Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen

Humus

Humusaufbau – welche pflanzenbaulichen Maßnahmen bringen was?

In der Debatte um Klimaschutzmaßnahmen werden die Möglichkeiten des Humusaufbaus durch Bewirtschaftungsmaßnahmen intensiv diskutiert. Humus besteht zu rund 58 % aus Kohlenstoff (C) – der Aufbau von organisch-gebundenem Bodenkohlenstoff (englisch: soil organic carbon, SOC) kann daher zu einer Abnahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre beitragen. Andersherum beschleunigt ein Abbau von SOC über die dabei entstehenden Treibhausgasemissionen den Klimawandel.

Abgesehen von seinem Beitrag zum Klimaschutz hat der SOC positive Effekte auf verschiedene Bodenfunktionen, wie beispielsweise die Förderung von Aggregatstabilität, Wasserhaltefähigkeit, Nährstoffspeicherung, Kationenaustauschkapazität und Säurepufferungsvermögen, und reduziert das Risiko von Bodenerosion und Bodenverdichtung. In dem Bodengesundheitsgesetz, das derzeit als Rechtsrahmen entwickelt wird, um die Ziele der Europäischen Bodenstrategie bis zum Jahr 2030 umzusetzen, wird der SOC-Vorrat daher als ein wichtiger Indikator der Bodengesundheit gehandelt und standorttypische SOC-Konzentrationen sind in der Diskussion.

Bodenkohlenstoffgehalt wird von vielen Faktoren beeinflusst

Die SOC-Vorräte von Ackerböden werden durch verschiedene Standortbedingungen wie Bodentextur (Ton, Feinschluff), Klima, Grund- und Stauwasser sowie das geologische Ausgangssubstrat der Bodenbildung bestimmt (Zimmer et al. 2020). Klima und Bodeneigenschaften kommt dabei mit > 50 % bzw. 20 – 30 % der größte Einfluss auf den SOC-Vorrat zu (Kolbe 2012). Über Bewirtschaftungsmaßnahmen (5 – 30 %) kann der SOC-Vorrat in etwas geringerem Umfang verändert werden. Will man die Effizienz von Bewirtschaftungsmaßnahmen für die SOC-Anreicherung bewerten, sollte man nicht nur den Oberboden, sondern auch den Unterboden betrachten. Unterhalb des A-Horizonts können beachtliche SOC-Mengen gespeichert werden – einige Untersuchungen gehen von über 50 % aus – und die Kohlenstoffvorräte in tieferen Bodenschichten sind vermutlich stabiler.

Eine Anreicherung von SOC in tieferen Schichten kann über die Einwaschung löslicher organischer Kohlenstoffverbindungen aus oberen Bodenschichten, Bioturbation, d.h. die wühlende und mischende Tätigkeit von Lebewesen, sowie durch tiefwurzelnde Pflanzen und deren Wurzelausscheidungen erfolgen. Dabei tragen Wurzeln insgesamt deutlich mehr zur SOC-Anreicherung bei als oberirdische Pflanzenteile. Bewirtschaftungsmaßnahmen, die durch eine höhere Biomassebildung mehr organisches Material in den Boden einbringen, können also zu einer SOC-Anreicherung in Ober- und Unterboden führen. Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Untersuchungen zu Managementeffekten auf den SOC-Vorrat beschränkt sich jedoch auf den Oberboden.

Neue Studie basierend auf Langzeitversuchen

Durch welche Bewirtschaftungsmaßnahmen die SOC-Vorräte des Ober- und Unterbodens in relevantem Umfang gesteigert werden können, wurde in einer gemeinsamen Studie verschiedener deutscher Forschungseinrichtungen untersucht (Skadell et al. 2023). Da Veränderungen des SOC-Vorrates relativ langsam ablaufen, und frühestens nach einem Zeitraum von sechs bis zehn Jahren nachweisbar sind, wurden nur Langzeitexperimente berücksichtigt. Die Versuche (Dikopshof, Thyrow, Gießen, Rauischholzhausen, Dürnast, Müncheberg, Dahlem, Göttingen) repräsentieren typische mitteleuropäische Ackerstandorte auf Braunerden bzw. Parabraunerden und wiesen zum Zeitpunkt der Bodenprobenahmen Laufzeiten von 32 bis 112 Jahren auf. Folgende Bewirtschaftungsmaßnahmen wurden untersucht

  • mineralische N-Düngung
  • mineralische NPK-Düngung
  • Bewässerung
  • Kalkung
  • Fruchtfolge/Vorfrucht
  • Stroheinarbeitung
  • Stallmistgabe
  • reduzierte Bodenbearbeitung, sowie
  • der Einfluss von Bodenverdichtung

Bewirtschaftungseffekte auch im Unterboden nachweisbar

Die Effekte der Bewirtschaftungsmaßnahmen auf den SOC-Vorrat bis 1 m Tiefe werden in Abbildung 1 präsentiert. Dargestellt werden die Veränderungen des SOC im Vergleich zu einer entsprechenden Referenz, beispielsweise den Effekt der Bewässerung im Vergleich zur Variante ohne Bewässerung.

