Marktinformation & Preise
Strategien für den Einkauf von Düngemitteln
Es hätte eine gute Saison werden können für die Ackerbauern. Nach den vielen mageren Jahren brechen die Getreide- und Rapspreise aktuell alle Rekorde.
Für B-Weizen werden ab Hof inzwischen Preise von bis zu 270 EUR/t aufgerufen, Raps nähert sich immer weiter der 700 Euro-Marke. Und vieles spricht dafür, dass die Preise sogar noch weiteren Spielraum nach oben haben. Normalerweise wäre jetzt der Zeitpunkt, um Düngemittel für die erste N-Gabe im Frühjahr zuzukaufen. Normalerweise, doch was ist in diesen Zeiten noch normal? Preise von über 600 EUR/t für Kalkammonsalpeter (27 % N) und 800 EUR/t für Harnstoff (46 % N) sind es jedenfalls kaum. Zu Beginn des Jahres 2021 mussten die Landwirte für KAS noch ca. 230 EUR/t anlegen. Harnstoff ging im Mittel mit ca. 320 EUR/t in die Bücher. Dies entsprach noch weitgehend den Verrechnungssätzen, die das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) zugrunde legt. Und bedeutet gleichzeitig, dass sich die Preise für N-Dünger inzwischen mehr als verdreifacht haben. Dies ist dem folgenden N-Dünger-Preisindex abzulesen, den der Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) für wichtige Leitprodukte monatlich zum Basisjahr 2000 berechnet.
Im Januar nahm der Index noch einen Wert von 150 Zählern an, was ungefähr dem mehrjährigen Mittel entsprach. Anfang November reichte die Achsenskalierung bereits nicht mehr aus, um den Index im Diagramm darstellen zu können. Mit 370 Punkten wurde der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2000 gemessen. Selbst in den Jahren 2008 (261 Punkte) und 2012 (225 Punkte), in denen die Düngemittelpreise ebenfalls hoch waren, wurden solche Werte nicht annähernd erreicht. Ökonomen sprechen bei Kurvenverläufen dieser Art auch von einer „Fahnenstange“ oder einem „Hockeyschlägereffekt“. Wenn Preise von den Landhändlern genannt werden, dann haben diese mangels Handelsaktivität im Moment eher nominellen Charakter. Immerhin werden in Kürze neue Preislisten publiziert. Von diesen erwartet allerdings kaum jemand eine Entspannung am Düngermarkt. Dafür sind folgende Gründe verantwortlich:
Gaspreise verteuern die Produktion
Der Düngemittelmarkt ist im Hinblick auf die Preisbildung ein sehr komplexer Markt, der unter dem Einfluss zahlreicher Faktoren steht. Momentan verteuern die anhaltend hohen Erdgas- und Kohlepreise die Düngemittelproduktion ganz erheblich. Dies betrifft v.a. die Herstellung von Harnstoff und Ammoniumnitrat. So sind die Erdgasnotierungen an der NYMEX im Zeitraum Januar 2020 bis November 2021 etwa um das 3,5fache gestiegen und weisen damit den höchsten Stand seit 2013 auf. Infolge dieser Kostensteigerungen ist die Produktion in Europa nicht mehr rentabel. Große Hersteller wie z.B. die SKW Stickstoffwerke Piesteritz und YARA haben ihre Kapazitäten daher bereits um 30 bis 40 % gedrosselt. Alleine YARA produziert damit in Europa ca. 1,9 Mio. t weniger. Dünger ist inzwischen kaum noch zu bekommen, vorhandene Partien werden vorzugsweise an Bestandskunden ausgeliefert. Man fragt sich unterdessen, wie es zu derartigen Marktverwerfungen kommen konnte? Zum einen schlägt hier die CO2-Bepreisung zu Buche: Anfang des Jahres kostete die Tonne CO2 an der Intercontinental Exchange (ICE) noch ca. 30 EUR/t. Inzwischen ist der Preis im Emissionshandel auf 63 EUR/t gestiegen. Der Effekt auf die Kohle- und Gaspreise darf aber nicht überschätzt werden. Ein viel größerer Einfluss geht von den Rohstoffmärkten selbst aus. Großbanken wie Morgan Stanley sprechen bereits von einem „Superzyklus“ mit ungewöhnlich hohen Preisen über einen langen Zeitraum hinweg. Und zwar für alle Rohstoffe. Getriggert wird diese Entwicklung von einer Verknappung des Angebots während der Pandemie und sprunghaften Nachfrage in vielen Ländern nach Ende des „Lock-Downs“. Ein Angebotsschock trifft also gleichzeitig auf einen Nachfrageschock, was die Märkte komplett aus dem Gleichgewicht bringt. Verschärft wird die Situation durch die niedrigen Füllstände der Gasspeicher in Deutschland und dem Nachfragesog aus China. Es bestehen große Zweifel, ob in diesem Jahr überhaupt noch Gas aus Russland durch die neue Pipeline Nord Stream 2 fließen wird.
