Deutschland dringend mehr Rohstoff benötigen. Dabei sind sie bestrebt, den Anteil regionaler Herkünfte deutlich auszubauen.

Agronomische Vorteile nutzen

Um dieses Ziel zu erreichen, hat der VGMS in 2019 die Initiative „Haferanbau“ gestartet, um den Hafer-Anteil im Anbauspektrum zu erhöhen. Dies ist kein leichtes Unterfangen, denn dieser Kultur wird in der Fruchtfolge zumeist eine geringe Bedeutung beigemessen. Dabei liegen die agronomischen Vorteile auf der Hand: „Hafer ist eine Gesundungsfrucht in engen weizenlastigen Getreidefruchtfolgen, hat eine phytosanitäre Wirkung auf den Halmbrucherreger Cercosporella herpotrichoides und besitzt daher einen hohen Vorfruchtwert“, erklärt Friedrich Göge, Pflanzenbauberater vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH). Hafer verfügt außerdem über ein leistungsfähiges Wurzelsystem und stellt daher nur geringe Bodenansprüche. Überdies ist der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln geringer als bei anderen Kulturen, was ökologische Vorteile mit sich bringt. Im direkten Wirtschaftlichkeitsvergleich bleibt der Hafer allerdings hinter dem Weizen zurück. Bei einem angenommenen Marktpreis von 16 Euro/dt und einem mittleren Ertragsniveau von 63 dt/ha liegt der Deckungsbeitrag ungefähr bei 292 Euro/ha. Futterweizen kommt bei 85 dt/ha auf ca. 388 Euro/ha. Bei diesem Vergleich bleiben allerdings die positiven Anbauwirkungen des Hafers unberücksichtigt, die das Ertragsniveau der Folgefrucht heben. Auch spiegelt der mittlere Durchschnittsertrag häufig nicht das wahre Leistungsvermögen des Hafers wieder, wie Anbauversuche der FH-Südwestfalen zeigen. Bei früher Aussaat sind auf guten Böden sogar bis zu 90 dt/ha möglich. Dies setzt allerdings voraus, dass der Hafer nicht auf schwachen Standorten verkümmert, was in der Praxis leider noch häufig der Fall ist.

Bei der Vermarktung planvoll vorgehen

Etwa 45% des verbrauchten Hafers bzw. 425.000 t dienen in Deutschland Fütterungszwecken v.a. in der Pferdehaltung.

Es besteht jedoch zunehmend Bedarf an hochwertigem Schälhafer für die Nahrungsmittelproduktion. Für den Anbau von Schälhafer sollte die Sortenfrage im Vorfeld mit der aufnehmenden Hand abgestimmt werden. Als Schälhafersorten eigenen sich vor allem Bison, Max und Apollon, eingeschränkt auch Armani und Lion. Zu attraktiven Preisen lässt sich Schälhafer nur dann vermarkten, wenn die Qualitätsparameter stimmen. Geringe Hektolitergewichte führen bei den Schälmühlen nicht automatisch zum Ausschluss. In der Regel wird aber ein Hektolitergewicht von mind. 53 kg sowie ein Spelzenanteil von < 26% gefordert. Die Schälbarkeit und Korngrößensortierung sind weitere wesentliche Kriterien für die Schälhafervermarktung. Die geforderten Qualitäten können vor allem beim hl-Gewicht in der Praxis zumeist nur auf guten Standorten bei gesicherter Wasserversorgung, nicht zu hohen Niederschlägen sowie kühleren Temperaturen während der Kornfüllungsphase erzielt werden. Eine Bonitierung bei der Mühle gibt Aufschluss darüber, ob die Partien als Industriehafer vermarktet werden können oder nicht. Der Preis für Qualitätshafer liegt laut der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) Bonn im Bundesdurchschnitt aktuell bei 158 Euro/t (frei Erfasser) und somit etwa auf dem Niveau von Futterweizen. In Abhängigkeit von der logistischen Anbindung und der regionalen Nachfragestruktur ist im Raum allerdings eine große Standardabweichung möglich. Während Betriebe in Niedersachsen für ihren Hafer z.B. 177 Euro/t erzielen, müssen sich die Landwirte in Bayern derzeit mit 140 Euro/t zufriedengeben. In Zeiten einer knappen Marktversorgung können die Haferpreise aber auch durchaus auf dem Niveau von Qualitätsweizen notieren, wie im Jahr 2018 zu beobachten war. Ist dies der Fall, wirkt sich dies typischerweise auch positiv auf den Deckungsbeitrag aus. Entspricht die Qualität der Partien nicht den Anforderungen von Schälhafer, muss die Ernte als Futterhafer vermarktet werden. Es können in diesem Fall Erlöseinbußen von 10 bis 15 Euro/t drohen, was naturgemäß ein gewisses Vermarktungsrisiko impliziert. Generell lässt sich aber sagen, dass das Vermarktungsrisiko im direkten Vergleich geringer ist als im Braugerstenanbau.

Das Wichtigste in aller Kürze

Es lässt sich festhalten, dass der Hafer aufgrund seiner Marktpotenziale und positiven Fruchtfolgewirkungen eine interessante Kultur im Anbauspektrum darstellt. Wirtschaftlich wird der Anbau aber nur dann sein, wenn man ihn nicht auf schwachen Standorten verkümmern lässt und die Partner in der Wertschöpfungskette miteinander zusammenarbeiten. Dem Wissenstransfer kommt hier eine wichtige Bedeutung zu. Aufgrund der abgeleiteten Nachfrage haben die Mühlen inzwischen einen enormen Bedarf an heimischen Hafer. Damit sich der Hafer wieder in den Fruchtfolgen fest etablieren kann, sollten die Schälmühlen für Qualitätshafer aus Deutschland ggf. höhere Preise ausloben.  Auf den Seiten der VGMS „Initiative Haferanbau“ finden Sie die Kontaktdaten zahlreicher Hafermühlen in Ihrem Bundesland.

Abbildung: Preise für Hafer und Futterweizen in Euro/t, frei Erfasser, in Hessen; Quelle: Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH), Stand: 07.08.2020

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