Nachlese: Klimaangepasste Milchproduktion – Management und Züchtung im Fokus
Friederike Kaplan, Beratungsteam Ökologischer Landbau
Hitzestress kann in der Milchproduktion zu einem Milcheinbruch und weiteren Problemen führen. Da durch den Klimawandel mehr Hitzetage im Jahr zu erwarten sind, können Anpassungsstrategien helfen, eine stabile Milchproduktion aufrecht zu erhalten.

Bei der Online-Veranstaltung „Durch Management und Züchtung in der Milchproduktion klimafit werden – Vorteile und Herausforderungen von Holstein-Friesian, Fleckvieh und Jerseys“ am 20. März 2025 wurden verschiedene Ansätze vorgestellt.
Kühlungsmaßnahmen für mehr Tierwohl und Leistung
André Peter (LLH-Beratungsteam Tierhaltung) zeigte Optionen zur Minderung von Hitzestress im Stall und auf der Weide auf. Insbesondere oberhalb der Komfort-Temperatur von 16°C unterstützten Maßnahmen zur Reduktion von Hitzestress dabei, die Tiergesundheit und die Milchleistung aufrechtzuerhalten. Ein gut belüfteter Stall, idealerweise in Ost-West-Ausrichtung zur Hauptwindrichtung, unterstützt die Kühlung der Rinder – insbesondere in Kombination mit optimal eingestellten Ventilatoren. André Peter betonte, dass es sinnvoll sei, die Kühlung mit einem Fachmann abzustimmen. Fehler in der Installation führten schnell zu einem Effizienzverlust. Auch sei es gut, wenn die Ventilatoren über den Liegeboxen installiert werden. So werden die Kühe zu einer entspannten Wiederkau-Aktivität eingeladen. Ein über dem Futtertisch installierter Ventilator hingegen könne schnell zur Austrocknung des Futters führen. Der Einsatz von Sprinkleranlagen zur Kühlung sei mit Vorsicht zu genießen, da ein anfänglicher Kühleffekt bei steigender Luftfeuchte ins Gegenteil umschlagen kann. Denn: Bei steigender Luftfeuchte steigt die Anfälligkeit der Kühe für Hitzestress. Kommen die Kühe auf die Weide, kann durch ein Weidezelt, Baumpflanzungen oder durch die Anlage eines Agroforstsystems für Schatten gesorgt werden.
Züchtung und Rassenwahl als Antworten auf den Klimawandel
Cordula Kipp (LLH-Beratungsteam Tierzucht) erläuterte, wie Züchtung und Rassenwahl dazu beitragen können, die Milchproduktion an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Dabei ging sie auf die Selektion innerhalb der Rasse, das „Slick hair Gen“, Rasseunterschiede/Kreuzungen und die Farbzucht ein.
Milchviehhaltende Betriebe können über die Wahl des Bullen genetische Anlagen für eine höhere Hitzetoleranz in ihre Herden einkreuzen (Zuchtwert ist in Vorbereitung). Eine genetische Korrelation zwischen Hitzetoleranz und Produktionsmerkmalen ist dabei tendenziell ungünstig, eine Korrelation mit funktionellen Merkmalen wie die Fruchtbarkeit eher günstig. Auch die Auswahl der weiblichen Nachzucht kann einen Einfluss haben. So sollten, um die Herde konstant hitzetoleranter werden zu lassen, Tiere gewählt werden, die bei Hitze weniger starke Milcheinbrüche aufweisen. In Deutschland gibt es seit April 2024 Vorbereitungen für eine nationale Zuchtwertschätzung für das Merkmal Hitzetoleranz (verantwortlich: VIT / Uni Gießen).
Das „Slick hair Gen“ verschafft Kühen ein kürzeres, glattes Fell und feinere Haut. Diese Kühe haben bei Hitze eine höhere Milchleistung als Kühe mit normalem Fell. Ob „Slick hair Gen“-Kühe für die kalten mitteleuropäischen Winter geeignet sind, ist nicht bekannt.
