Praxisnahe Wege für klimaresiliente Landwirtschaft

Friederike Kaplan, Martin Himmelmann, Lisa Fröhlich, Beratungsteam Ökologischer Landbau und Dr. Felix Richter (NÖK)

alte Gebäude des Bildungsseminars in Rauischholzhausen; im Vordergrund sieht man Personen, die sich unterhalten
Intensiver Austausch in Rauischholzhausen; © NÖK

Wie kann Landwirtschaft unter zunehmenden Wetterextremen, abnehmender Bodenqualität und steigendem gesellschaftlichem Anspruch ökologisch wie ökonomisch tragfähig bleiben? Dieser Leitfrage widmete sich die Fachinformationsveranstaltung „Maßnahmen für eine klimaresiliente Landwirtschaft in Hessen“ auf Schloss Rauischholzhausen. Veranstaltet wurde sie vom Netzwerk Ökolandbau und Kompost (NÖK) gemeinsam mit dem Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) sowie den Anbauverbänden Bioland und Naturland.
Forschende und Praktiker beleuchteten aus unterschiedlichen Blickwinkeln zentrale Stellschrauben wie Humusaufbau, Bodenbearbeitung, Nährstoffkreisläufe und Fruchtfolgegestaltung. Eine durchgängige Botschaft verband alle Vorträge: Der Aufbau und Erhalt einer lebendigen, humusreichen Bodenschicht ist zentrale Voraussetzung für klimaangepasste Ackerbausysteme.

Kompost als Baustein geschlossener Nährstoffkreisläufe

Blick in einen Saal; vorne 2 Referenten vor einer Präsentationswand; im Vordergrund sitzende Zuhörer in Stuhlreihen
Die Veranstaltung war gut besucht.
© NÖK

Zum Einstieg zeigte Ralf Gottschall (ISA), wie Biogut- und Grüngutkomposte gezielt zur Nährstoffversorgung eingesetzt werden können. Besonders für viehlose Ökobetriebe mit negativen P- und K-Bilanzen sei Kompost ein praxistauglicher Hebel, um langfristig Bodenfruchtbarkeit zu sichern. Dabei ist Grüngutkompost für den Leguminosenanbau vorzuziehen, da er im Vergleich zu Biogutkompost deutlich geringere Stickstoffgehalte aufweist und daher gemäß Düngeverordnung auch in stickstoffspezifisch sensiblen Situationen, wie vor Leguminosen, ausgebracht werden darf. In Langzeitversuchen konnte eine signifikante Zunahme des organischen Bodenkohlenstoffs durch regelmäßige Kompostgaben nachgewiesen werden. Diese Verbesserung wirkte sich positiv auf Wasserhaltefähigkeit, Aggregatstabilität und biologische Aktivität im Boden aus. Gottschall präsentierte dabei Ergebnisse aus dem NÖK Hessen sowie von mehreren Langzeitversuchen aus Deutschland und Österreich. Dabei unterstrich er die Relevanz regional verfügbarer Komposte für eine standortangepasste Düngestrategie.

Sandra Höbel (LLH-Beratungsteam Ökologischer Landbau) stellte die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Kompost in der Landwirtschaft vor. Besonders relevant für die Praxis: Kompost darf maximal zwei Monate am Feldrand bereitgestellt werden. Bei Eigenkompostierung aus landwirtschaftlicher Biomasse gelten andere Vorschriften als beim Zukauf aus Bioabfallverwertung. Komposte eignen sich auch in roten Gebieten als N-arme Düngerergänzung, sofern sie korrekt deklariert und ausgebracht werden. Ein praxisrelevanter Überblick zur Lagerung von Wirtschaftsgütern im Außenbereich findet sich im LLH-Leitfaden.