Weitere Preistreiber am Markt für Düngemittel
In einer offenen Volkswirtschaft könnte die Versorgungsbilanz prinzipiell durch Importe wieder ausgeglichen werden. Doch auch dies ist in der laufenden Saison kaum möglich, da Störungen in den globalen Lieferketten und Ausfuhrbeschränkungen den Welthandel erheblich einschränken. Insbesondere China bremst seine Dünger-Exporte aus Angst vor einer weiteren Nahrungsmittelpreisinflation, die im eigenen Land zu sozialen Unruhen führen könnte. Bereits im Oktober veranlasste der weltweit größte Produzent von Harnstoff und Phosphat (DAP) eine Verschärfung seiner Exportkontrollen und Zollüberwachung für eine Vielzahl von Düngemitteln. Damit gerät der Weltmarkt weiter unter Druck, was die Preisrallye zusätzlich anheizt. Die Händler verfolgen bei dieser unsicheren Marktlage eher eine Defensivstrategie. Wer möchte bei den jetzigen hohen Preisen schon größere Mengen Dünger einlagern und einen Margenverlust riskieren? Besonders beunruhigend ist die Beobachtung, dass sich allmählich auch bei den Pflanzenschutzmitteln zunehmend Versorgungsengpässe, Lieferschwierigkeiten und Preissteigerungen abzeichnen.
Prognose
Nach derzeitigem Kenntnisstand ist vorerst nicht mit einer baldigen Entspannung der Marktlage zu rechnen. Sowohl in Europa als auch in Asien und den USA kündigt sich eine Verknappung der Gasressourcen im kommenden Winter an. Auf fallende Energiepreise sollte man daher nicht unbedingt wetten. Einzige Möglichkeit: die Europäische Union ergreift schnell Interventionsmaßnahmen, um die Preisexplosion am Gasmarkt zu stoppen. Danach sieht es aktuell jedoch nicht aus. Wenn aber die Energiepreise weiter steigen oder zumindest auf hohem Niveau verharren, werden die Düngemittelhersteller kaum Anreize haben, ihre Produktion wieder merklich hochzufahren. Die logische Folge daraus ist: Der Dünger bleibt vorerst teuer. Es ist bekannt, dass es sich bei der Nachfrage nach Produk-tionsmitteln um eine abgeleitete Nachfrage handelt und daher stets ein Zusammenhang zwischen Getreide- und Düngemittelpreisen besteht. Inwiefern der Pflanzenbau bei hohen Faktorpreisen noch wirtschaftlich bleibt, hängt also auch von der Preisentwicklung am Getreide- und Ölsaatenmarkt ab. Durch Kombinatorik können nun bestimmte Szenarien zur Preisentwicklung bis zum Ende der Kampagne 2021/22 betrachtet werden:
Szenario 1 | Szenario 2 | Szenario 3 | Szenario 4 | Szenario 5 | Szenario 6 | |
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Düngerpreise | steigend | steigend | gleichbleibend | fallend | fallend | fallend |
Getreidepreise | steigend | gleichbleibend | steigend | steigend | fallend | gleichbleibend |
Rapspreise | steigend | gleichbleibend | steigend | steigend | fallend | gleichbleibend |
Aus jetziger Perspektive scheint es plausibel zu sein, dass die Getreidepreise aufgrund der bestehenden Mengen- und Qualitätsdefizite am Weltmarkt steigen oder zumindest stabil bleiben. Zumal damit zu rechnen ist, dass die Landwirte ihre Dünger-Ausbringungsraten weltweit reduzieren. Damit könnte die Ernteprognose für 2022 gesenkt werden, was wiederum Knappheitssignale am Getreide- und Ölsaatenmarkt hervorruft. Was den Düngemittelmarkt anbetrifft, besteht die begründete Annahme, dass die Produktion aus den zuvor genannten Gründen vorerst nicht ausgeweitet wird. Damit könnte sich die Versorgungssituation im Frühjahr nochmals verschärfen, wenn eine steigende Nachfrage auf ein limitiertes Angebot trifft. Die Hoffnung auf fallende Düngerpreise im Frühjahr könnte sich also als Trugschluss erweisen. Unter Berücksichtigung sämtlicher Marktinformationen, die derzeit verfügbar sind, haben die Szenarien (1) oder zumindest (3) damit aktuell die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit. Da ein Teil der neuen Ernte bereits vorverkauft wurde, ist Szenario (2) ebenfalls von Bedeutung. Es bleibt hier die Frage nach der optimalen Anpassungsstrategie.
