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Klimaschutz in der modernen Tierhaltung: Ammoniakemissionen bereits im Stall reduzieren

Ammoniakemissionen (NH3) aus der Tierhaltung, im Besonderen aus der Rinderhaltung, stellen einen großen Anteil an den durch die Landwirtschaft emittierten schädlichen Klimagasen dar.

Das Projekt „Emissionsminderung von Rindergülle durch Zugabe von anorganischen und organischen Zusatzstoffen“ (EmiGüll) zielt darauf ab, mittels Gesteinsmehl, Leonardit und Pflanzenkohle, welche der Gülle im Stall zugegeben werden, die Ammoniakemissionen deutlich zu reduzieren. Zudem soll geprüft werden, ob die Ammoniakemissionen auch bei der Aufbringung im Feld deutlich geringer sind als bei unbehandelter Gülle. Das Projekt soll somit auch die Frage klären, ob Gülle, die mit den genannten Stoffen behandelt wurde, als alternatives Ausbringverfahren nach § 6 Absatz 3 der Düngeverordnung gelten kann. Somit könnte die Gülleaufbringung der behandelten Gülle auch mit nach Düngeverordnung zulässigen Geräten, die die Gülle nicht streifenförmig ablegen, auch nach 2020 auf Ackerland bzw. nach 2025 auf Grünland weiterhin zulässig sein. Denn gerade bei Grünland ist die Gefahr der Futterverschmutzung bei streifenförmiger Aufbringung und hohen Trockensubstanzgehalten groß.

Das Projekt wird aus Mitteln des hessischen Öko-Aktionsplans gefördert und wurde vom LLH in Zusammenarbeit mit dem Landwirt Dr. Peter Hamel Ende des Jahres 2019 initiiert.

Laborversuche deutlich einfacher und kostengünstiger als Praxisversuche

Versuche zum Nachweis emissionsmindernder Wirkung unterschiedlicher Substanzen sind aufwendig. Im Labor lassen sich solche Versuche vielfach gut darstellen, um eine statistische Sicherheit im Versuchsergebnis zu erzielen und in einem finanzierbaren Rahmen zu bleiben. Wenn die unterschiedlichen Emissionsminderungstechniken dann jedoch in einem freigelüfteten Rinderstall in der Praxis erprobt und untersucht werden sollen, wird es messtechnisch sehr schwierig und vor allem kostspielig. Daher wurde das aus Mitteln des hessischen Öko-Aktionsplans geförderte Projekt EmiGüll in drei Phasen eingeteilt, um die aufgestellten Hypothesen zur Wirksamkeit und den Wirkmechanismen der Zuschlagstoffe in einzelnen Schritten kostenbewusst zu klären.

In einem ersten Schritt wurde vor dem eigentlichen Start des Projektes EmiGüll im Rahmen einer Dissertation am Lehrstuhl für ökologischen Landbau der Justus-Liebig-Universität Gießen unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Gattinger eine Metastudie der einschlägigen Fachliteratur zu vorhandenen Versuchsergebnissen der drei Zuschlagstoffe Leonardit, Gesteinsmehl und Pflanzenkohle durchgeführt. Die Metastudie zeigte, dass sich in unterschiedlichen Versuchen zwar schon mit der emissionsmindernden Wirkung der genannten Einzelsubstanzen beschäftigt, die emissionsmindernde Wirkung der Mischung aller drei Zuschlagstoffe jedoch noch nicht untersucht wurde.

Die bisher fehlenden Untersuchungen zu dem Emissionsminderungsverhalten des Gemisches aus Gesteinsmehl, Leonardit und Pflanzenkohle begründeten den Start für das Projekt EmiGüll.

Die Laborversuche und erste Ergebnisse daraus

Ausgasungsversuch Rindergülle und Biogasgärrest: 20 l-Behälter mit Rührwerk im Deckel und gezielter Abluftführung durch Waschflaschen mit Schwefelsäure zur Aufnahme des austretenden Ammoniaks