Regenerativer Ackerbau zwischen Anspruch und Evidenz

Das Forschungsprojekt AKHWA untersucht, ob regenerative Ackerbaustrategien wie Fermentausbringung, flache Bodenbearbeitung oder Tiefenlockerung die Bodenfunktionen langfristig verbessern. Das Projekt wird gemeinsam von den drei hessischen Universitäten Kassel, Gießen und Geisenheim sowie dem LLH umgesetzt. Projektleiter Stephan Junge stellte erste Ergebnisse vor: Zum Beispiel fördere eine Tiefenlockerung unterhalb des Verdichtungshorizonts signifikant die Durchwurzelung und damit die Ertragsbildung. Junge wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine zu einseitige Umsetzung von Minimalbodenbearbeitung dazu führen kann, dass sich die sogenannte Pflugsohle durch Sedimentation feiner Bodenpartikel nach oben verlagert. Wichtig sei deshalb: Minimale Bodenbearbeitung führt nicht automatisch zu einer feinkrümeligen Bodenstruktur, aber sie funktioniert besonders gut auf bereits gut durchlüfteten, krümeligen Böden. Als einfache und wirksame Praxismaßnahme empfahl Junge zudem die regelmäßige, moderate Kalkung, um die Bodenstruktur zu stabilisieren.

Zwischenfrüchte: Humusbringer und Wurzelbohrer

Martin Trieschmann (Naturland-Beratung) betonte die zentrale Rolle des Zwischenfruchtanbaus in klimarobusten Fruchtfolgen: „Zwischenfrüchte brauchen Planung, Wille und Konsequenz.“ Bereits im Mai sollte das Saatgut organisiert sein. Die Etablierung muss mit der Sorgfalt einer Hauptkultur erfolgen. Besonders wirkungsvoll für den Humusaufbau seien Mischungen mit Leguminosen, da diese besonders viel Wurzelmasse bilden. Komposte können diesen Prozess zusätzlich unterstützen, indem sie organische Masse und mikrobielle Aktivität fördern.

Zudem wies Trieschmann auf die veränderten Klimabedingungen hin: Die Anzahl der Tage über 30°C hat sich seit 1990 mehr als verdoppelt. Entsprechend gewinnen Maßnahmen zur Erhaltung der Bodenstruktur an Bedeutung. Die Kalkversorgung spielt hier eine Schlüsselrolle. In Jahren mit hohen Niederschlägen wird Calcium vermehrt ausgewaschen, was sich negativ auf die Krümelstruktur auswirken kann.

Stickstoffverbleib nach dem Umbruch

Blick in einen Saal; vorne 2 Referenten vor einer Präsentationswand; im Vordergrund sitzende Zuhörer in Stuhlreihen
Miriam Athmann zum Thema „Umbruch von Zwischenfrüchten“;
© NÖK

Wie sich unterschiedliche Verfahren für den Umbruch von Zwischenfrüchten auf den Stickstoffhaushalt und die Ertragsbildung auswirken, zeigte Prof. Miriam Athmann (Universität Kassel) mit Daten aus Praxisbetrieben und der Staatsdomäne Frankenhausen, die im Rahmen des Praxisforschungsnetzwerks Hessen (PFN) erhoben wurden. Besonders auf schweren Böden sorgten Pflug und der sogenannte Häufler (Prototyp eines Bodenbearbeitungsgeräts, bei dem nur ein Teil des Bodens bearbeitet und der Rest verschüttet wird) für die höchsten Nmin-Gehalte und Kornerträge in der Nachfrucht. Allerdings waren hier auch die N-Verluste ins Grundwasser und als Lachgas erhöht. Winterharte Zwischenfrüchte mit Frühjahrsumbruch konnten Stickstoffverluste deutlich senken und boten auf leichten Standorten vergleichbare Erträge. Athmann betonte, dass bei flächenschonendem Einsatz des Häuflers ähnliche Erträge erzielt werden können wie beim Pflug – bei gleichzeitig geringerer Bodenbearbeitungsintensität. Noch offen bleibt die betriebswirtschaftliche Bewertung der Varianten.

