Biorohstoffnutzung
Nachlese: Praxisnaher Austausch zu Agroforstsystemen
Agroforstsysteme bieten, je nach Flächenauswahl, viele Vorteile. Worauf sollte man bei der Planung einer solchen Anlage achten? Welche Systeme sind für bestimmte pflanzenbauliche Ziele geeignet und wie lässt sich die Finanzierung solcher Projekte gestalten?
Am 10.06.2024 kamen Interessierte aus der landwirtschaftlichen Praxis, Beratung und Forschung zusammen, um im Rahmen eines Feldtages diese Fragen zu beantworten und sich über Chancen und Herausforderungen auszutauschen. Gut 35 Teilnehmende besichtigten drei Agroforstsysteme in Mittelhessen, die bereits umgesetzt und bewirtschaftet werden. Organisiert wurde die Veranstaltung von Bioland e.V., der Klimaberatung des Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen im Rahmen des Klimaplans Hessen und der Vermarktungsgesellschaft Kornbauern.
Agroforst-Forschung am Gladbacherhof in Villmar-Aumenau
Das erste Agroforstsystem auf dem Gladbacherhof, eine Mischung aus Ackerbaunutzung mit sechs Baumreihen auf 3,5 ha, wurde im Jahr 2020 mit Unterstützung des Landes Hessen als Praxis- und Forschungsplattform angelegt (siehe Abb. 1).
Voraus ging ein intensiver Planungsprozess, bei dem das Anlagendesign mit den Ideen aller Projektbeteiligten abgestimmt wurden, wie Dr. Philipp Weckenbrock von der Universität Gießen erläuterte. Die Baumstreifen sollen die ackerbauliche Nutzung der Flächen so wenig wie möglich beeinträchtigen; idealerweise sollen die positiven Auswirkungen überwiegen. Der Ackerstreifen ist 18 m breit und entspricht damit einem Vielfachen der Arbeitsbreite, sodass die Bewirtschaftung weiter mit der vorliegenden Landtechnik gut erfolgen kann. Die Baumstreifen selbst sind jeweils 3 m breit. Der Erosionsschutz spielte bei der Planung eine entscheidende Rolle: Ein Starkregenereignis von 100 mm/h im Jahr 2018 zeigte anschaulich, dass der für die Produktion wertvolle Oberboden dieser Fläche (70 Bodenpunkte) bei erneuten Starkregenereignisse auf Dauer verloren gehen könnte. Die Tendenz dazu ist gegeben: auch in 2024 fiel wieder Starkregen auf dem Gladbacherhof, wenn auch etwas geringer als 2018.
Von Beginn an begleiten Mitarbeitende der Uni Gießen das Agroforstsystem mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Fragestellungen. Es werden Bodenproben analysiert, das Gehölzwachstum und die Erträge der Ackerkulturen gemessen sowie das Aufkommen von Fauna und Flora untersucht. Langfristig ist es auch das Ziel die Effektivität der Baumreihen im Hinblick auf die Erosionsreduktion zu untersuchen. Neben neuen Forschungsprojekten, die verschiedene Aspekte der Agroforstsysteme untersuchen, gibt es seit diesem Jahr auch eine Gruppe an Bürgerwissenschaftler*innen, die im Agroforstsystem auf dem Gladbacherhof Untersuchungen zu Boden, Tieren und Pflanzen durchführt. Die nächsten Treffen der Lokalgruppe werden in den Tagen vom 27.-30.07.2024 stattfinden. Interessierte können sich gerne unter melden.
Wenn Greifvögel junge Bäume anfliegen und als Ansitz für ihre Jagd nehmen knicken sie öfters den obersten Trieb der Bäume ab. Um dies zu verhindern ist das Aufstellen mehrerer Sitzstangen für Greifvögel sinnvoll. Die Mitarbeitenden und Forschenden haben deshalb eine leicht zu bauende Version mit Materialkosten von ca. 10 € entwickelt, die mit geringem Aufwand mobil auf den Flächen versetzt werden kann.
Eine Anleitung dazu finden Sie hier:
Bauanleitung für Greifvogelsitzstangen.
Weitere Informationen zur Agroforstwirtschaft am Gladbacherhof finden Sie unter:
Agroforst Gladbacher Hof
Ackerbau mit Wert- und Energieholz auf dem Bioland-Hof Busch in Waldsolms
Auf dem Biolandhof Busch in Waldsolms durfte die Gruppe aus erster Hand erfahren, wie Hannes Busch die Agroforst Baumstreifen in seinen Ackerbau integriert. „Die Fläche ist auf einem windigen Hang gelegen. Der Agroforststreifen soll den Wind abschwächen, um so die Feuchtigkeit in Trockenphasen besser im Bestand zu halten“, erklärt Hannes Busch.
Der Standort ist mit 36 Bodenpunkten eher karg und flachgründig, sodass die Wasserverfügbarkeit umso wertvoller für den Ackerbau ist. Gepflanzt wurden insgesamt 3 Reihen mit verschiedenen Werthölzern: z.B. Wildkirsche, Walnuss-Hybriden und Baum-Hasel. Dazwischen wurden Pappel-Ruten zur energetischen und stofflichen Nutzung für den mittleren bis langen Umtrieb gesetzt (Ernte in 8 bis 20 Jahren). Der Abstand zwischen den Baumreihen beträgt 36 m. Die Abstände zum Feldrand wurden so gewählt, dass das System auch nach GAP Direktzahlungs-Verordnung als Agroforstsystem gilt (siehe Abb. 3).
