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Klimawandel: Anpassungsstrategien in der Rinderhaltung

Wenngleich in diesem Jahr durch die ausgeprägten Niederschläge recht ordentliche Futteraufwüchse zu verzeichnen sind, haben die vergangenen, vielerorts insgesamt zu trockenen, Jahre die Auswirkungen des Klimawandels zunehmend spürbar werden lassen.

Die Projektionen der Meteorologen lassen erwarten, dass Witterungsverläufe wie in den Jahren 2018 bis 2020 und 2022 wahrscheinlicher werden, einzelne „nasse“ Jahre aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Kurz zusammengefasst: Die Durchschnittstemperatur steigt an, die Niederschläge fallen eher im Winterhalbjahr, Hitze- bzw. Trockenperioden in den Sommermonaten werden häufiger und die Gefahr von lokalen Starkniederschlägen nimmt zu.

Die Landwirtschaft ist unmittelbar von diesen klimatischen Veränderungen betroffen. Die Entwicklung von Anpassungsstrategien wird zukünftig, sowohl in der Tierhaltung als auch im Pflanzenbau, eine zentrale Rolle im Management landwirtschaftlicher Betriebe einnehmen.

Hitzestress führt zu sinkender Milchleistung und Beeinträchtigung der Tiergesundheit

Die Messwerte des Deutschen Wetterdienstes zeigen eine Zunahme der Anzahl von sogenannten Sommer- und Hitzetagen, also Tagen mit einer Höchsttemperatur von über 25 °C bzw. 30 °C. Eine für Rinder optimale Umgebungstemperatur liegt hingegen im Bereich zwischen 4 und 16 °C. Langanhaltende Hitzeperioden, insbesondere in Verbindung mit einer relativ hohen Luftfeuchtigkeit, können für Rinder zur Belastung werden. Aufgrund ihrer enormen Stoffwechselleistung produzieren Milchkühe viel Wärme, welche nur über die Haut an die Umgebung abgegeben werden kann. Bereits ab 22 °C entsteht Hitzestress, da die Wärmeabgabe der Tiere nicht mehr in ausreichendem Maße erfolgen kann. Die Folgen von Hitzestress können vielfältig sein. So zeigt sich zum Beispiel eine Veränderung des Verhaltens, eine Beeinträchtigung der Stoffwechselleistung, oder eine geringere Futter- und Nährstoffaufnahme. Dies bedingt besonders bei langanhaltender Hitzebelastung eine geringere Milchleistung. Weiterhin führt Hitzestress zu einer Belastung des Immunsystems, woraus eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit resultieren kann. Auch eine herabgesetzte Fruchtbarkeit kann als Folge der Hitzebelastung beobachtet werden.

Maßnahmen gegen Hitzestress

Weidetränke

Häufig können die Tiere schon mit einfachen Maßnahmen entlastet werden. Ansatzpunkte bieten hier das Herdenmanagement und die Fütterung. In Abhängigkeit der Leistung der Milchkühe sowie der Umgebungstemperatur kann der Wasserbedarf im Sommer 50 bis 180 Liter pro Tier und Tag betragen. Die Tränkstellen sollten, sowohl im Stall als auch auf der Weide, für alle Tiere leicht zu erreichen sein. Dabei ist auf Wasser von guter Qualität und auf eine ausreichend hohe Durchflussrate der Tränken zu achten.

Die Tränken sollten zudem regelmäßig gereinigt werden. Bei warmer Witterung können sich Mikroorganismen und Keime schnell vermehren, was zu einer Reduzierung der Wasseraufnahme und der Leistung führen kann. Durch die erhöhte Wasseraufnahme und durch die Schweißbildung der Tiere, werden Mineralstoffe verstärkt ausgeschieden. Zusätzliche Salzlecksteine oder erhöhte Mineralfuttergaben können dem entgegenwirken. Die meisten Rinderställe werden heute als Außenklimaställe mit großem Luftvolumen gebaut. Jedoch reicht dies im Sommer häufig nicht aus, um die Kühe entsprechend zu kühlen. Zusätzliche Ventilatoren zur besseren Luftbewegung oder eine Kühlung über eine Verneblungsanlage können zur Entlastung der Tiere beitragen. Aber bereits geöffnete Tore, Seitenwände oder ein offener First ermöglichen ebenfalls eine bessere Luftbewegung. Bei einem Neubau sollte darauf geachtet werden, dass der Stall quer zur Hauptwindrichtung gebaut wird. Eine helle, isolierte Dachfläche mit ausreichend dimensioniertem Dachüberstand kann die Strahlungswärme auf dem Stalldach reduzieren. Das Anbringen von Photovoltaikplatten auf dem Stalldach trägt nicht nur zur Energiegewinnung bei, sondern beschattet das Dach und reduziert so ebenfalls die Strahlungswärme.