Abb. 1. Effekt verschiedener Bewirtschaftungsmaßnahmen auf die im Boden bis zu einer Tiefe von 100 cm gespeicherte Menge an organischem Kohlenstoff (engl.: soil organic carbon – SOC). Dargestellt werden die Veränderungen des SOC-Vorrates durch die Maßnahme im Vergleich zu einer entsprechenden Referenz (z.B. Stroheinarbeitung versus Strohabfuhr). Punkte: mittlerer SOC-Bestand per Tiefe, grau schattierte Flächen: Standardfehler des Mittelwertes, gestrichelte Linie: Referenz, N: Stickstoff, P: Phosphor, K: Kalium, n: Anzahl der zugrundeliegenden Versuche (verändert nach Skadell et al. 2023)

Im Oberboden (0 – 30 cm) und im oberen Unterboden (30 – 50 cm) führte mineralische N- und NPK-Düngung, Beregnung, Stroheinarbeitung und Stallmistgabe zu gesteigerten SOC-Vorräten, wobei letztere den nachweislich größten Einfluss hatte. Im Oberboden waren die Effekte im allgemeinen stärker ausgeprägt als im Unterboden. Unterhalb von 50 cm Bodentiefe zeigte keine der genannten Maßnahmen einen gesicherten Effekt. Darüber hinaus war die SOC-Akkumulation erwartungsgemäß von der Bodentextur abhängig, wobei Sandböden zwar die geringsten SOC-Vorräte aufwiesen, aber die größten relativen Veränderungen auf die verschiedenen Bewirtschaftungsmaßnahmen zeigten.

Höhere SOC-Vorräte auf feinkörnigeren Böden können zum einen über eine höhere Ertragsleistung und die damit größere Menge an Wurzeln und Ernterückständen erklärt werden. Vor allem aber weisen lehmige und tonige Böden über die Bindung von Huminstoffen an Tonminerale (Ton-Humus-Komplexe) eine höhere Speicherkapazität für SOC auf, und der so stabilisierte SOC wird vor mikrobiellem Abbau geschützt. Einen weiteren Schutz vor Abbau bietet der Einschluss von SOC in Bodenaggregaten.

Jährliche Änderungsraten des SOC-Vorrats schwankten zwischen – 3,0 ‰ (unterlassene N-Düngung) und + 6,1 ‰ (Stallmistdüngung im Vergleich zu Mineraldüngung + Kalkung). Noch höhere Raten bis zu 10,6 ‰ pro Jahr wurden über die Kombination von Beregnung und Stroheinarbeitung am Standort Thyrow (Sand) erreicht (nicht dargestellt). In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass die jährlichen Anreicherungsraten nicht über einen längeren Zeitraum konstant sind, sondern abnehmen je näher der SOC-Vorrat an die durch Boden- und Klimabedingungen gesetzte effektive SOC-Speicherkapazität heranrückt.

Für reduzierte Bodenbearbeitung und Bodenverdichtung war keine Veränderung der SOC-Vorräte über den gesamten untersuchten Bodenhorizont nachzuweisen, auch wenn sich in einzelnen Schichten Effekte abzeichnen. Die Fruchtfolgegestaltung (Inkarnatklee, Ackerbohne oder Körnermais in Rotation mit Winterweizen-Winterroggen-Sommergerste) wurde nur am Standort Gießen geprüft und zeigte tendenziell abnehmende SOC-Vorräte im Unterboden, die aber nicht abzusichern waren. Bewässerung führte zwar zu höheren SOC-Vorräten im Oberboden und oberen Unterboden, aber keinen Effekten im unteren Unterboden. Kalkung kann über eine verbesserte Biomassebildung in einem höheren Input organischer Masse in den Boden resultieren. Außerdem fördert Kalk die Aggregatbildung und schützt damit SOC vor Abbau. Auf der anderen Seite kann ein höherer pH-Wert die Mineralisation beschleunigen und somit den SOC-Abbau begünstigen, was vermutlich erklärt, warum kein nachweisbarer Effekt der Kalkung gefunden wurde.