Unternehmerische Anpassungsstrategien
Betriebe, die frühzeitig Dünger eingekauft und eingelagert haben, sind jetzt in einer komfortablen Position. All jene jedoch, die noch keinen Dünger im Lager oder in den Büchern haben, sehen sich mit einem Entscheidungsproblem konfrontiert: Zukaufen oder schieben und abwarten? Wie man sich denken kann, haben die hohen Faktorpreise maßgeblichen Einfluss auf die Grenzertragskurven und das ökonomische Optimum. Bis zu welchem Punkt auf der Ertragskurve sich die Nährstoffgaben bei den hohen Düngerpreisen noch rentieren, muss im Einzelfall rechnerisch beantwortet werden. Dabei ist in jedem Fall zu berücksichtigen, dass eine Stickstoffreduzierung – anders als bei den Grundnährstoffen Kali, Phosphat und Magnesium – schnell empfindliche Ertrags- und Qualitätseinbußen bewirkt. In der „Null-Variante“ muss im Getreide mit einer Ertragsdepression von ca. – 40 %, im Raps von – 50 % gerechnet werden. Dabei sind die Folgen auf die Qualität noch nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund empfehlen Berater, die N-Ausbringungsrate möglichst nicht unter 30 bis 50 % des N-Optimums an einem Standort zu senken. Aktuell kommen für die Betriebsleitungen folgende strategische Optionen in Betracht:
- Ausbringungsraten reduzieren
- Verstärkt Wirtschaftsdünger einsetzen
- Fruchtfolgen auf weniger stickstofflastige Kulturen umstellen
- Biostimulanzien einsetzen
- Zukäufe bis zum Frühjahr schieben und abwarten
- Teilmengen bereits jetzt zu hohen Preisen sichern
In der Mehrzahl der Fälle wird aktuell die Strategie „Zukäufe schieben und Abwarten“ favorisiert. Wie eingangs bereits ausgeführt, birgt diese Strategie allerdings die Gefahr, dass die Preise bis zum Frühjahr weiter steigen und kein Dünger verfügbar ist. Tritt dieser Fall ein, müssen die N-Ausbringungsmengen zwangsläufig drastisch gesenkt werden, was unerwünschte Begleiterscheinungen auf den Ertrag und die Qualität hätte. Unter Berücksichtigung des abnehmenden Grenzertrags sollte im Sinne einer Risikominimierung zumindest der Sollwert für die erste N-Gabe gesichert sein. Als Substitut für Mineraldünger kommen prinzipiell auch Wirtschaftsdünger in Betracht. Diese sind vom Preisanstieg noch nicht so stark betroffen, werden aber auch zunehmend teurer. Überdies muss der Bezug ggf. über eine Nährstoffbörse organisiert werden. In vielen Fällen werden die Betriebe aber nicht umhinkommen, Teilmengen an Mineraldünger bei den jetzigen hohen Preisen zuzukaufen, möchten sie kein Nährstoffdefizit riskieren. Doch selbst bei einer hinreichend hohen Zahlungsbereitschaft ist momentan nicht garantiert, dass der Dünger überhaupt lieferbar ist und Landhändler einen Vorkontrakt anbieten.