Um die durch den Landwirt Dr. Hamel aufgestellten Hypothesen zur Emissionsminderung zu verifizieren, sollten in einem ersten Schritt des Projektes EmiGüll die Wirkung der drei oben genannten Zuschlagstoffe in Rindergülle und Biogasgärrest im Labor untersucht werden. Für die Laborversuche wurde als Projektpartner der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) ausgewählt. Am Standort des LHL in Bad Hersfeld wurden die Ausgasungsversuche im Gefäßmaßstab (siehe Bild 1) durchgeführt. Die Gülle bzw. der Gärrest, welcher sich in den luftdicht verschlossenen, 20 l fassenden Gefäßen befand, wurde mittels Rührwerk in Intervallen gemischt. Zudem wurde mithilfe einer Pumpe ständig ein Luftstrom über das Medium in den Behältern geführt. Die aus den Behältern austretende Luft wurde dann durch mit Schwefelsäure gefüllte Waschflaschen geleitet, um das in der Abluft befindliche Ammoniak zu binden und quantifizieren zu können. Über eine entsprechende Versuchsdauer galt es zudem heraus zu finden, wie lange die beschriebene Wirkung der Zuschlagstoffe anhält. Um die Dosierung zu bestimmen wurde zum einen die normale Aufwandmenge, zum anderen die doppelte Dosierung der Zuschlagstoffe in ihrer Wirksamkeit getestet.

In Abbildung 1 sind die Mittelwerte der wöchentlichen Emissionsraten vom Versuchsbeginn bis zum 55. Versuchstag abgebildet. Auf der linken Seite sind die Ergebnisse für Rindergülle und auf der rechten Seite die für Gärrest dargestellt (RG = Rindergülle, GR = Gärrest, 1x = einfach dosierte Zuschlagstoffe, 2x = doppelt dosierte Zuschlagstoffe). Für beide Medien kann eine deutlich geringere Emissionsrate der behandelten Variante gegenüber der unbehandelten Variante festgestellt werden. Die einfach sowie die doppelt behandelte Variante bei der Rindergülle zeigen wenig Unterschiede im Emissionsverhalten auf.

Abbildung 1, links: Mittelwerte der wöchentlichen Emissionsraten, ausreißerbereinigt
Abbildung 1, rechts: Mittelwerte der wöchentlichen Emissionsraten, ausreißerbereinigt

Aufgrund eines defekten Rührwerkes kam es zu einer Schwimmschichtbildung auf der Gülle eines Behälters. In dem besagten Versuchsbehälter wurden im Vergleich zu den anderen der gleichen Variante deutlich (nach unten) abweichende Emissionsverläufe festgestellt (hier nicht dargestellt). Diese Beobachtung hat dazu geführt, dass die Versuchsdurchführung in der Zeit vom 56. bis 65. Versuchstag abgewandelt wurde. Die Rührwerke wurden komplett abgestellt. Die Bestimmung der Ammoniakemissionen fand, wie in der ersten Versuchsphase, weiterhin statt, um so den Einfluss der Schwimmschichtbildung auf das Emissionsverhalten bestimmen zu können. Die reduzierende Wirkung der Schwimmschichten auf das Emissionsverhalten konnte nachgewiesen werden, bis hin zum völligen Erliegen der Ammoniakemissionen. Die Vermutung, dass es eine Beziehung zwischen Behandlung und Schwimmschichtbildung gibt, konnte jedoch statistisch nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Da das Versuchsziel die Ermittlung einer Bindungswirkung des Ammoniaks in der Gülle und nicht die Beobachtung physischer Effekte wie einer Schwimmschicht waren, wurde der Versuch im Anschluss mit kontinuierlichem Einsatz der Rührwerke nach Aufbrechen der gebildeten Schwimmschichten weitergeführt.

Abbildung 2, links: Emissionsraten (gemittelt) nach Aufbrechen der Schwimmschichten
Abbildung 2, rechts: Emissionsraten (gemittelt) nach Aufbrechen der Schwimmschichten

Abbildung 2 zeigt, dass die Emissionsraten nach dem Aufbrechen der Schwimmschichten deutlich angestiegen sind. Bei der Rindergülle haben sich die Varianten im Zeitverlauf einander angenähert, wohingegen beim Gärrest ein deutlicher Unterschied in der behandelten und der unbehandelten Variante bis zum Versuchsende zu sehen war.

Abbildung 3 stellt die kumulierten Emissionen nach dem Aufbrechen der Schwimmschicht dar. Insbesondere bei den Gärresten zeigt sich eine gute Unterscheidung. Bei der Rindergülle lässt sich ein Unterschied zwischen der unbehandelten und der doppelt behandelten Variante vermuten, jedoch nicht statistisch signifikant nachweisen.