Kreisläufe schließen im viehlosen Betrieb

Anschließend stellte Prof. Miriam Athmann die Ergebnisse des Langzeitversuchs ÖLAF auf der Staatsdomäne Frankenhausen vor. Ziel ist es, in viehlosen Ökobetrieben tragfähige Stoffstrommodelle zu entwickeln. Varianten wie Grüngutkompost, Silierung oder Futter-Mist-Kooperationen zeigten, dass Nährstoffversorgung und Humusaufbau auch ohne Tierhaltung möglich sind. Die höchsten Kohlenstoffgehalte im Boden wurden in Varianten mit Kompostgaben erzielt, die auch mit den höchsten Erträgen korrelierten. Wichtige Begleitparameter wie Regenwurmdichte und Nematodenbesatz wurden ebenfalls erfasst.

Der Blick in den Boden: Turiel-System auf dem Quellwiesenhof

Blick auf eine Präsentationswand mit Beamer; rechts und links stehen Referenten
Rico Platzdasch stellt die Dammbewirtschaftung vor. © NÖK

Im Anschluss gab Rico Platzdasch vom Quellwiesenhof Einblicke in seine Praxis mit dem Turiel-Dammkultursystem.

Der Betrieb verfolgt eine bodenaufbauende Strategie im Ackerbau, bei der Dämme dauerhaft bestehen bleiben. Durch gezielte Tiefenlockerung bei der Dammerrichtung entsteht ein großer durchwurzelbarer Raum mit guter Durchlüftung. Die Dämme werden nicht rückverfestigt und ermöglichen eine stabile Bodenstruktur. Zwischenfrüchte verbleiben über den Winter im Damm und werden im ersten Hackgang beseitigt, wobei die Kapillarität gebrochen und Verdunstungsverluste minimiert werden. Das System führte zu um bis zu 10 % höheren Erträgen und gesteigerten Qualitäten (höherer Proteingehalt), bei gleichzeitig reduziertem Dieselverbrauch. Laut Platzdasch können längere Trocknungsphasen besser überdauert werden – ein Pluspunkt in Zeiten zunehmender Wetterextreme.

Theorie trifft Praxis auf Exkursionen

Halle mit gelagertem Kompost; davor steht eine Personengruppe
Begutachtung der Kompostqualität in Cyriaxweimar; © NÖK

Am Nachmittag führten zwei Exkursionen in die Praxis.

Auf der Kompostanlage in Cyriaxweimar informierte Betriebsleiter Sven Bratek (Marburger Entsorgungs-GmbH) über die Aufbereitung von Biogut (Inhalt der Marburger Biotonnen) und Grüngut (Baum- und Strauchschnitt) mittels Vergärung und anschließender Kompostierung zu ökolandbaukonformen Komposten.

Personengruppe bei der Bodenbegutachtung auf Grünland
Blick in den Boden auf Hof Eselmühle; © NÖK

Auf dem Naturland-Betrieb Hof Eselsmühle in Lohra konnten die Teilnehmenden direkt erleben, wie sich eine langjährig humusmehrende Bewirtschaftung auf die Bodenstruktur und das Pflanzenwachstum auswirkt. Betriebsleiter Felix Hoffarth berichtete dabei auch von seinen langjährigen Erfahrungen mit dem Einsatz von Komposten aus der Anlage in Cyriaxweimar.

Fazit: Lockern, Zwischenfrüchte und Kalk

Rund 50 Personen – darunter Landwirtinnen und Landwirte sowohl von ökologischen als auch von konventionellen Betrieben, landwirtschaftliche Beraterinnen und Berater, Betreiber von Kompostierungsanlagen sowie Vertreterinnen und Vertreter von Landwirtschaftsämtern, Wasserverbänden, Ingenieurbüros und Forschungsinstitutionen – erlebten eine informative Veranstaltung mit lebhaften Diskussionen. Die Veranstaltung machte deutlich: Klimaresilienz ist kein einzelner Betriebszweig, sondern das Ergebnis vieler ineinandergreifender Maßnahmen. Entscheidend ist das Verständnis für die Prozesse im Boden, gepaart mit praxistauglichen Strategien wie Komposteinsatz, Zwischenfruchtanbau, Fruchtfolgegestaltung und angepasster Bodenbearbeitung. Nur wer bereit ist, diese Elemente systematisch zu kombinieren, kann den Herausforderungen des Klimawandels auf dem Acker erfolgreich begegnen.

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