Dass es sich bei hohen Düngerpreisen dennoch lohnen kann, Mineraldünger in gleicher Menge einzusetzen, zeigt folgende Vergleichsrechnung für den B-Weizen. Es handelt sich hier um eine Sensitivitätsanalyse, bei der lediglich die Düngerpreise und der Weizenpreis variiert wurden. Alle übrigen Preise, Einsatzmengen und der Hektarertrag wurden konstant gehalten. Mit dieser Vereinfachung lässt sich der überproportionale Einfluss der hohen Erzeugerpreise auf den Deckungsbeitrag zeigen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die sehr hohe Marktleistung (Preis*Hektarertrag) die Kostensteigerungen beim Dünger unter sonst gleichen Bedingungen kompensiert.
Das Basisszenario beruht hier auf den Verrechnungssätzen der KTBL für das mehrjährige Mittel und für einen Boden mittlerer Güte. Der Weizenpreis wurde daher mit 153 EUR/t angenommen. Szenario (3) beruht auf der Annahme, dass der Weizenpreis im Laufe dieser Saison noch auf 290 EUR/t steigt und KAS mit Kosten von 0,60 EUR/kg bzw. PK-Dünger mit Kosten von 0,35 EUR/kg zu Buche schlagen. Der Deckungsbeitrag würde in diesem Fall von 448 EUR/ha auf beachtliche 1.232 EUR/ha steigen. Die Abwandlung in Szenario (2) unterstellt demgegenüber, dass für einen Teil der Ernte 2022 bereits Vorkontrakte abgeschlossen wurden und der Erlös mit 230 EUR/t daher geringer ausfällt. Darüber hinaus wird hier von weiter steigenden Düngemittelpreisen bis zum Frühjahr ausgegangen, womit KAS bereits 0,80 EUR/kg und PK-Dünger 0,50 EUR/kg kosten würden. Selbst in diesem Fall würde der Deckungsbeitrag mit 571 EUR/ha offensichtlich immer noch über dem mehrjährigen Mittel liegen.
Basisszenario gemäß KTBL | Szenario 3 | Szenario 2 | |||||||
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* Verrechnungssätze in Anlehnung an KTBL, Stand: 15.11.2021 Sämtliche Kostenkomponenten im Detail abrufbar unter KTBL | |||||||||
Menge | Preis | Betrag | Menge | Preis | Betrag | Menge | Preis | Betrag | |
Backweizen (Winter) | 7,89 t/ha | 153 EUR/t | 1.207 EUR/ha | 7,89 t/ha | 290 EUR/t | 2.288 EUR/ha | 7,89 t/ha | 230 EUR/t | 1.815 EUR/ha |
Kalkammonsalpeter (27 % N), lose | 640 kg/ha | 0,23 EUR/kg | 147 EUR/ha | 640 kg/ha | 0,60 EUR/kg | 384 EUR/ha | 640 kg/ha | 0,80 EUR/kg | 512 EUR/ha |
PK-Dünger (18 % P2O5, 10 % K2O), lose | 400 kg/ha | 0,20 EUR/kg | 80 EUR/ha | 400 kg/ha | 0,35 EUR/kg | 140 EUR/ha | 400 kg/ha | 0,50 EUR/kg | 200 EUR/ha |
Summe Direktkosten | 533 EUR/ha | 830 EUR/ha | 1.018 EUR/ha | ||||||
Direktkostenfreie Leistung | 674 EUR/ha | 1.458 EUR/ha | 797 EUR/ha | ||||||
Summe variable Kosten | 759 EUR/ha | 1.056 EUR/ha | 1.244 EUR/ha | ||||||
Deckungsbeitrag | 448 EUR/ha | 1.232 EUR/ha | 571 EUR/ha |
Anhaltend hohe Getreide- und Rapspreise könnten die hohen Düngerpreise also durchaus kompensieren. Damit soll jedoch nicht suggeriert werden, dass die jetzigen Düngerpreise für die Betriebe kein Problem darstellen, denn der Aufwand für Pflanzenschutzmaßnahmen, Diesel etc. ist natürlich ebenfalls gestiegen. Dies wurde bei der vorliegenden Analyse ausgeklammert. Das größte Problem dürfte unterdessen darin bestehen, dass sich am Düngermarkt ein gravierendes Versorgungsdefizit abzeichnet und die Nährstoffe vermutlich gar nicht zu bekommen sind. Selbst bei gegebener Zahlungsbereitschaft. Dies hätte sowohl negative Auswirkungen auf den Ertrag als auch die Qualität, könnte allerdings auch zu weiteren Risikoprämien in den Getreide- und Ölsaatenpreisen führen.