Abbildung 3, links: Kumulierte Emissionen nach Aufbruch der Schwimmschichten
Abbildung 3, rechts: Kumulierte Emissionen nach Aufbruch der Schwimmschichten

Zusammenfassend ließ sich in fast allen Teilversuchen ein Zusammenhang zwischen Behandlung und Emissionsverhalten feststellen. Auch weitere nicht beschriebene Nebenversuche lassen auf einen Zusammenhang schließen. Ein Einfluss auf den pH-Wert, welcher bekanntermaßen emissionsrelevant ist, konnte nur teilweise festgestellt, aber nicht als ursächlich identifiziert werden. Die Ergebnisse eines weiteren Nebenversuches legen Nahe, dass Emissionsreduktionen nicht über eine Festlegung von Ammonium durch die Zuschlagsstoffe in den verwendeten Konzentrationen selbst zurückzuführen waren. Ein Wirkmechanismus ist also nicht klar.

Vom Labor in den Stall und auf die Wiese

Aufgrund der durchaus aussagekräftigen, wenn auch nicht in allen Einzelversuchen konsistenten Laborergebnisse, wird das Projekt EmiGüll nun in den weiteren Versuchsphasen fortgeführt. In den folgenden Schritten geht es darum, die Wirksamkeit der Zuschlagstoffe durch Emissionsmessungen in einem reellen Boxenlaufstall (Reallabor) in der landwirtschaftlichen Praxis zu überprüfen.

In einer dritten Projektphase, die parallel zur zweiten durchgeführt werden soll, gilt es zudem zu klären, ob die emissionsmindernde Wirkung der Zuschlagstoffe auch bis zur Gülleaufbringung im Grünland anhält. Hierzu sollen Emissionsmessungen von unbehandelter sowie behandelter Gülle während der Gülleaufbringung mittels zentralem Breitverteiler im Grünland stattfinden.

Für diese Versuchsphasen laufen derzeit die Vorgespräche zur Auswahl des Stalles und der Versuchspartner, welche die Emissionsmessungen durchführen können. Voraussichtlich werden die Messungen im Frühjahr und Sommer 2022 durchgeführt, so dass das Projekt EmiGüll zum Ende des Jahres 2022 mit der Versuchsauswertung abgeschlossen werden kann.

Das Projekt EmiGüll schließt an aktuelle Projektes des KTBL an

Das Projekt EmiGüll ist unter den aktuellen Diskussionen um mehr Klimaschutz hochaktuell und ergänzt die derzeit laufenden Projekt EmiDat (Ermittlung von Emissionsdaten; https://www.ktbl.de/themen/emidat) und EmiMin (Emissionsminderung Nutztierhaltung; https://www.ktbl.de/themen/emimin) des KTBL (Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft). Im Projekt EmiMin werden verschiedene Indoor-Maßnahmen, denen eine Emissionsminderung zugesprochen wird (z.B. Einsatz von Urease-Inhibitoren, Kot-Harn-Trennung etc.), untersucht. Das Projekt EmiDat hingegen beschäftigt sich mit der Ermittlung von Emissionsdaten aktueller Stallsysteme für die Beurteilung der Umweltwirkungen der Nutztierhaltung.

In diesen beiden vom KTBL betreuten Projekten werden VERA-zertifizierte Messverfahren (VERA = Verification of environmental technologies for agricultural production (Verifizierung von Umwelt­technologien in der Landwirtschaft)) angewandt. Zur Vergleichbarkeit der Messergebnisse aus den Projekten EmiMin und EmiGüll wird auf die Anwendung derselben Messverfahren geachtet werden.

Kurz zusammengefasst:

Die Landwirtschaft gilt als Hauptemittent von Ammoniak. Nicht nur durch bürokratische Vorgaben der EU, sondern auch mit Blick auf den Klimawandel, müssen die Ammoniakemissionen stark reduziert werden. Im, durch Mittel aus dem hessischen Öko-Aktionsplan geförderten, Projekt „EmiGüll“ werden die emissionsmindernden Eigenschaften von Gesteinsmehl, Leonardit und Pflanzenkohle in Rindergülle untersucht. Erste vielversprechende Laborergebnisse führen dazu, dass das Projekt nun in der Praxisphase fortgeführt wird. Nun gilt es, die Zuschlagstoffe in einem Boxenlaufstall einzusetzen, um anschließend das Emissionsminderungspotential in der praktischen Milchviehhaltung zu bestimmen.