SOC-Aufbau braucht ausreichenden Input organischer Masse

Abb. 2. Bildung von partikulärer sowie mineral-assoziierter organischer Masse (Ton-Humus-Komplexe). Verändert nach J. Lavallee, https://source.colostate.edu/soil-carbon-is-a-valuable-resource-but-all-soil-carbon-is-not-created-equal/

Ob durch Änderung der Bewirtschaftung der SOC in relevantem Umfang erhöht werden kann, hängt vor allem von der Bilanz zwischen SOC-Neubildung und Abbau vorhandener SOC-Vorräte ab. In den Boden über Erntereste, Wurzeln oder externe organische Dünger eingebrachter organischer C kann im Boden (i) in Form von partikulärer organischer Masse verbleiben, die durch Aggregatbildung vor schnellem Abbau geschützt werden kann oder (ii) als stabilere Ton-Humus-Komplexe (Abb. 2). Gleichzeitig kann aber die Zufuhr von organisch gebundenem C die mikrobielle Aktivität ankurbeln und somit die Mineralisation vorhandener SOC-Vorräte beschleunigen. Dieser Prozess wird auch als positives Priming bezeichnet.

Eine SOC-Anreicherung kann also nur dann stattfinden, wenn die Stabilisierung von neu zugeführtem SOC den Abbau übersteigt. Dies mag erklären, warum in dem oben angeführten Fruchtfolgeversuch kein Effekt der Vorfrucht gefunden wurde. Im Vergleich zu Körnermais verblieben nach Alexandrinerklee (Gründüngung) bzw. Ackerbohne vermutlich nicht deutlich mehr Wurzelmasse und Ernterückstände im Boden. Auch Zwischenfruchtanbau führt nicht notwendigerweise zu einer SOC-Akkumulation. Gemäß einer Studie aus Dänemark sollte eine Zwischenfrucht 0,7 – 1,1 t TM oberirdische Biomasse bilden, damit ein SOC-Anstieg sichtbar wird. Dies wird aber nicht in jedem Jahr erreicht. Relativ sicher kann der SOC hingegen durch die die Einbindung von mehrjährigem Ackergras oder Kleegras in Fruchtfolgen gesteigert werden, da diese Kulturen hohe Wurzelmassen bilden und während des Anbaus keine Bodenbearbeitung erfolgt.

Fazit

Die organische Substanz des Bodens und der darin enthaltene Kohlenstoff spielen eine wichtige Rolle für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und die Bereitstellung vielfältiger Ökosystemdienstleistungen von Böden. Das Potential zur SOC-Speicherung wird vor allem durch Bodeneigenschaften und Klima bestimmt und kann durch Bewirtschaftungsmaßnahmen in gewissem Umfang beeinflusst werden. Hierzu ist ein ausreichender Input an organischer Masse über Wurzeln und Erntereste erforderlich. Von den in der Studie geprüften Maßnahmen erscheinen mineralische N- und NPK-Düngung, Beregnung, Stroheinarbeitung und Stallmistgabe am erfolgversprechendsten. Die Auswirkungen der Maßnahmen sind nicht nur im Oberboden (80 %), sondern auch im Unterboden (20 %) nachweisbar. Extern zugeführte organische Dünger wie beispielsweise Transfermulch können SOC-Vorräte steigern, bergen aber die Gefahr von SOC-Verlusten auf den „Spender-Flächen“.

Und nicht zuletzt ist die SOC-Anreicherung keine Einbahnstraße, sondern auch reversibel, d.h. Bewirtschaftungsmaßnahmen müssen weitergeführt werden, damit einmal akkumulierte SOC-Vorräte erhalten und die andernfalls aus einem SOC-Abbau resultierenden Emissionen in Atmosphäre (CO2, N2O) oder Grundwasser (Nitrat) vermieden werden.

Literatur:

Kolbe H. (2012) Bilanzierungsmethoden und Versorgungsniveau für Humus. Schriftenreihe LfULG Sachsen 19/2012. Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.).

Skadell L.E., Schneider F., Gocke M.I. et al. (2023) Twenty percent of agricultural management effects on organic carbon stocks occur in subsoils – Results oft ten long-term experiments. Agric. Ecosyst. Environ. 356, 108619.

Zimmer J., Bull I., Flaig H. et al. (2020) Grundsätze der Humuswirtschaft: Humus, Humusgehalt. Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung des Landes Brandenburg (Hrsg.).


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