Bei der Kreuzungszucht gibt es die Möglichkeit, Kuhrassen des globalen Südens mit Kuhrassen des globalen Nordens oder hitzetolerantere nördliche Rassen mit weniger hitzetoleranten zu kreuzen. Versuche ergaben, dass die Kreuzungen von Holstein-Friesian (HF) mit Jerseys in der F1 ähnliche Milchleistungen wie reine HFs erreichten, jedoch bei Hitze einen geringeren Milcheinbruch aufwiesen. Insgesamt sind HF-Kühe anfälliger gegenüber Hitzestress als Jerseys und Fleckvieh. Die letzten beiden Rassen konnten bei sommerlichen Temperaturen ihre Milchmenge halten oder sogar leicht steigern. Im Vergleich dazu fiel die Milchleistung bei den HFs deutlich ab.
Kurz thematisiert wurde zudem die Veränderung der Fellfarbe zu einem helleren Ton, die in Studien durch Genom Editing hervorgerufen wurde. Generell kann davon ausgegangen werden, dass Kuhrassen mit heller Fellfärbung, wie braunes Fleckvieh oder Braunvieh, besser mit hohen Temperaturen zurechtkommen.
Abschließend stellte Cordula Kipp einen, im eigentlichen Sinne nicht züchterischen, Aspekt vor, der aber in der Zucht entscheidend sein kann: Kälber, die im Sommer geboren werden, sind später als Milchkuh weniger leistungsstark als Kälber die in den anderen Jahreszeiten geboren wurden.
Mit Jerseys dem Klimawandel begegnen
Abschließend gab Hans-Christoph Gill Einblicke in seinen Betrieb. Als letzter milchviehhaltender Landwirt in der Region südlich von Mainz kann er seinen Betrieb erfolgreich führen. Da in der Region Flächen knapp sind und um seinen Betrieb nachhaltig aufzubauen, stellte der Landwirt aufJerseys um. Gill entschied sich für Jerseys, da er auf einer Amerika-Reise beeindruckt von der Leistung und der Hitzetoleranz war. Die kleine Rasse ermöglicht ihm durch eine höhere Futtereffizienz und erheblich geringeren Futtermitteleinsatz in der Aufzucht mit relativ wenig Fläche konkurrenzfähig Milch zu produzieren. Im Vergleich zu seiner früheren HF-Herde benötigt er mit 19,3 kg Trockenmasse (TM) deutlich weniger Futter pro Tag (HF: 24 kg TM). Zwar produzieren die Jerseys im Schnitt 2500 kg Milch weniger (HF: 10000 kg Milch), die Menge an produziertem Fett und Eiweiß ist jedoch insgesamt in etwa die gleiche. Damit kann der Betrieb bei der Molkerei einen höheres Milchgeld bewirken. Auf den eigenen 121 ha und 40 ha Kooperationsfläche kann er über Feldfutter und Silomais seine 350 bis 400 Jerseykühe selber versorgen, auch in Hitzejahren bei schlechterer Grobfutterernte.
Die abgetränkten weiblichen Kälber lässt er von einem externen Betrieb aufziehen, bis sie vier Wochen vor der Abkalbung auf den Betrieb zurückkehren. Einen Teil der männlichen Kreuzungskälber (Jersey*Weißblaue Belgier) mästet der Betrieb selber.
Weitere Vorteile der Jerseys sieht Gill in der Leichtkalbigkeit, den kleineren Liegeboxenmaßen, dem niedrigen Erstkalbealter und einer guten Klauengesundheit. Als Nachteile nennt er die niedrigen Schlachtkuherlöse, gelegentliche Probleme mit „Säufern“ und die höhere Empfindlichkeit der Kälber bzw. die unzureichende Kolostrumaufnahme.
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