Der Bioland-Betrieb nimmt u.a. am Projekt Humus-Klima-Netzwerk teil, das die Materialkosten aufbrachte.
„Den Plan für ein Agroforstsystem hatte ich schon seit längerer Zeit und konnte ihn nun umsetzen. In ein paar Jahren werden wir mehr darüber wissen, wie gut es in unseren Betrieb und für unsere Standortbedingungen passt“, so Hannes Busch (siehe Abb. 4).
Eine Herausforderung ist das Wild. Rehböcke fegen gerne an jungen Bäumen und knicken diese damit oftmals ab (siehe Abb. 5, rechts). Eine Ablenkung, beispielsweise mit Holzpfählen, wirkt der Erfahrung nach nicht, da lebendiges, frisches Holz bevorzugt wird. Aus der Gruppe kamen Hinweise mit dem Jagdpächter zu sprechen, da es pro Jahr nur ein paar wenige, standorttreue Tiere sind, die die Fegeschäden verursachen. Zudem kann eine Zaunkonstruktion errichtet werden, was aber aufwendig ist und zusätzliche Kosten verursacht.
Um die Verdunstung in den Baumstreifen zu verringern und die Konkurrenz durch Unterwuchs zu vermeiden, wird Kleegras als Mulchmaterial verwendet, da dies ohnehin in ausreichender Menge im Betrieb vorhanden ist. Bisher gab noch nicht viele Ausfälle der gepflanzten Bäume, aber wenn dann durch Fegeschaden.
Walnussproduktion und Ackerbau auf dem Bioland-Hof Textor in Langgöns
Die Brüder Michel und Max Textor haben auf ihrem Betrieb in Niederkleen mit der Pflanzung von Walnussbäumen zur Fruchtproduktion begonnen. Der Pflanzabstand beträgt 12 m x 12 m auf den hier sichtbaren Flächen (siehe Abbildung 6).
Die Walnuss braucht zur Fruchtentwicklung eher nährstoffreiche und tiefgründige Böden, die teilweise am Standort in der Wetterau vorhanden sind (Bodenpunkte bis zu 75). Zwischen den Reihen wird Ackerbau betrieben oder Heu für die Tiere auf dem Betrieb gewonnen. Mögliche ackerbauliche Nutzungen sind z.B. Hafer, Weizen oder Kartoffelanbau (siehe Abbildung 7).
„Die Neuanlage hat sich bis jetzt in Kombination mit Kleegras bewährt. Das Kleegras reduziert den Beikraut-Druck in der Fläche, zudem ist es förderlich für die Bodenstruktur“, so Michel Textor.
Auf diese Art wurde die zuletzt gepflanzte Walnussanlage erfolgreich umgesetzt. Diese wird fachlich und finanziell im Rahmen des Förderprogramms Silvocultura unterstützt. Hier werden 50 € pro Baum erstattet, die in diesem Beispiel, bezogen auf die Materialkosten (Pflanzgut, Baumschutz, etc.), kostendeckend sind. Eine Bedingung ist, dass mindestens 70 Bäume pro teilnehmenden Betrieb gepflanzt werden. Gefördert werden Einzelbäume, das heißt z.B. Stammholz, Obst oder Nuss. Mehr Informationen zum Programm, das vorerst noch bis 2027 läuft, gibt es hier: SilvoCultura
Auf dem Betrieb Textor wurden 2023/2024 in diesem Rahmen 240 Bäume gepflanzt. Für die Biodiversität und als Orientierungs-Kennzeichnung der 11 Baumreihen wurden 11 verschiedene nicht-Walnuss-Bäume (Maulbeere, Edelkastanie, Ahorn, Ulme) jeweils an den Beginn einer jeden Reihe gepflanzt (siehe Abb. 8). Ein weiteres aktuelles Förderprogramm, in diesem Fall von den in Hessen ansäßigen Planungsbüro Triebwerk mit der Daniel Schlegl-Umweltstiftung finden Sie unter: Daniel Schlegel-Umweltstiftung
Ausblick
Die prognostizierten Vorteile von Agroforstsystemen bezüglich Starkregen und Dürrephasen sind vielversprechend. In den kommenden Jahren werden weitere wertvolle Erfahrungen aus hessischen und bundesweiten Beispielen erwartet. Langfristige Beobachtung und Begleitung der Flächen sind entscheidend. Wie lässt sich die ackerbauliche Nutzung langfristig mit der Baumbewirtschaftung kombinieren? Wie gut passen die Arbeitsabläufe verschiedener Kulturen ineinander? Welche technischen und personellen Voraussetzungen sind innerbetrieblich notwendig?
Es ist ermutigend zu sehen, dass Agroforstsysteme bereits jetzt, unabhängig von staatlicher Förderung, über Projekte und andere Finanzierungsmöglichkeiten entwickelt und erprobt werden.
Für weiterführende Informationen steht die Beratung jederzeit zur Verfügung:
- Tobias Hoppe, Fachberatung Agroforst
Bioland e.V.
Kaiserstr. 18
55116 Mainz
- Die Ansprechpartner des LLH finden Sie in der Kontakte-Box rechts oben.