Optimierung des Fütterungsmanagements und des Futterbaus

Blühende Luzerne

Die Futteraufnahme sollte auch bei hohen Temperaturen sichergestellt werden. Zur Erhaltung des pH-Werts im Pansen ist auf eine ausreichend hohe Aufnahme strukturwirksamer Futtermittel zu achten. Die Futteraufnahme kann durch mehrmaliges Vorlegen von frischem Grundfutter oder ein häufigeres Nachschieben verbessert werden. Eine einmalige Fütterung sollte hingegen in den kühleren Abendstunden stattfinden. Dabei ist bereits bei der Futterentnahme aus dem Silo auf einen ausreichenden Vorschub zu achten. So kann die Bereitstellung von Futter mit guter Qualität gewährleistet werden.

In Folge der klimatischen Veränderungen, mit einer Zunahme von heißen Tagen und einer verstärkten Sommertrockenheit, muss gegebenenfalls auch das Weidemanagement angepasst werden. Um die Tiere nicht zusätzlich zu belasten, ist auf ausreichend Schattenplätze und auf freien Zugang zu Wasserquellen auf der Weide zu achten. Ist eine Beschattung der Tiere nicht gegeben, sollte der Weidegang in den heißen Mittagsstunden vermieden werden. Der Weidegang sollte dann in die kühleren Morgen- oder Abendstunden bzw. in die Nacht verlegt werden.

Auch wird zukünftig eine größere Flexibilität nötig sein. Die Nutzungsintensität sollte an den Standort bzw. den Pflanzenbestand angepasst werden. Ein früheres Umtreiben der Tiere kann zu einer Erholung der Grasnarbe und damit zu einem verbesserten Wiederaustrieb der Pflanzen beitragen. Bei unzureichendem Pflanzenaufwuchs kann zudem eine zusätzliche Fütterung auf der Weide erforderlich sein. Dies hat Auswirkungen auf die Futterreserven und muss bei der Futtervorratsplanung berücksichtigt werden.

Wie bereits angesprochen, hat gerade in den vergangenen Jahren die langanhaltende Frühjahrs- und Sommertrockenheit zu nachhaltigen Schäden in den Grünlandbeständen geführt. Tiefwurzelende Unkräuter hatten gegenüber den wasserbedürftigen Weidelgräsern einen klaren Vorteil. Folglich hat die langanhaltende Trockenheit nicht nur zu Ertragsausfällen, sondern auch zu einer Verschlechterung der Bestandszusammensetzung und der Futterqualität geführt. Um das Ertragspotential der Standorte ausschöpfen zu können, sollten die Schäden kontinuierlich durch entsprechende Pflegemaßnahmen und Nachsaaten behoben werden.

Grünlandmanagement im (Klima-)Wandel
Grünland in Trockenjahren bewirtschaften

Im Feldfutterbau bietet die Luzerne bzw. Luzernegras, besonders auf sommertrockenen Standorten, eine gute Alternative zum Kleegras. Neben der hohen Trockenheitstoleranz, tragen auch der vergleichsweise hohe Rohproteingehalt und die gute Strukturwirkung der Luzerne zu einer Absicherung der Futtergrundlage bei.

Durch die wüchsige Witterung in diesem Jahr kann die Notwendigkeit zur Anlage ausreichender Futterreserven schnell in den Hintergrund rücken. Insbesondere aber das Trockenjahr 2022 hatte für viehhaltende Betriebe teils gravierende Folgen. Bereits im Frühsommer zeichnete sich vielerorts ab, dass es ohne Regen wohl beim ersten Schnitt bleiben werde, der Mais frühzeitig abreifen wird und die Grobfutterreserven für die Winterfütterungsperiode knapp werden.

Auch in der Rückschau auf 2018 als Extremjahr folgten bereits zwei weitere zu trockene Jahre. Obwohl sich 2023 erfreulicherweise nicht in diese Serie einreiht, muss generell zukünftig mit einer vermehrten Frühjahrs- und Sommertrockenheit gerechnet werden.

Um Futterengpässe zu vermeiden und um die leistungsgerechte Versorgung der Tiere aufrecht halten zu können, ist eine frühzeitige Planung von Futterreserven und die regelmäßige Kontrolle der Futterbestände besonders wichtig. Neben der bereits erwähnten Optimierung der Grünlandbestände, empfiehlt es sich, die Möglichkeiten einer erweiterten Futtergrundlage, z.B. durch eine Ausweitung des Feldfutterbaus, zu überdenken. Ist dies auf den eigenen Flächen nicht möglich, kann eventuell eine Futter-Mist-Kooperation mit anderen Betrieben zur Entspannung der Grundfutterversorgung beitragen.
Zusätzliche Versorgungssicherheit kann gegebenenfalls auch eine Getreideganzpflanzensilage bieten.

Bei Fragen zu betriebsindividuellen Anpassungsmöglichkeiten und zur genauen Fütterungsplanung wenden Sie sich bitte an die entsprechende LLH-Beratungskraft vor Ort.